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„Empathie hat in meinem Leben eine grundsätzlich wichtige Bedeutung“

Interview mit Mark Posselt, München

Mark Posselt studierte Medizin an der Ludwig Maximilians Universität München und der Technischen Universität in München. Im Rahmen seiner medizinischen Laufbahn war er als Assistenzarzt in der Schweiz in den Bereichen interdisziplinäre Notfallmedizin, Orthopädie und plastische Chirurgie tätig. Neben späteren Praxistätigkeiten in Liechtenstein und in der Schweiz in den Bereichen Sportmedizin und Orthopädie absolvierte Mark Posselt parallel ab 2005 Fortbildungen für Hyaluronfiller und Botulinumtoxin an der Universitätsklinik Charité in Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. B. Rzany. Inzwischen leitet er die eigene Praxis für ästhetische Medizin “aesthetic partner” in München und hat im Rahmen seiner nationalen und internationalen Vorträge und Workshops in den letzten Jahren den Begriff des “Natural Look” detailliert beschrieben und in der technischen Umsetzung geprägt. Im Rahmen des Münchner Beauty Circle am 25. Mai 2019 entstand die Bemerkung, er sei “mittlerweile einer der Dinosaurier in der non-surgical aesthetic medicine”.

Ästhetische Dermatologie:

Herr Posselt, bitte erklären Sie unseren Lesern doch zum Einstieg kurz, warum Sie sich selbst als “Dinosaurier” bezeichnen?

M. Posselt:

Der Witz mit dem Dinosaurier entstand in der Vorbereitung zum diesjährigen Teoxane Beauty Circle in München. Es gibt ja nicht viele Mediziner in Deutschland, die sich seit langen Jahren ausschließlich der nicht-operativen ästhetischen Medizin widmen. Rückblickend auf all die Jahre haben wir im kleinen Kollegenkreis gelacht und da fiel dann der Begriff vom “Dinosaurier”.

Ästhetische Dermatologie:

Auf den verschieden Kongressen fällt immer wieder auf, dass Sie als Arzt sehr sanft mit Ihren Patienten umgehen und den Begriff der Empathie besonders betonen. Warum ist Ihnen dies so wichtig?

M. Posselt:

Empathie hat in meinem Leben eine grundsätzlich wichtige Bedeutung, weil sie auf Wertschätzung basiert. Viele Kunden in der ästhetischen Medizin haben Sorgen, Bedenken und Ängste, zum Beispiel vor möglichen Schmerzen, Nebenwirkungen oder unerwünschten Veränderungen ihres Typs. Diesen Emotionen einen Platz zu geben, heißt: Kommunikation spielt hier eine erste wichtige Rolle. Die zweite wichtige Rolle spielt das Handwerk: Die softe und sanfte Umsetzung des ästhetischen Konzepts ist ebenfalls essentiell und könnte man als eine Art “technische Empathie” bezeichnen. Hier spielt vor allem das Arbeiten mit blunt tip Kanülen eine wesentliche Rolle.

Ästhetische Dermatologie:

Hat die von Ihnen propagierte sehr sanfte, fast schmerzfreie und langsame Vorgehensweise bei minimalinvasiven Behandlungen auch Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient?

M. Posselt:

Auf jeden Fall! Erstmal wieder ganz einfach gedacht: Wenn ich selbst eine ästhetische Behandlung bekommen würde – was genau wäre das, was ich mir wünsche? Ein ausführliches Aufklärungsgespräch mit klinischer Untersuchung und individueller Analyse der ästhetischen Situation? Die technische Umsetzung in sicherer und softer Technik mit hochwertigen Produkten, möglichst nebenwirkungsfrei und ohne Ausfallzeiten? Das ist, was der Kunde möchte und die qualifizierte nichtoperative ästhetische Medizin bieten kann. So entsteht Vertrauen.

Ästhetische Dermatologie:

Was sind Ihre Spezialgebiete in der Ästhetik und darüber hinaus?

M. Posselt:

Ich komme selber aus dem Leistungssport und daher liegt mir die Sport- und Ernährungsmedizin sehr am Herzen. Über die letzten Jahre haben sich die “Non-surgical Aesthetics” enorm entwickelt. Mich fasziniert in beiden Feldern der Anspruch, eine intelligente Planung auch technisch so umzusetzen, dass nachhaltiger Erfolg entsteht.

