„Aufgrund der Vielzahl relevanter Parameter ist eine individuelle Befundung so wichtig“
Interview mit Prof. Dr. med. Ernst Magnus Noah (Kassel)
Prof. Dr. med. Ernst Magnus Noah war lange Jahre Chefarzt der Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie am Roten Kreuz Krankenhaus in Kassel. Aktuell leitet der Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie als Geschäftsführer die eigene Privatpraxis Noahklinik GmbH in Kassel, in der er bestrebt ist, seinen Patientinnen und Patienten das gesamte Spektrum ästhetischer Operationen und Verfahren auf höchstem Niveau anzubieten. Wir sprachen mit Prof. Noah über die Möglichkeiten ästhetischer Anpassungen in der Regio orbitalis.
Prof. Dr. med. Ernst Magnus Noah
DISKURS Dermatologie:
Herr Prof. Noah, bitte schildern Sie uns kurz, welche Möglichkeiten ästhetischer Behandlungen es im Bereich der Tränenrinne und rund um das Auge überhaupt gibt.
Prof. Noah:
Die Optionen reichen – wie in den meisten Arealen – von sehr schonenden, nicht-invasiven Optionen
bis hin zu invasiven, also operativen Behandlungen. Die jeweils geeignete Behandlung muss dem Befund nach Untersuchung und natürlich auch der Erwartungshaltung des Patienten angepasst und bezüglich des Ablaufs, der möglichen Verbesserungen wie auch eventueller Komplikationen ausführlich erläutert werden.
DISKURS Dermatologie:
Nach welchen Kriterien entscheiden Sie sich konkret für die jeweilige Methode?
Prof. Noah:
Hier spielen diverse Parameter eine Rolle: Hautstatus, Festigkeit der Aufhängung des Unterlides, Ausmaß der Fettgewebsprotrusion im Unterlid, Muskeltonus des Ringmuskels, Fettgehalt des Mittelgesichts. Aufgrund dieser Vielzahl relevanter Parameter ist eine individuelle Befundung so wichtig.
DISKURS Dermatologie:
Für viele Patientinnen und Patienten ist ja sicherlich eine Injektion von Hyaluronsäure die Methode der Wahl. Welches Material setzen Sie hierbei ein und warum gerade dieses? Wie ist die Haltbarkeit und wann baut es sich wieder ab?
Prof. Noah:
Persönlich mag ich sehr das Produkt Redensity II der Firma Teoxane.
Die Angebote auf dem Markt sind ja sehr breitgefächert und ich habe natürlich viele Produkte evaluiert und hinsichtlich deren Stabilität und Zuverlässigkeit, aber auch der Komplikationshäufigkeit für mich verglichen. Aus meiner Sicht kann ich mit Redensity sehr präzise arbeiten, das Produkt hat eine geringe Schwellneigung, ist gut anpassbar und die Stabilität ermöglicht eine ästhetische Verbesserung über einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten.
DISKURS Dermatologie:
Kommen hauptsächlich weibliche Patienten mit dem Wunsch nach einer jungen und frischen Augenpartie zu Ihnen oder nimmt der diesbezügliche gesellschaftliche Druck auch bei den Herren zu? Wird das Klientel, das diese Behandlungen nachfragt, Ihrer Beobachtung nach insgesamt jünger?
Prof. Noah:
Periorbital ist in unserer Praxis die Patientengruppe vom Alter und auch vom Geschlecht her fast homogen verteilt. Oft haben ja auch schon junge Erwachsene eine Vertiefung des Tränentals und dadurch dunkel wirkende Augenringe. Ursache ist meist ein sehr tief am inneren Knochenrand des Arcus marginalis ansetzender M. orbicularis oculi. Da die Fettprotrusion fehlt, sind diese Patienten sehr gut behandelbar.
DISKURS Dermatologie:
Welche Komplikationen können bei einer Unterspritzung in diesem sensiblen Bereich auftreten? Worauf muss man besonders achten?
Prof. Noah:
Zunächst einmal ist es wichtig zu betonen, dass mögliche Komplikationen durch die Nutzung einer stumpfen Kanüle bereits maßgeblich reduziert werden. Nicht unüblich sind trotzdem Hämatome, Schwellungen und tastbare Verhärtungen; selten kommt es zu Granulomen. Wir müssen unsere Patienten aber auch auf die Gefahr der Gefäßokklusion bis hin zu Sehfeldausfällen und Blindheit hinweisen und dementsprechend aufklären.
DISKURS Dermatologie:
Wie wichtig ist es, als Behandler genaue Anatomiekenntnisse zu haben?
Prof. Noah:
Sowohl eine ganz fundierte Kenntnis der Anatomie des jeweiligen Areals wie auch ein dezidiertes Verständnis für die Besonderheiten des jeweils verwendeten Produkts sind Grundlage für jede erfolgreiche Behandlung! Da haben wir Chirurgen naturgemäß einen Vorteil, da wir bei Unterlidoperationen das Unterlid sehr genau studieren können und erfahrene Unterlidchirurgen somit eine Art „GPS“ im Kopf haben, das bei der vorsichtigen Navigation in diesem besonders sensitiven und diffizilen Bereich sehr hilfreich ist.
DISKURS Dermatologie:
Die ausführliche Aufklärung vor einer Behandlung ist, wie Sie bereits erwähnten, eine Selbstverständlichkeit. Erleben Sie hierbei häufiger, dass die Menschen enttäuscht sind, wenn Sie ihnen die „Grenzen des Machbaren“ aufzeigen?
Prof. Noah:
Das kommt natürlich auch ein bisschen darauf an, wie gut die- oder derjenige sich vorab schon informiert hat bzw. wie realistisch oder übersteigert die Erwartungshaltung ist. Aber ja, natürlich, diese Situationen gibt es, und das betrifft alle Bereiche der Behandlung und Operation. Daher ist es so wichtig, sehr genau den Befund, aber auch den Patienten zu analysieren und ihm ein ganz realistisches Bild zu vermitteln. Ein schlechtes – im Sinne von unter den Erwartungen bleibendes – Ergebnis und ein daraufhin enttäuschter Patient belasten ihn – und mich! – doppelt.
DISKURS Dermatologie:
Wenn wir gemeinsam einen Blick in die Zukunft wagen, wohin geht die Reise im Bereich der Ästhetischen Chirurgie? Sehen Sie auch Fehlentwicklungen und was würden Sie sich ganz persönlich wünschen?
Prof. Noah:
Das ist ja mal eine Frage! Darüber müsste ich eigentlich länger nachdenken und meine Antwort würde dann vermutlich allein aufgrund ihres Umfangs den Rahmen eines solchen Interviews sprengen … Aber ganz spontan: Ich wünsche mir fundierte Untersuchungen zu unseren Behandlungsmethoden; Schluss mit eigenen „Marketingnamen“ von bestimmten Behandlern für allgemein übliche Behandlungen; Darstellungen in den „sozialen Medien“ ohne Herausstellung der eigenen Persönlichkeit mit Ausschließlichkeitsanspruch und Offenheit und Ehrlichkeit zu unseren Patienten. Wissen Sie, tatsächlich sind wir in der Plastischen Chirurgie und auch in den ästhetischen Behandlungen heute ja wirklich sehr avanciert und können so Vieles erreichen, ermöglichen und bewegen. Umso irritierender ist es daher für mich, wenn einige Kollegen vergessen, dass Sie auch noch – und ja eigentlich hauptsächlich – Ärzte sind und keine „Influencer“!
DISKURS Dermatologie:
Sehr geehrter Herr Prof. Noah, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte S. Steffens.