Blasenbildende Hauterkrankungen erfordern komplexe immungerichtete Therapie
Dr. A. Häckel
Bullöse Erkrankungen haben den gemeinsamen Mechanismus, dass Autoantikörper gegen Adhäsionsmoleküle der Haut diese zerstören. Diagnostik und Therapie müssen daher komplexe immunologische Fehlregulationen adressieren.
Der Pemphigus sollte aufgrund der schlechten Prognose früh erkannt werden. Pathogenetisch sind heute 90% der Zielstrukturen der Autoantikörper bekannt, was diagnostisch genutzt werden kann. Essenziell sind Biopsie, direkte und indirekte Immunfluoreszenz sowie ELISA-Tests für die Spezifität der Autoantigene, erklärte Prof. Michael Hertl (Marburg) bei einer Plenarsitzung im Rahmen der diesjährigen FOBI.
An der Entstehung sind Antikörper, B-Zellen und T-Zellen beteiligt. Nach der aktuellen Leitlinie sind systemische Steroide und Rituximab die bislang einzige morbostatische Firstline-Therapie, second line werden
sie durch steroidsparende Immunsuppressiva wie Azathioprin, MTX, Mycophenolat oder Dapson ergänzt. In schweren Fällen können auch intravenöse Immunglobuline (IVIG) oder Cyclophosphamid hinzukommen. Rituximab depletiert die B-Zellen, die den krankmachenden Antikörper produzieren, reduziert rasch die klinische Aktivität der Erkrankung sowie die Antikörperspiegel und hat ebenfalls zugleich einen steroidsparenden Effekt. Je früher mit der Therapie begonnen wird, desto besser ist die Chance auf langfristige klinische Remissionen. Potenzial als künftige Strategie hat die immunmodulierende Substanz Efgartigimod, welche IgG- Moleküle abbaut bzw. deren Recycling verhindert und sie damit depletiert. Efgartigimod wirkt nach Studiendaten [1] umso besser hinsichtlich der Remission, je länger es gegeben wird. Ein weiterer neuer Ansatz besteht darin, direkt mit Autoantigen-beschichteten Nanopartikeln über deren Transport in die Leber eine Toleranz der initial pathogenetisch wirksamen T-Zellen gegen diese Autoantigene zu erzeu- gen. Dies könnte nebenwirkungsärmer sein als bisherige Therapien.
Das bullöse Pemphigoid ist ein heterogenes Krankheitsbild und deutlich häufiger als der Pemphigus, es tritt vor allem bei älteren Patienten der Altersgruppe 60-80 Jahre auf und ist von ausgeprägtem Juckreiz begleitet. Der Diagnosealgorithmus ist identisch zum Pemphigus, entscheidend ist eine direkte und indirekte Immunfluoreszenz sowie ein ELISA zum Nachweis der BP-180/BP-230 Antikörper, wobei die BP-180-Antikörper allerdings auch bei Lichen planus und ggf. bei M. Behcet sowie weiteren entzündlichen Erkrankungen auftreten können. Medikamentöse Triggerfaktoren des bullösen Pemphigoids können Gliptine, Checkpointinhibitoren und ggf. auch Antihypertensiva sein. Die zielgerichtete Therapie ist komplexer als beim Pemphigus, da hier über die Basalmembran-bindenden Antikörper hinaus noch das Komplementsystem aktiviert wird, was nachfolgend einen Influx von Granulozyten und Makrophagen induziert. Erst diese sezernieren proteolytische Enzyme, welche die Adhäsionsmoleküle zerlegen.
Der Juckreiz basiert wohl auf der zusätzlichen Bildung von IgE- Antikörpern. Diese binden an spezifische Rezeptoren von Mastzellen, welche daraufhin proinflammatorische Substanzen freisetzen, die Juckreiz induzieren. Daher findet sich in der aktualisierten Pemphigoid-Leitlinie das topische Steroid Clobetasol als Therapie der ersten Wahl gleichsam mit oralen Glukokortikoiden. Problematisch können hierbei jedoch die höheren Kosten und das bei Älteren oft bestehende Problem der selbständigen topischen Applikation sein. Als Adjuvanz eignet sich Dapson, welches jedoch Anämien induzieren kann und gut kontrolliert werden sollte. Adjuvante Immunsuppressiva (MTX, AZA, MMF) in der Zweitlinie können Glukokortikoide ersetzen, haben aber ebenfalls relevante Nebenwirkungen. Rituximab wirkt hier weniger gut als beim Pemphigus. Die Rezidivrate der Pemphigoide nach Absetzen der immunsuppressiven Therapie ist mit 40-50% relativ hoch. Künftige Strategien könnten in der Blockade der über T-Zellen vermittelten Typ-2-Entzündung durch Dupilumab oder in der Hemmung der Mastzell-vermittelten IgE-Ausschüttung durch Omalizumab bestehen, so Hertl abschließend.
Quelle: Plenarsitzung „Entzündliche Hauterkrankungen“ im Rahmen der 28. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie (FOBI), 15. Juli 2022, München
Literatur
1. Goebeler et al., Br J Dermatol 2022