Ästhetische Dermatologie:

Was fassen Sie alles unter den Begriff Non-Surgical Aesthetics und in welchem Umfang wird hier behandelt?

M. Posselt:

Nun, wie der Begriff schon sagt: es geht um ästhetische Medizin ohne Skalpell und Operationssaal. In diesem Feld geht es darum, für Gesicht, Körper und Stoffwechsel individuelle Lösungen zu finden, um ein oder mehrere definierte Ziele zu erreichen. Dafür gibt es mittlerweile ja eine ganze Reihe von Therapien, Medizinprodukten, Medikamenten und Geräten. Der Umfang der Behandlung richtet sich immer nach der individuellen Zielstellung. Es wird ein individueller Behandlungsplan erstellt, der dann gezielt und schrittweise realisiert wird.

Ästhetische Dermatologie:

Sie behandeln ja gewiss überwiegend weibliche Patienten – nimmt der Anteil der Herren denn allmählich zu? Und welche sind bei beiden Geschlechtern die am häufigsten nachgefragten Behandlungen?

M. Posselt:

Die Damen sind eindeutig in der Mehrheit, wobei der Anteil der Herren schon langsam, aber stetig zunimmt. Das große Thema bei den Damen sind nach wie vor Facial Treatments mit Hyaluron und Botox. Das, so denke ich, wird in absehbarer Zeit auch so bleiben. Die in den letzten Jahren stetig verbesserten Therapien und Verfahren wie Fadenlift, PRP, Nano Fat oder Medical Peels & Cosmetics können dabei eine individuelle medizinische Konzeption ideal ergänzen. Die Herren sind wie gesagt noch eindeutig in der Minderheit, interessanterweise ist bei ihnen neben dem Thema “Gesicht” auch das Thema “Körper & Leistung” deutlich präsenter.

Ästhetische Dermatologie:

Was kann man Ihrer Meinung nach mit Hyaluronfiller-Injektionen erreichen und wo stößt man an seine Grenzen? Wann sollte man beginnen und wie wichtig ist die Regelmäßigkeit?

M. Posselt:

Mit Hyaluron kann man grundsätzlich argmentieren im physikalischen Sinne. Somit kann der Verlust von altersbedingtem Volumen in verschiedenen Schichten wieder ersetzt oder leichte Lifting-Effekte erzielt werden. Das ist grundsätzlich eine tolle Sache, weil das Hyaluron in CE- zugelassenen Produkten analog dem menschlichen ist.

Die erste Grenze setzen die medizinische Sicherheit und die Anatomie. Hyalurone sind viskoelastische Gele. Falls ein Hyaluron-Gel versehentlich in ein Gefäß injiziert wird, kann dies direkt verschlossen werden oder eine Embolisation verursachen. Ergo sollte der Behandler, der profunde anatomische Kenntnisse besitzt, “Risikozonen” erkennen und Hyaluron dort meiden. Die zweite Grenze setzen die Proportion und die Anatomie. Die individuelle Anatomie gibt aus meiner Sicht einen “Proportions- Korridor” vor, den man als Behandler erkennen sollte. Mit Hyaluron kann man toll “fillern”, das heißt aber auch: ein Zuviel an Filler kann die natürliche Proportion ändern und ich verlasse dann den Korridor des natürlichen in Richtung einer neuen Proportion.

Meine persönliche Empfehlung beim Hyaluron ist also: delikate anatomische Zonen wie die Zornesfalte meiden, die natürlich gegebenen Proportionen des Gesichts respektieren und nach dem Motto “less is more” behutsam argumentieren.

Ästhetische Dermatologie:

Es gibt ja den Begriff der Millennium-Generation – sehen auch Sie viele sehr junge Patientinnen, die mit teilweise überzogenen Forderungen bzw. Erwartungen in die Praxen kommen und den Look gewisser “Idole” imitieren möchten? Wenn ja, wie gehen Sie damit um?

