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Abmahnungen – Fluch oder sinnvolles Korrektiv?

Interview mit Astrid Tomczak, München

Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen sind im heiß umkämpften Ästhetikmarkt keine Seltenheit. Ob Unternehmen andere Unternehmen abmahnen oder Ärzte ihre Kollegen angreifen – die Abmahnung ist ein scharfes Schwert im Kampf gegen über- mütige Wettbewerber. Sie kommt zudem meist unerwartet und bedeutet Stress und Kosten für den Angegriffenen. Im Markt wird sie häufig als modernes Raubrittertum wahrgenommen. Doch trifft diese Behauptung den Kern des Instruments? Im Interview mit Medizinconsultant Astrid Tomczak LL.M. (Pharmarecht) sehen wir uns die rechtlichen und tatsächlichen Hintergründe zu diesem Thema an.

DISKURS Dermatologie:

Frau Tomczak, was genau ist eigentlich eine Abmahnung?

Astrid Tomczak:

Ganz einfach formuliert handelt es sich um eine mündliche oder schriftliche Aufforderung, bestimmte Handlungen wie z.B. eine Werbemaßnahme zu unterlassen. Die Abmahnung wird dazu mit einer sogenannten strafbewehrten Unterlassungserklärung verbunden. Wird die Unterlassungserklärung vom Abgemahnten unterschrieben und er verstößt später gegen diese Vereinbarung, fällt automatisch die vereinbarte Vertragsstrafe an.

DISKURS Dermatologie:

Warum hat sich der Gesetzgeber für die Einführung dieses Instruments entschieden?

Astrid Tomczak:

Die Idee ist, dass der Markt sich hier ohne Eingriff einer Ordnungsbehörde selbst regulieren soll. Mitwerber und Dritte (z.B. Verbraucherschutz- und Wettbewerbsvereine) sollen den Markt beobachten und Wettbewerber, die sich unlauter verhalten, direkt zu einem regelkonformen Verhalten bewegen können. Im Prinzip handelt es sich um eine Maßnahme zur Selbstkontrolle innerhalb der Wirtschaft, die eine außergerichtliche Verfolgung von Wettbewerbsverstößen möglich macht. Dies bedeutet eine Entlastung für die Gerichte und hat sich als schnelle und effiziente Methode bewiesen.

DISKURS Dermatologie:

Und wer darf abmahnen?

Astrid Tomczak:

Abmahnberechtigt sind konkrete Wettbewerber des Abgemahnten (§ 8 Abs. 3 UWG). Konkreter Wettbewerber ist derjenige, der Waren gleicher Art vertreibt und tatsächlich in direkter Konkurrenz zu dem Abgemahnten steht. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis kann aber auch zwischen branchenverschiedenen Unternehmen bestehen. Dies hat der Bundesgerichtshof bejaht zwischen einem Kaffeeröster und einem Dachverband der Blumenhändler, als der Kaffeeröster für sein Produkt mit dem Slogan warb: „Schenkt Kaffee statt Blumen“.

Die Abmahnung kann direkt durch das abmahnende Unternehmen, durch einen Rechtsanwalt oder einen Verbraucherschutz- oder Wettbewerbsverein erfolgen. Im ersten Fall ist darauf zu achten, dass zusammen mit der Abmahnung auch die Bevollmächtigung des Rechtsanwalts mit vorgelegt werden muss. In der Regel werden in solchen Fällen die Rechtsanwaltskosten vom Angreifer gefordert. Hierzu gibt es allerdings auch zu beachten, dass aus dem Prinzip der Schadensminderung zu prüfen ist, ob die Einschaltung eines Rechtsanwalts überhaupt notwendig war. Handelt es sich nämlich um einfach zu erkennende Verstöße oder hat der Abmahnende ähnliche Sachverhalte schon mehrmals geltend gemacht, ist es zumutbar, die Abmahnung ohne einen Anwalt zu formulieren. Die Übernahme der Rechtsanwaltskosten kann in solchen Fällen vom Abgemahnten bestritten werden.

DISKURS Dermatologie:

Sie hatten auch die Wettbewerbs- und Verbraucherschutzverbände erwähnt?

Astrid Tomczak:

Ja, das ist richtig. Das Gesetz unterscheidet Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen (sog. Wettbewerbsvereine) nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und Verbände für Verbraucheraufklärung und -beratung (sog. Verbraucherschutzverbände) gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG. Diese Verbände sind bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen ebenfalls dazu berechtigt, Abmahnungen vorzunehmen. Gerade die sogenannten Wettbewerbsvereine sind in diesem Zusammenhang zu einiger Berühmtheit gekommen. Allerdings agieren diese nicht, wie oft behauptet, im rechtsfreien Raum. Der Bundesgerichtshof hat klare Kriterien definiert, die jeder Verein in diesem Bereich erfüllen muss, um tätig werden zu können.

