FOBI-News aus der Dermatologie
Dr. A. Häckel
Bei einer Plenarsitzung im Rahmen der 28. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie & Venerologie (FOBI 2022) gaben diverse Expert*innen Updates zu einer ganzen Reihe dermatologischer Indikationen.
Neue Strategien bei Pruritus und Prurigo
Nach deutschen Prävalenzdaten geben bis zu 17% der Erwachsenen an, bereits an Pruritus gelitten zu haben, berichtete Prof. Sonja Ständer (Münster).
Bei der Notalgia paraesthetica, einem neuropathischen Pruritus am Rücken, scheint der periphere Nerv in Mitleidenschaft gezogen zu sein und die Nervenfaserdichte der Läsionen ist reduziert, es findet sich jedoch nur wenig entzündliches Infiltrat. Mit Difelikefalin (DFK), einem oralen selektiven Kappa-Opioidrezeptor gibt es jetzt ein erstes Medikament. Sowohl in der kontrollierten Phase- 2-Studie KOMFORT bei Patienten mit Neuropathien als auch in der Phase-2-Studie KARE [1] bei moderater atopischer Dermatitis sprachen lediglich Patienten mit milder AD und extremem Pruritus hierauf gut an. Bereits zugelassen ist DFK i.v. (Kapruvia®), jedoch nur bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung und assoziiertem Pruritus [2] (CKD-aP), wo die Substanz schweren Juckreiz deutlich reduzierte, ohne Nierenfunktion oder den Metabolismus anderer Medikamente zu beeinträchtigen.
Die chronische Prurigo, davon zu 70% nodulär, beruht auf verschiedenen neuroimmunologischen Mechanismen, unterscheidet sich hinsichtlich der Genexpression jedoch sowohl von der Neurodermitis als auch von der Psoriasis. Eine Reihe von Substanzen, darunter JAK-Inhibitoren, und mehrere Antikörper werden seit 2013 in klinischen Phase-II- oder -III-Studien geprüft; für Dupilumab, Nemolizumab und den Opioidrezeptormodulator Nalbuphin liegen bereits positive Daten hinsichtlich der Prurituskontrolle aus Phase-III- Studien vor.
Abschließend verwies Ständer auf die aktualisierte S2k-Pruritus-Leitlinie, die seit Juli 2022 auf der AWMF-Seite zu finden ist. [3] Die Entdeckung des Piezo-1-Rezeptors als Auslöser des mechanischen Pruritus durch Ardem Patapoulian wurde zudem im vergangenen Jahr mit dem Nobelpreis gewürdigt.
Hautmanifestationen und Impfreaktion im Zusammenhang mit COVID-19
Etwa 20% der Patienten mit COVID-19 und 3,8% der Geimpften entwickeln in der Folge kutane Manifestationen. Einen Überblick über aktuelle Daten hierzu gab Professor Lars French (München).
Bereits im März 2020 gab es erste Publikationen, nach denen es bei COVID-19-Patienten häufig zu Hautmanifestationen kommt. In der Mehrzahl der Fälle einer spanischen Untersuchung bei 375 Patienten handelte es sich dabei um morbilliforme makulopapulöse Exantheme (47%), aber auch urtikarielle (19%) und Pernio-artige (19%) Läsionen waren demnach häufig. Daten eines bereits im April 2020 angelegten internatio- nalen Registers von 716 Patienten zeigten ebenfalls diese drei Manifestationen als häufigste Formen. Während Pernio-artige Läsionen meist – mit rascher Abnahme der Virusnachweisbarkeit als Zeichen einer guten Immunantwort – mit einem gutartigen COVID-Verlauf assoziiert sind, fand sich eine reti- forme Purpura bei schweren Verlaufsformen.
Selten kommt es bei Kindern zu einem gravierenden multisystemischen entzündlichen Syndrom mit diffuser Vaskulitis, hohem Fieber, Haut- und Schleimhautbefall sowie zu 15-25% auch Myokarditis und Koronaritis, das dem Kawasaki-Syndrom ähnelt. Dermatologisch dominieren hierbei Konjunktivitis und makulopapulöse oder multiforme Hautausschläge. Auch Long COVID spiegelt sich in der Haut wider: Im Median persistieren Hautsymptome 12 bzw. 7 Tage (bei PCR-bestätigten Fällen), speziell Pernio-artige Verläufe können allerdings auch länger als 60 Tage anhalten.