M. Posselt:

Im Allgemeinen muss man sagen, dass die Offenheit für Ästhetik und Beauty in dieser angesprochenen Generation sehr groß ist. Warum? Logischerweise weil sie als Kids mit TV-Shows wie “Superstar” und “Supermodel” groß geworden sind. Über Social Media sind die Millennials tatsächlich eine “Digital Generation”, für die es selbstverständlich ist, sich selber darzustellen und sich dort mitzuteilen. Darüber kann ich als “analoger Dinosaurier” oft nur staunen.

Mein Weg ist: ich versuche, den Millennials zu erklären, wie ihre individuelle Anatomie beschaffen ist und wie Proportion wirkt. Ich versuche, ein ästhetisches Verständnis zu schaffen, warum es oft besser ist, nach dem “Less-is-more”-Prinzip zu verfahren oder im Sinne einer Prävention mit low dose zu starten. Das funktioniert meistens gut, aber natürlich nicht immer.

Ich denke, der aktuelle Trend zum “Overfill” ist ein Teil einer Jugendkultur, wie sie jede Generation hatte. Jede Jugendkultur war eine Art Reaktion auf die ältere Generation: In den 60ern gab es Flower Power, die zelebrierte die Freiheit. In den 70er Jahren war Punk, die 90er waren die Grunge-Generation und jetzt gibt’s halt die “Millennial Overfiller”, die ihre Selbstdarstellung zelebrieren. Was auch immer man persönlich davon halten mag, so sollte man auch hier, so denke ich, Toleranz walten lassen.

Ästhetische Dermatologie:

Wie wichtig sind aus Ihrer Sicht regelmäßige Fortbildungen im Bereich Unterspritzungen mit Hyaluron-Fillern?

M. Posselt:

Regelmäßige Fortbildungen in Theorie und Praxis und auch Hands-on-Trainings sind zentrale Säulen in der Verbesserung der fachlichen Kompetenz. Ich begreife Lernen und Lehren als aktiven Prozess, der mir große Freude macht. Das Lernen und Lehren bringt mich nicht nur fachlich vorwärts, sondern auch persönlich. Als internationaler KOL bin ich auf Kongressen und Veranstaltungen als Hörer und Speaker. Zuletzt war ich am 25. Mai in München beim Teoxane Beauty Circle für eine Lecture plus Live Demo zum neuen Teoxane 4D Approach. Im Herbst dieses Jahres habe ich die große Ehre, gemeinsam mit Patrick Trévidic die Teoxane Academy Deutschland durchzuführen.

Ästhetische Dermatologie:

Gibt es eigentlich Trends bei den Unterspritzungen? Wenn ja, wie sehen diese aktuell aus und was hat sich diesbezüglich in den letzten 10 Jahren verändert? Welche Trendrichtung würden Sie sich persönlich wünschen?

M. Posselt:

Klar gibt es von Zeit zu Zeit Trends. Vor einigen Jahren wurden die Wangenkompartimente und die Jochbeinlinie, sagen wir mal, “betont”. Momentan ist es auf Instagram bei den Millennials chic, Lippen-Overfills zu präsentieren. Aktuell kommt auch ein Trend zur Betonung der Kiefer-Kinn-Linie auf.

Bei all diesen “Trends” bin ich grundsätzlich kritisch, da es im Natural Look für mich um die Frage geht: Passt die Behandlung in den natürlichen Korridor oder verändere ich den Kunden dann? Also einfach gesagt: Alterungsprozesse wiederherstellen oder das Gesicht neu erfinden? Ich denke, es ist klar, was ich persönlich bevorzuge.

Ästhetische Dermatologie:

Wie gut aufgeklärt ist der Patient von heute eigentlich?

M. Posselt:

Das Aufklärungs-Niveau schwankt von Patient zu Patient stark von sehr gut informiert und aufgeklärt bis gar nichts wissend. Es ist davon unabhängig unsere Aufgabe als ästhetische Mediziner, die Patienten aufzuklären, eingehend zu beraten und ein dezidiertes Behandlungskonzept zu erstellen. Unsere Verantwortung und Verpflichtung als Mediziner ist es darüber hinaus auch, für die medizinische Sicherheit zu sorgen: Mit fachlicher Kompetenz und den technisch-handwerklichen Fertigkeiten.

Ästhetische Dermatologie:

Sehr geehrter Herr Posselt, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte S. Steffens.