Aktinische Keratose

Neue Behandlungsstrategien bei aktinischen Keratosen

In der Behandlung von aktinischen Keratosen (AK) steht ein Paradigmenwechsel bevor, so Prof. Dr. Rolf-Markus Szeimies, Hautarzt in Recklinghausen, bei einem Symposium im Rahmen der DWFA-Tagung 2021 in Köln. Der Wechsel von einer zwei- gleisigen Betrachtung (Läsion versus Feld) hin zu sequenziellen Behandlungsstrategien unter gleichzeitiger Berücksichtigung von Fläche und Feldkanzerisierung werde zunehmend in den Vordergrund rücken. Hierzu können verschiedene Präparate patientenindividuell herangezogen werden, empfahl der Experte.

Die aktinische Keratose (AK) ist eine chronische Erkrankung, die sich hauptsächlich über Bereiche der sonnenexponierten Haut erstreckt. Klinische und subklinische Läsionen koexistieren mitunter auf einer relativ großen Fläche, was als Feldkanzerisierung bezeichnet wird. Faktoren, die den Übergang von einer AK zu invasiven Plattenepithelkarzinomen (iSCC) definieren, sind nach wie vor unklar. Daher ist die Behandlung von AK bedeutsam und stets angezeigt, so die Empfehlung von Szeimies. [1]

Aktuelle Forschungspipeline zur Therapie von AK

Derzeit befinden sich sechs neue Substanzen in der Forschungspipeline zur Therapie von AK. Hierzu zählen NFX-179 (RAS-Signalwegblocker durch MEK-Inhibition, präklinisch), Tuvatexib (VDA-1102, niedermolekularer dualer VDAC-/HK2-Modulator, Phase-I/-II), Furosemid & Digoxin Gel (Na+/K+/Cl– Symporter Inhibitor, Phase-II), K-Dobesilat Creme (AM- 001, Blockade von Fibroblasten-GF, Phase-II), Paclitaxel Nanoformulation (Betutubulin Antagonist, Mikrotubuli-Stimulans, Phase-II) und Tirbanibulin (Salbe 1%, Klisyri®, Inhibitor der Tubulinpolymerisation, EU-Zulassung seit 07/2021). [1]

Tirbanibulin ist für die Feldbehandlung von nicht-hyperkeratotischen, nicht-hypertrophen AK (Olsen Grad I) im Gesicht und auf der Kopfhaut bei Erwachsenen indiziert. Tirbanibulin fördert die Apoptose durch Hemmung der Tubulinpolymerisation des Spindelapparates von schnell wachsenden (proliferierenden) Zellen, bei der keine Gewebsnekrosen oder anhaltende Entzündungen begünstigt werden. Dies ist hauptsächlich auf eine verhältnismäßig geringe Freisetzung von Zytokinen zurückzuführen, erläuterte der Experte.

Studienergebnisse zu Tirbanibulin

In zwei identisch konzipierten Doppelblindstudien wurden insge- samt 702 erwachsene Patienten mit AK im Gesicht oder auf der Kopfhaut im Verhältnis 1:1 entweder auf topisches Tirbanibulin oder eine Vehikel- salbe (Vehikel) randomisiert. Die Salbe wurde auf 25 cm2 große Hautareale mit vier bis acht AK-Läsionen einmal täglich an fünf aufeinanderfolgenden Tagen aufgetragen.

Eine vollständige Clearance (100% Abheilung) wurde bei 44% der Patienten in der Tirbanibulin-Gruppe und bei 5% der Patienten in der Vehikelgruppe an Tag 57 beobachtet (AK-003-Studie, p<0,001). In der zweiten Studie (AK-004-Studie) lag dieser Anteil bei 54% bzw. 13% (p<0,001) (vgl. Abb. 1). Darüber hinaus waren die Anteile der Pa- tienten mit partieller Clearance (≥75%) im Tirbanibulin-Arm stets signifikant höher als in der Vehikel- Gruppe. Nach einem Jahr betrug der geschätzte Prozentsatz (Kaplan-Meier-Schätzung) der Patienten mit rezidivierenden Läsionen 47% unter den Patienten, die ein vollständiges Ansprechen auf Tirbanibulin an Tag 57 aufwiesen. Die Schätzung des Anteils mit rezidivierenden oder neuen Läsionen im Anwendungsbereich lag bei 73%.

Abb. 1: Hohe Effektivität von Tirbanibulin-Salbe: Zeitabhängige Reduktion der Läsionenzahl bis Tag 57 (ITT-Population).

Die häufigsten lokalen Reaktionen unter Tirbanibulin waren Erytheme (91%) und Schuppung (82%). Weitere unerwünschte Ereignisse unter Tirbanibulin waren Schmerzen an der Applikationsstelle (10%) und Juckreiz (9%), die wieder abklangen.

In Anbetracht der topischen Applikation und kurzen Anwendungs- dauer mit geringer systemischer Exposition (Plasmakonzentrationen im subnanomolaren Bereich) besteht nur ein geringes Potenzial für Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln, so die Einschätzung von Szeimies. Darüber hinaus ergaben Studien zur Phototoxizität (AK-008) und Photoallergie (AK-009) keine Hinweise auf phototoxische Reaktionen oder Photosensibilisierung. Somit gibt es bisher keine Anzeichen dafür, dass Tirbanibulin phototoxische Reaktionen hervorruft.

Fazit

Tirbanibulin 1% Salbe war dem Vehikel zur Behandlung der AK nach zwei Monaten überlegen, kann jedoch mit lokalen Reaktionen einhergehen, so das Fazit der Studienautoren.

Für Szeimies steht mit Tirbanibulin ein neues Behandlungskonzept zur Verfügung, das durch eine topische feldgerichtete Kurzzeitanwendung zur Selbstapplikation charakterisiert ist. Der Experte schätzt Tirbanibulin als ein modernes Therapiekonzept, das den Maßstäben einer individuell durchführbaren, die Patientenadhärenz berücksichtigenden Behandlung von AK gerecht wird. [2]

Quelle: Symposium „Falldiskussion aktueller dermato- onkologischer Fälle“ im Rahmen der DWFA-Tagung, 27. November 2021, Köln; Veranstalter: Almirall Hermal

Mit freundlicher Unterstützung der Almirall Hermal GmbH

Literatur

1. Cramer P, Stockfleth E. Expert Opin Emerg Drugs. 2020;25(1):49-58.

2. Blauvelt A, Kempers S, Lain E, et al. N Engl J Med. 2021;384(6):512-520.