Auch im Rahmen von COVID- Impfungen kommt es bei insgesamt ca. 3,8% zu kutanen Reaktionen
wie Urtikaria oder morbilliformen Exanthemen. Meist sind Patienten mit RNA-Impfstoffen betroffen, wobei solche Reaktionen nach der zweiten Impfung (binnen 1-2 Tagen) rascher auftreten als nach der ersten. Insgesamt kommen kutane Impfreaktionen bei Frauen viel häufiger als bei Männern vor, am häufigsten finden sich als „vaccin-related eruption of papules and plaques“ (VREPP) bezeichnete Manifestationen. Auch Pernio-artige Läsionen können auftreten. Eine COVID-19-Impfung kann über die applizierte freie RNA zudem entzündliche Hauterkrankungen verschlimmern oder neu induzieren. Besonders gilt dies für psoriatische Erkrankungen.
Neue Strategien bei Keloiden
Bekannte Risikofaktoren für Keloide nach Operationen – vor allem an bestimmten Lokalisationen wie Ohren, Schultern, Sternum oder Mons pubis – sind Zugkräfte auf den Wundrändern, Entzündungen, eine familiäre Häufung sowie ein Hauttyp V-VI nach Fitzpatrick. Bis etwa 1990 war die Standardbehandlung von Keloiden eine Kombination aus Triamcinolon (unverdünnt) und Kryotherapie mit flüssigem Stickstoff, Druckbehandlung sowie ggf. Exzision und Nachbestrahlung. Der Erfolg war meist nur temporär und führte ohne Bestrahlung zu 80-90% und mit Bestrahlung zu 30% zu Rezidiven, so Professor Jürg Hafner (Zürich).
Speziell Reoperationen bergen häufig das Risiko fataler Verläufe und sollten unbedingt vermieden werden. Die Umstellung auf die Kombi aus Triamcinolon (verdünnt!) und 5-Fluorouracil (5-FU) sowie intraläsionale Kryotherapie verbesserte die Resultate. Neue Therapieleitlinien (v.a. JDDV 2021, Nast et al.) unterscheiden in kleine und große Keloide, wobei die Kombi aus Triamcinolon + 5-FU zunehmend eine Rolle spielt und das langfristige Ergebnis verbessert. Besonders die (wiederholte) intraläsionale Kryotherapie (mit Injektion von Tri 40 mg + 5-FU 100 mg) in Lokalanästhesie reduziert die Rezidivrate drastisch. Silikonsheets oder -gel scheinen nach Hafners Erfahrung dagegen bei Keloiden eher geringe Verbesserung zu bewirken.
Vor allem knotige Keloide und Ohrläppchenkeloide sprechen gut auf intraläsionale Kryotherapie an. Exzisionen und Nachbestrahlungen haben dadurch stark an Häufigkeit abgenommen. Die Zukunft der Keloidtherapie dürfte, so Hafner, in der Infiltration von „small molecules“ bestehen, die TGF-b-1 und -2 oder keloidogene SMAD-Proteine, welche die EZM-Biosynthese ankurbeln, blockieren.
Therapieresistenz bei Skabies trotz leitliniengerechter Therapie
Die Zahl der Patienten mit Krätze hat in jüngster Zeit zugenommen. Zudem ist deren Diagnose schwieriger geworden, da sich das Erscheinungsbild offenbar gewandelt hat. Hierauf deuten Meldungen von Dermatologen sowie zunehmende Suchanfragen im Internet hin. Zunehmend gibt es aber auch Hinweise auf Behandlungsresistenzen gegenüber den Standardtherapeutika Ivermectin, Permethrin und Benzylbenzoat.
Professor Percy Lehmann (Wuppertal) berichtete über einen 55jährigen Patienten mit juckenden Papeln und Knötchen, der trotz viermaliger leitliniengerechter Behandlung einen fortwährenden Skabiesbefall mitlebenden Milben aufwies. Mittels sequenzieller Dermoskopie konnten dabei Bewegungen der Milben und Verdauungsvorgänge als Vitalitätszeichen nachgewiesen werden, womit die Therapieresistenz bewiesen war. Eine wiederholte Eskalationstherapie mit zweimaliger Ivermectinapplikation (Tag 0 + Tag 10), sowie Crotamitex (Tag 2 und Tag 4) führte zur sukzessiven Abnahme der Hautläsionen und dem dermoskopisch nachgewiesenen Fehlen von Bewegungen der Milben.
Nach Einschätzung Lehmanns stellen Skabies-Infestationen ein zunehmendes Problem für die Volksgesundheit mit zunehmender Inzidenz in vielen Ländern dar. Bei der Behandlung einer Skabies-Infektion sollte daher künftig auch ein erweitertes Therapiespektrum in Betracht gezogen werden.
Quelle: Plenarsitzung „Neuigkeiten! Schon gehört?“ im Rahmen der 28. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie (FOBI), 13. Juli 2022, München
Literatur
1. Kim, EADV-Congress 2021
2. Fishbane et al., N Engl J Med 2020
3. Https://www.awmf.org/leitlinien/detail/II/013-048.html