So muss der Verein laut Satzungszweck die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder wahren, insbesondere also unlauteren Wettbewerb bekämpfen. Dafür ist es notwendig, dass ihm eine erhebliche Anzahl an Gewerbetreibenden angehört, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreibt. Wenn Abmahnungen ausgesprochen werden, müssen diese die gewerblichen Belange der ihm angeschlossenen Mitglieder sachlich und örtlich berühren. Das heißt, der Wettbewerbsverstoß ist in einer Branche aufgetreten, in der auch die Mitglieder des Vereins tätig sind. Alternativ ist eine glaubhafte Beeinträchtigung der geschäftlichen Aktivitäten der Vereinsmitglieder nachzuweisen. Außerdem muss der Verein sich neben den Abmahnungen auch durch andere Aktivitäten um einen lauteren Wettbewerb bemühen. Dazu kann zum Beispiel einschlägiges Informationsmaterial aufgelegt und herausgegeben werden. Die sachliche und personelle Ausstattung für die Verfolgung des Vereinszwecks ist nachzuweisen. Hier geht es vor allem darum, dass z.B. Volljuristen für den Verein tätig sind und so sichergestellt ist, dass die Interessen der Mitglieder auch in allen Belangen verfolgt werden können. Die Art der Einnahmen von Wettbewerbs- vereinen ist ein weiteres Kriterium. Dabei ist entscheidend, dass sich der Verein nicht überwiegend durch Abmahnungen finanziert, sondern andere Einnahmequellen nachweisen kann.

Um diese recht strengen Vorgaben zu umgehen, tauchen auf dem Markt in regelmäßigen Abständen sogenannte Verbraucherschutzverbände auf. Deren Aktivlegitimation, also das Recht, Abmahnungen auszusprechen, lässt sich recht einfach überprüfen. Zum einen muss der Verein mindestens seit einem Jahr bestehen, um in die Liste qualifizierter Einrichtungen des Bundesverwaltungsamtes oder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften aufgenommen zu werden. Zum anderen muss er aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit Gewähr für sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten. Außerdem darf der Verbraucherverband die Wahrnehmung der Verbraucherinteressen nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend anstreben. Durch diese Vorgaben soll sogenannten Abmahnvereinen die missbräuchliche Nutzung des Instruments verwehrt bleiben.

DISKURS Dermatologie:

Was sollte ich im Fall einer Abmahnung unternehmen?

Astrid Tomczak:

Wer eine Abmahnung erhält, sollte diese auf keinen Fall ignorieren, denn das kann richtig teuer werden und dem Angreifer die Möglichkeit eines gerichtlichen Verfahrens eröffnen. Wichtig ist zunächst die Beantwortung folgender Fragen:

• Ist der vom Abmahner dargestellte Sachverhalt tatsächlich korrekt?
• Liegt rechtlich ein Wettbewerbsverstoß vor?
• Ist die Unterlassungserklärung hinsichtlich des Unterlassungsversprechens und der Vertragsstrafe richtig formuliert?
• Ist der Absender berechtigt, abzumahnen?

Diese Fragen lassen sich verbindlich oft nur durch einen in diesem Metier erfahrenen Rechtsanwalt beantworten. Ist der Vorwurf korrekt und auch rechtlich validiert, sollte eine Unterlassungserklärung unterschrieben werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass zum einen die Höhe der Vertragsstrafe angemessen und zum anderen die inhaltliche Formulierung des zu unterlassenden Handelns nicht zu weit gefasst wird. Mit Abgabe der Unterlassungserklärung ist die Gefahr einer einstweiligen Verfügung oder einer Klage zunächst gebannt. Wichtig ist, dass alles Zumutbare unternommen wird, um ein wiederholtes wettbewerbswidriges Handeln zum gleichen Thema (z.B. erneute Schaltung der gleichen Anzeige) unterbleibt. Ist der Vorwurf nicht korrekt und liegt auch rechtlich kein Verstoß vor, muss auch keine Unterlassungserklärung unterschrieben werden. In jedem Fall sollte der Abmahnende dazu informiert werden. Gibt es inhaltliche Zweifel, sind diese dem Angreifer ebenfalls mitzuteilen. Andernfalls signalisiert man, dass eine außergerichtliche Einigung nicht angestrebt wird. Das kann zu einem teuren Gerichtsverfahren führen.

Falls die Höhe der Vertragsstrafe bezweifelt wird, kann die Unterlassung ohne Akzeptanz derselben unterzeichnet werden. Es bleibt dann zwar ein Restrisiko, auf Kostenerstattung verklagt zu werden aber der Streitwert beläuft sich dann nur auf die Kosten der Abmahnung und nicht auf die viel höheren Kosten des Wettbewerbsstreits. Hat man den Eindruck, Opfer einer Serienabmahnung zu sein, lohnt sich ein Anruf bei der zuständigen IHK (für Unternehmen), bei den Berufsverbänden oder der Ärztekammer. Evtl. sind dort schon früher ähnliche Fälle aufgetaucht und man erhält Unterstützung oder hilfreiche Tipps. In jedem Fall gilt: Schweigen und Nichtstun ist im Falle einer Abmahnung immer die schlechteste Entscheidung.

DISKURS Dermatologie:

Sehr geehrte Frau Tomczak, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte S. Höppner.