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„Wie müssen die Verbraucher vor fragwürdigen oder sogar schädlichen Kosmetika schützen“

Interview mit Dr. Nicole Schöbel, Bochum

Es gibt im Umfeld von Ästhetik und Kosmetik Berufszweige, die der breiteren Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind, aber dennoch eine wichtige Funktion haben. Wir sprachen mit Dr. Nicole Schöbel, Gutachterin für kosmetische Mittel, über die Facetten ihrer interessanten Tätigkeit.

Ästhetische Dermatologie:

Frau Dr. Schöbel, vielleicht erzählen Sie uns zum Einstieg kurz, wie Sie zu der Tätigkeit als Kosmetikgutachterin gekommen sind und was Sie an diesem Bereich besonders interessiert?

Dr. Schöbel:

Kosmetika und deren Inhaltsstoffe faszinierten mich schon immer. Bereits als Kind habe ich mich oft über die unaussprechlichen Bezeichnungen auf Shampoo- und Duschgelflaschen gewundert, doch erst viele Jahre später, als Produktmanagerin für Kosmetik, sollte ich verstehen, was es mit diesen Bezeichnungen in den INCI-Listen auf sich hat. Darüber hinaus sind Verbraucherschutz und Produktsicherheit große Themen für mich, seit ich als Angestellte in einem Pharmaunternehmen im Bereich Arzneimittelsicherheit beschäftigt war. Ich empfand die Arbeit als Beraterin in der Arzneimittelsicherheit als bedeutsam und sie war äußerst prägend für mich. Mir gefiel es, in direktem Kontakt mit Patienten, Ärzten und Apothekern zu stehen und ihnen bei Schwierigkeiten zu helfen. Beratende und schulende Tätigkeiten liegen mir einfach. Außerdem schreibe ich gerne, auch in meiner Freizeit. Als Kosmetikgutachterin kann ich diese Leidenschaften und Talente miteinander verbinden.

Ästhetische Dermatologie:

Hatten Sie Vorkenntnisse, die Ihnen den Weg zur Kosmetikgutachterin erleichtert bzw. geebnet haben?

Dr. Schöbel:

Kosmetikgutachter müssen über eine akademische Ausbildung in einem qualifizierenden Fachbereich verfügen. Ich bin promovierte Biologin und erfülle damit diese Voraussetzung. Daneben verfüge ich aus meiner Zeit als Wissenschaftlerin über umfassende Erfahrungen in relevanten Themenfeldern wir Toxikologie, Dermatologie und Physiologie. Aus meiner Zeit in der Pharmabranche bringe ich neben Kenntnissen aus der Arzneimittelsicherheit auch einiges an Erfahrung mit kosmetischen Mitteln mit. Ich war als Produktmanagerin für medizinische Kosmetik verantwortlich für Marketing und Vertrieb, Kommunikation, Präsentation und wissenschaftliche Inhalte. Im Hitzesommer 2018 habe ich für die Prüfung zur TÜV-zertifizierten Qualitätsmanagerin gebüffelt, um zu verinnerlichen, wie ich Qualität und Kundenorientierung besser in meine tägliche Arbeit integrieren kann.

Ästhetische Dermatologie:

Wer sind Ihre Kunden?

Dr. Schöbel:

Meine Arbeit ist für alle interessant, die Kosmetika an den Markt bringen wollen. Das können bestehende Firmen sein, die ihr Portfolio durch neue Produkte erweitern oder verändern wollen, Start-Ups, die ihre ersten Produkte entwickeln, aber auch Naturkosmetikmanufakturen mit wenigen Mitarbeitern und kleiner Produktpalette. Die EU Kosmetikverordnung 1223/2009 schreibt vor, dass nur Kosmetika mit positiver Sicherheitsbewertung vertrieben werden dürfen. In die Pflicht genommen werden also die Hersteller, die Kosmetika vertreiben, aber auch Anbieter, die Lohnhersteller beauftragen, sowie Händler importierter Kosmetikartikel.

Ästhetische Dermatologie:

Welche Kosmetika benötigen überhaupt eine Sicherheitsbewertung?

Dr. Schöbel:

Ausnahmslos jedes Kosmetikum, das in der EU in Umlauf gebracht werden soll, muss vorher eine Sicherheitsbewertung durch eine kompetente Stelle durchlaufen. Ich finde diese Regelung sehr sinnvoll, denn wir müssen die Verbraucher vor fragwürdigen oder sogar schädlichen Kosmetika schützen. Früher wurden Kosmetika an Tieren getestet, um ihre Bedenkenlosigkeit zu prüfen. Dies ist seit dem Jahr 2013 in der EU grundsätzlich verboten. Selbstverständlich müssen Kosmetikartikel auch ohne Tierversuche sicher sein. Die Sicherheitsbewertung auf Papier ersetzt gewissermaßen Tierversuche. Damit ist dem Wohl des Verbrauchers wie auch dem der Tiere gedient. Als Sicherheitsbewerterin bin ich übrigens persönlich für die Richtigkeit der getroffenen Schlussfolgerungen verantwortlich.

Ästhetische Dermatologie:

Arbeiten Sie allein?

