„The Natural Face“ als Strategie ästhetisch-medizinischer Treatments
Bei einem Symposium im Rahmen der diesjährigen Tagung DERM in Frankenthal sprach der renommierte ästhetische Mediziner Mark Posselt (München) über ein „The Natural Face“ genanntes Konzept, das nach Analyse der individuellen anatomischen Gegebenheiten und jeweils sichtbaren Alterungsprozesse eine Wiederherstellung des „natürlichen Korridors“ der Proportionen und den (Wieder-)Aufbau eines natürlich verjüngt wirkenden Gesichts gewährleisten soll.
Alterungsprozesse könne man, so Posselt, in drei Kategorien einteilen: mimische Falten, Volumenverluste und Elastose bzw. „Sagging“. Häufig seien dabei Änderungen der Proportionsverhältnisse ausschlaggebend für die Wahrnehmung einer Veränderung im eigenen Gesicht. Nach einer solchen Feststellung suchen viele Patient*innen Ästhetik-Spezialist*innen auf, um gegen die Veränderungen vorzugehen. Dabei unterscheidet Posselt drei grundlegende Strategien. Die erste Strategie, der von ihm präferierte „Natural Look“, bezieht sich auf die Erhaltung und Respektierung des gegebenen Korridors der Proportion durch deren Wiederherstellung; es wird dabei der individuelle Proportionskorridor nicht verlassen. Bei der zweiten Strategie „Beautification“ verfolge man eine behutsame Änderung und verlasse den gegebenen Korridor der Proportion vorsichtig. Die dritte Strategie „Transformation“ sei wesentlich drastischer, da eine „kreative“ Änderung vorgenommen werde, die durch plakatives Verlassen des gegebenen Korridors der Proportion in einer Typveränderung resultiere; als Beispiele hierfür nannte Posselt die sog. „Russian Lips“ sowie Overfills im Bereich von Wangen und Jaw Line.
Zu Demonstrationszwecken wurde ein 3D-Proportionsscan (Fa. Canfield) einer 56-jährigen Patientin mit einem herzförmigen, femininen Gesicht vorgestellt. Durch Bilder einer unterstützenden Software-Demo warnte Posselt in diesem Fall davor, zu viel Filler-Material einzusetzen, weil dies die Gesichtsproportionen schnell verschiebe und sich das Gesicht dabei unabsichtlich verbreitere. Die anschließende kameragestützte Live-Demonstration eines Z-Faden-Liftings im PDO-Modeling wurde mit der gleichen Patientin durchgeführt.
Die Patientin zeigte ein leichtes „Sagging“ im Bereich der Haltebänder in der Kieferpartie sowie ebenfalls im Bereich der Region Jochbein/Wange/nasolabiales Sagging. Die Eintrittspunkte für die Lifting-Fäden wurden mittels Lidocain bereits im Vorfeld lokal betäubt. Das Ziel des Faden-Liftings war es, das „abgesackte“ oberflächliche Gewebe zu heben, um eine erfolgreiche Wiederherstellung der ursprünglichen Proportionen zu erreichen. Posselt zeichnete jeweils die verschiedenen Ebenen und Vektoren des Eingriffs ein und empfahl jeder Kollegin bzw. jedem Kollegen das gleiche zu tun, damit alle Proportionen exakt eingehalten werden können.
Posselt begann den Eingriff nach der lokalen Betäubung mittels Xylonest am höchsten Vektor mit COG-8D-Fäden, die acht Widerhäkchen pro Ebene besitzen. Der Vorstich erfolgte mit einer 16G-Nadel in die subkutane Schicht und wurde ca. 1 cm von der Haarlinie entfernt gesetzt. Die COG-8D-Fäden wurden bis in die Subcutis eingeführt, dies sei auch generell der Einsatzort von Lifting-Fäden, so Posselt. Der verwendete Faden wurde dabei zwischen dem Daumen und der Plastikhalterung fixiert, damit sich der Faden nicht eigenständig auslöst, eingeführt, umgelegt und vorgeschoben. Nach dem Einführen des Fadens bis zum vorgesehenen Ort werde dieser mit der rechten Hand festgehalten und mit der linken Hand streiche man die Haut nach oben zurück, sodass sich der Faden an die Haut binden könne. Dabei solle jedoch niemals am Faden selbst gezogen werden, sondern wichtig sei, dass man das Weichteil über den Faden nach oben sanft massiere. Im Anschluss an die lokale Fixierung der Fäden und eine Massage der Haut mit einem Wattepad ziehe man leicht an den Fäden und schneide sie ab. Wichtig sei, dass man möglichst versuche, die maximale Fadenlänge zu applizieren. Im Anschluss erfolgte das Legen des diagonalen Molding-Fadens (Fadenstärke 2‘0) von der Einstichstelle über den Wangenknochen bis hin zum Punkt der stärksten Senkung in der Kieferpartiestelle (der Punkt der stärksten Senkung liege meistens zwischen den anatomischen Haltebändern). Die Venus V-Line Molding-Fäden stellten derzeit mit die stärksten Fäden dar, die es auf dem europäischen Markt gebe, und seien für Anhebungen im Gesicht daher exzellent geeignet. Nach dem Einführen des Molding-Fadens, dem Umlegen, Vorschieben und Fixieren, ähnlich wie zuvor bei den COG 8D-Fäden, warte man jedoch mit dem Abschneiden des Fadens, bis die Molding-Fäden an der Kieferpartie eingeführt und fixiert wurden. Weiter sei zu beachten, dass man vor dem Mundwinkel und den sich dort befindlichen Muskeln aufhöre, damit der Faden nicht vom Muskelgewebe nach oben gedrückt werde. Der fünfte und somit letzte Molding-Faden werde präzise entlang und leicht unterhalb der Kieferpartie gelegt. Zum Abschluss schneide man alle Fäden ab und massiere die Haut sorgfältig mit einem Wattepad.
