Anti Aging | Hautpflege

„Wichtig ist immer, dass die Wirkstoffe auf den Hautzustand abgestimmt sind“

Interview mit Prof. Dr. Martina Kerscher, Hamburg

Prof. Dr. Martina Kerscher ist Universitätsprofessorin an der Universität Hamburg sowie Fachärztin für Dermatologie und Allergologie. Als Expertin für Kosmetik und Anti-Aging sprachen wir mit ihr über den Trend zu topischem Anti-Aging und die spezifischen Wirkstoffe, die hierbei besonders im Fokus stehen.

Ästhetische Dermatologie:

Frau Professor Kerscher, können Sie uns zum Einstieg kurz den Begriff “topisches Anti-Aging“ erläutern? Was steckt dahinter?

Prof. Kerscher:

Die Ästhetik im Bereich Anti-Aging steht ja grundsätzlich im Spannungsfeld von Prävention und Korrektur. Am besten ist es natürlich, durch eine geeignete Prävention die Hautalterungszeichen minimal zu halten; wenn das nicht mehr möglich ist, ist durch geeignete Wirkstoffe aber auch eine Korrektur möglich. Unter topischem Anti-Aging versteht man all die Möglichkeiten, die wir hier mit geeigneten Topika – also Cremes, Seren, Wirkstoffkonzentraten, Masken etc. – haben.

Ästhetische Dermatologie:

Können ergänzende Pflegekonzepte hierbei den Erfolg von Anti-Aging- Treatments unterstützen?

Prof. Kerscher:

Das können sie sehr gut, denn ein Facelift oder auch eine Volumenbehandlung mit Hyaluronsäurefillern oder auch eine Behandlung mimischer Falten mit Botulinumtoxin verändern ja nicht maßgeblich die Hauttextur und die Hautoberfläche. Alterung ist ein mehrdimensionaler Prozess, mit Veränderungen am Knochen, den Haltebändern, dem subkutanen Fettgewebe und auch der Epidermis und Dermis. Und diese beiden Schichten, die das Aussehen der Haut unmittelbar beeinflussen, erreichen wir hervorragend mit Topika. Im übrigen haben zahlreiche Studien gezeigt, dass die Hautoberfläche, die Pigmentierung aber auch eine mögliche Rötung der Haut, die wahrgenommene Attraktivität signifikant beeinflussen.

Ästhetische Dermatologie:

Was kann man Ihrer Meinung nach mit einer perfekt auf die jeweiligen Hautbedürfnisse abgestimmten Pflege erreichen und worauf ist dabei zu achten?

Prof. Kerscher:

Erreichen können Sie in jedem Fall eine gesunde Haut, mit einer stabilen epidermalen Barriere, die weniger anfällig für bakterielle Erreger, für Schadstoffe und für Austrocknungsekzeme ist. In der Folge haben Sie dann natürlich auch eine schönere Haut, denn nur eine ausreichend hydrierte Haut vermittelt die so gewünschte Strahlkraft. Durch geeignete Wirkstoffe, etwa Vitamin C, Retinol und Abkömmlinge, aber auch durch geeignete Peptide erreichen wir, dass zudem die Syntheseleistung dermaler Fibroblasten stimuliert wird, was zu einem erhöhten Kollagengehalt in der Dermis führt.

Wichtig ist immer, dass die Wirkstoffe auch auf den Hautzustand abgestimmt sind, etwa dass bei sehr empfindlicher Haut auf Retinol verzichtet wird – hier sind die sehr gut verträglichen Peptide geeigneter –, oder auch dass die Grundlage zum Hautzustand passt und nicht zu reichhaltig ist.

Ästhetische Dermatologie:

Kollagenverlust ist ein großes Thema, ab welchem Alter beginnt dieser und kann man ihm mit entsprechenden Produkten entgegenwirken?

Prof. Kerscher:

Leider beginnt der Kollagenverlust bereits ab dem 25. Lebensjahr – das bedeutet, dass wir bereits ab diesem Alter Antioxidantien wie etwa Vitamin C einsetzen sollten. Für Frauen nach dem 40. bis 45. Lebensjahr bedeutet zudem die Menopause und die ersten 4-5 Jahre danach einen erheblichen Kollagenverlust, pro Jahr werden etwa 2-3% Kollagen abgebaut, in den ersten 4-5 Jahren der Postmenopause sogar noch deutlich mehr – in dieser Zeit ist es dann umso wichtiger, ganz gezielt den Kollagenstoffwechsel stimulierende Wirkstoffe einzusetzen, wie etwa Retinol oder eben auch die Peptide, die eine signifikante Kollagenstimulation hervorrufen können.

Ästhetische Dermatologie:

Kommen wir zum Thema Hyaluronsäure. Für wen und ab wann sind aus Ihrer Sicht Hyaluronsäure-Injektionen geeignet und empfehlenswert?

Prof. Kerscher:

Hyaluronsäurefiller zählen mit zu den am häufigsten eingesetzten minimal-invasiven Verfahren weltweit und werden gerne eingesetzt, um z.B. altersbedingte Volumendefizite auszugleichen, also dann, wenn altersbedingt z.B. das Volumen im Wangenbereich abnimmt oder wenn sich ein Konturverlust zeigt, aber auch um Volumen zu geben, z.B. im Bereich der Lippen – und hier werden auch jüngere Patientinnen mit dem Wunsch nach einer “Beautification“ vorstellig. Zudem setzen wir Hyaluronsäure in Form von Mikroinjektionen ein, um die Haut zu revitalisieren und ihre Elastizität zu verbessern, und das ist auch eine Behandlung, die bereits ab der 3.-4. Lebensdekade von Interesse sein kann, da sie sehr natürliche Ergebnisse bringt und als Präventivbehandlung zur Vorbeugung von Elastizitätsverlust eingesetzt wird.

Ästhetische Dermatologie:

Gibt es Produkte, die Sie unterstützend vor und nach diesen Eingriffen oder auch nach anderen minimal-invasiven Behandlungen empfehlen?

Prof. Kerscher:

In jedem Fall! Dies sollten sehr verträgliche Produkte sein, die möglichst wenig Inhaltsstoffe haben, optimalerweise weniger als 15, und die z.B. auch Hyaluronsäure zur intensiven Hauthydratation, aber auch hautberuhigende Substanzen beinhalten, um die alterierte Barriere zu kalmieren.

Ästhetische Dermatologie:

Werfen wir zum Schluss noch einen Blick in die “Glaskugel“ – was können wir Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren erwarten, wie sehen Sie die Zukunft im Bereich topisches Anti-Aging?
Wo geht der Weg hin mit den Pflegekonzepten?

Prof. Kerscher:

Ich gehe davon aus, dass die Hautpflege in den nächsten Jahren vor allem immer mehr individualisiert werden wird, d.h. ganz spezifisch abgestimmt auf den Hautzustand, auf die jeweilige Anwendungssituation und den Lebensabschnitt. Seitens der Wirkstoffe stellen die Peptide nach wie vor eine sehr interessante Substanzgruppe dar, von der wir auch in der Zukunft noch viel erwarten dürfen.

Ästhetische Dermatologie:

Sehr geehrte Frau Prof. Kerscher, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte S. Steffens.