Dr. Schöbel:

Gemeinsam mit Dr. Schreiner, ebenfalls ein Biologe, arbeite ich im Team. Dr. Schreiner bringt einiges an Erfahrung in punkto Sicherheitsbewertung für Kosmetika mit und erwirbt aktuell Expertenkenntnisse in der Toxikologie. Dr. Schreiner und ich ergänzen unsere Expertisen vorzüglich und wenden bei kritischen Fragestellungen das Vier-Augen-Prinzip an. Selbstverständlich vertreten wir uns im Krankheitsfall oder im Urlaub. Wir gewährleisten so eine schnelle und zuverlässige Abwicklung der Aufträge.

Ästhetische Dermatologie:

Können Sie kurz beschreiben, wie Ihr täglicher Arbeitsalltag konkret aussieht?

Dr. Schöbel:

Ich arbeite viel am Computer und am Telefon. Ich recherchiere die Hintergründe zu Kosmetikinhaltsstoffen auf wissenschaftlichen Online-Plattformen. Die recherchierten Erkenntnisse zu Rezepturen oder die wissenschaftlichen Hintergründe zu Werbeaussagen verschriftliche ich in Form von Dossiers bzw. kleinen wissenschaftlichen Abhandlungen. Die Herausforderung besteht darin, aus der Fülle von Quellen die aussagekräftigsten herauszusuchen, alle relevanten Studien zu berücksichtigen und die Schlussfolgerungen für den Kunden nutzbringend aufzuarbeiten. Ein weiterer wichtiger Teil meiner Arbeit besteht in der Beratung von Kunden. Dr. Schreiner und ich empfehlen gerade unerfahrenen Kosmetikherstellern, die ihre ersten Produkte entwickeln, sich früh mit uns in Verbindung zu setzen. So können wir das Projekt durch planvolles Vorgehen gleich auf die richtigen Schienen setzen. Von der ersten Idee für ein neues Kosmetikum bis zum verkaufsfertigen Produkt vergeht schnell ein Jahr. An kritischen Stellen können Fehler den Entwickler um Monate zurückwerfen. Die Sicherheitsbewertung ist einer der letzten Schritte des Produktes auf dem Weg zur Marktreife.

Ästhetische Dermatologie:

Welche Arten von Kosmetika interessieren Sie persönlich besonders?

Dr. Schöbel:

Ich kann mich vor allem für Naturkosmetik, aber auch für medizinische Kosmetik begeistern. Ich schätze Naturkosmetik, die sich auf das Wesentliche beschränkt und Weisheit aus traditionellen Quellen schöpft. Ich denke, ein Kosmetikum sollte so viel wie nötig und so wenig wie möglich enthalten. Naturkosmetik ist übrigens nicht gleich Naturkosmetik. Der Anteil an Bio-Rohstoffen variiert von Produkt zu Produkt. Manche Hersteller wollen auch mehr als nur “Bio“ und setzen darüber hinaus auf fairen Handel, Nachhaltigkeit und Müllvermeidung. Beispielsweise gibt es ein junges Unternehmen, das wasserfreie Kosmetik anbietet. Dadurch verringert sich das Gewicht des Produkts erheblich, wodurch Transportkosten reduziert werden und die Umwelt geschont. Der Anwender gibt das Wasser zu den pulverförmigen Kosmetika hinzu und kann loslegen. Ich finde das eine spannende, innovative Idee. Hinter medizinischer Kosmetik steckt eine gänzlich andere Philosophie. Sie basiert auf den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung, was mir als Wissenschaftlerin naturgemäß sehr zusagt. In dieser Sparte finden sich Kosmetika, die darauf spezialisiert sind, bei erkrankter, sensibler, besonders pflegebedürftiger oder vorgeschädigter Haut Hilfe zu leisten. Viele Anwender können ihre erkrankte Haut mit medizinischer Kosmetik so gut pflegen, dass sie keine Arzneimittel benötigen. Darüber hinaus fasziniert mich probiotische Kosmetik, eine ganz neue Entwicklung. Auf unserer Haut leben Bakterien, die dort wichtige, noch nicht vollständig verstandene Aufgaben erfüllen. Die tägliche Körperpflege kann die Bakterienflora aus dem Gleichgewicht bringen. Probiotische Kosmetik fördert die nützlichen Bakterien der Haut, damit sie ihre wertvolle Arbeit leisten können.

Ästhetische Dermatologie:

Sind natürliche Inhaltsstoffe eigentlich grundsätzlich unbedenklich?

Dr. Schöbel:

Mitnichten! Es ist ein großer Irrtum anzunehmen, Naturstoffe seien grundsätzlich harmlos. Dies kann man zum Beispiel an ätherischen Ölen festmachen, die gerne in Naturkosmetika eingesetzt werden. Ätherische Öle bestehen aus vielen unterschiedlichen chemischen Verbindungen. Einige davon sind Duftstoffe, die auf Dauer allergieauslösend wirken können.

Ästhetische Dermatologie:

Sehr geehrte Frau Dr. Schöbel, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte S. Steffens.

Anfragen an Frau Dr. Schöbel zu Sicherheitsbewertungen, Recherchen und Beratung können über das Kontaktformular auf  www.diekosmetikgutachter.de oder via E-Mail direkt an n.schoebel@diekosmetikgutachter.de gerichtet werden.