Generell bestehe eine leichte Gefahr für Blutergüsse, aber durch die Verwendung von Xylonest, dem Adrenalin beigemischt ist, könne man das Risiko hierfür minimieren. Posselt empfiehlt, stets mit „Blunt Tips“ zu arbeiten, da dies das Risiko für Nebenwirkungen im Gewebe deutlich senke. Sobald man auf einen Widerstand im Gewebe treffe, solle man die Nadel dort vorsichtig vorbeiführen. „Tatsächlich kann man sich den Vorgang ungefähr so vorstellen, als würde man durch zarte, sonnengewärmte Butter streichen“, beschrieb Posselt anschaulich.
Die Molding-Fäden können bis zu 12 Monate lang halten. Dies bedeute zwar nicht, so Posselt, dass man nach dieser Zeit zwangsläufig ein zweites Fadenlifting benötige, aber wenn man ein zweites Lifting anstrebe, dann habe man die Resorption des PDO-Materials sowie eine Gewebestraffung durch die Kollagenstimulation auf seiner Seite. Dadurch, dass das Gewebe durch die Kollagenstimulation des ersten Fadenliftings bereits dichter ist, sei die zweite Anwendung meist noch erfolgreicher als die Erstanwendung. Des Weiteren gebe es mittlerweile ein großes Angebot an verlässlichen Fäden, die große Effekte erzielen und lange haltbar seien. Jedoch müsse man beachten, dass dickere Fäden generell tiefer subkutan gelegt werden sollten, damit sie nicht als Riffelungen unter der Haut sichtbar werden, was die Patient*innen naturgemäß störe. Posselt empfiehlt Patient*innen, bis zum zehnten Tag nach dem Treatment die behandelte Hautpartie zu kühlen und diese im schmerzfreien Bereich ganz leicht nach oben zu massieren. Nach dieser Zeit sei der Faden eingewachsen und dadurch im Gewebe stabilisiert.
Anschließend wurde die Live-Demonstration mit einer Hyaluron-Behandlung im nasoradialen Dreieck sowie im Mundwinkel fortgesetzt. Im Rahmen der modernen Hyaluron-Behandlung empfiehlt Posselt überwiegend den Einsatz von Blunt Tip Cannulas, da dies ein wesentlicher Faktor dafür sei, die medizinische Sicherheit des Treatments zu erhöhen. Aus seiner langjährigen Schulungs-Erfahrung heraus beschrieb Posselt, dass sich „vor allem ungeübte Kolleginnen und Kollegen schwertun, mit stumpfen Kanülen zu arbeiten. Schauen Sie aber, wie einfach es mit einer EasyGuide-Kanüle funktioniert. Es ist wie beim Billard, wenn man eine Stützhilfe benutzt“, so Posselt weiter. Sobald die Kanüle eingebracht sei, solle man vorsichtig unter Beachtung des Arteria facialis bis zum höchsten Pol vorstoßen und das Hyaluron retrograd injizieren. In diesem Bereich wurde vom Demonstrator 0,3 ml Hyaluronsäure pro Seite verwendet.
Posselt beschrieb die durch ihn geprägte „Tissue-To-Tip-Technik“: Ein leichtes, konstantes Streichen der Haut reduziere den Schmerz der Patient*innen erheblich. Weiter zeigte Posselt die ebenfalls durch ihn etablierte „Carpet-Technik“: durch Schaffen eines Hyaluron-Mikrofilms sorge man dafür, eine ganze Fläche gleichmäßig abzudecken. Außerdem gewährleiste diese „Carpet-Technik“ eine schöne Verteilung des Hyalurons und dadurch ein ästhetischeres Endresultat.
Zuletzt wurde das Thema Hyaluronfiller in der Lippenanwendung behandelt, bei dem ebenfalls einiges beachtet werden müsse. Wichtig sei dabei, dass über dem Mundwinkel begonnen und mit einer dünnen Kanüle (27G oder 30G) sowie einem leichten Produkt gearbeitet werden solle. Wichtiger als die Haltbarkeit des Produkts sei stets die Ästhetik der Patient*innen – und mit leichteren Produkten erziele man präzisere und natürlichere Lippenkonturen, weil sich das Produkt nach der Injektion optimal verteilen lasse und die Wahrscheinlichkeit für Overfills geringer sei.
Am Ende seines Vortrags lud Posselt das Auditorium ein, die Vorher-nachher-Bilder der Patientin aus der Live-Demo am Canfield-Stand selbst zu evaluieren.
Quelle: Symposium „The Natural Face – Rückführung der Alterungsprozesse und Wiederherstellung des natürlichen Korridors mithilfe von Hyaluronsäure und PDO-Fäden“ im Rahmen der 22. Tagung DERM, 15. März 2024, Frankenthal