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Digitalisierung in der Dermatologie – Vor- und Nachteile von digitalen Helfern

Vom ersten FDA-zertifizierten medizinischen Zubehör für das Smartphone, das eine Einzelkanal-EKG-Aufzeichnung bietet [1], über die FDA-zugelassene “digitale Pille“ in den USA, mit der sich Medikamenteneinnahme über ein Sensorsystem in der Tablette digital tracken lässt [2] bis hin zur Erprobung webbasierter Patientenbefragungssysteme, die ein verbessertes Symptom-Monitoring während der zytotoxischen Tumortherapie ermöglichen [3,4]: Das Angebot der digitalen Gesundheitsanwendungen bzw. Medizinprodukte sowie Medizin-Apps wächst und eröffnet innovative Ansatzmöglichkeiten, Patienten wie Ärzte beim Krankheits- und Therapiemanagement zu unterstützen.

Wie Dr. Kai-Martin Thoms, Göttingen, bei einem Symposium im Rah-men der 26. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie in München erläuterte, könnten digitale Applikationen (“Apps“) insbesondere im Bereich Hautkrebsprävention einen Beitrag zur Aufklärung leisten, wenn sie wie die “Sunface“-App über die spielerische Verbindung zwischen Selfie-Foto und 3D-Animation mögliche Alterungs-effekte durch UV-Strahlung simulieren und den Anwender über Haut- krebsrisiken informieren kann. [5] Zur Therapiebegleitung von Psoriasis- oder Ekzempatienten empfahl Thoms, die Tracking-App “Imagine“ auszupro-bieren: Sie ermöglicht dem Patienten eine Foto- und Verlaufsdokumentation betroffener Hautstellen (“docu- ment your skin“ bzw. “see your progress“), die Einschätzung des damit verbundenen Krankheits-empfindens (“track how you feel“) und bei Therapieerfolg den Motivationserhalt gegenüber der Therapieintervention (“stay on schedule“). [6,7]

Eine Fotodokumentation mithilfe einer App wie Imagine könnte Thoms zufolge auch für die Verlaufsbeurteilung der Aktinischen Keratose (AK) von Interesse sein: So treten unter der topischen Behandlung mit Ingenolmebutat (Picato®) Hautreaktionen auf, die bereits 1 Tag nach der Gelapplikation sichtbar werden können und den epidermalen Zelltod sowie tumor-präferenzielle Immunreaktionen der betroffenen Haut anzeigen. Bei einer intraindividuellen Studie mit 26 Patienten ließ sich das therapieassoziierte Reaktionsmuster auf Ingenolmebutat in AK-Läsionen signifikant ausgeprägter beobachten als auf gesunder Haut, berichtete Thoms. [8] Je stärker die therapiebegleitenden, lokalen Hautreaktionen 1 Tag nach der letzten Ingenolmebutat-Applikation ausfielen (Tag 4), desto effektiver war die Behandlung, ge-messen an der Läsionsreduktion 8 Wochen nach Therapiebeginn. [9]

Bei der nicht-invasiven Früherkennung eines malignen Melanoms könnten Dermatologen künftig auch von Bilderkennungsverfahren profi-tieren, die sich eines trainierbaren künstlichen neuronalen Netzes bedienen (Deep Learning Convolutional Neural Network, CNN): Wie die Heidelberger Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Holger Hänßle feststellen konnte, übertraf das CNN eine internationale Gruppe von 58 erfahrenen Dermatologen bei der Beurteilung der meisten Läsionen. [10]

Ekzemtherapie:

Wie sinnvoll sind digitale Helfer?

Als Beispiel für eine gelungene Patienten-App im Bereich des Neurodermitis-Managements empfahl Prof. Wollenberg die PO-SCORAD-Anwendung: Eltern von betroffenen Kindern oder die Betroffenen selbst könnten mithilfe der Selbstevaluations-App vergleichsweise einfach und rasch den Schweregrad der Erkrankung feststellen und den Krankheitsverlauf dokumentieren. Der von der European Task Force on Atopic Dermatitis entwickelte Selbsterhebungsbogen lässt sich in vielen verschiedenen Sprachen downloaden und auf allen Endgeräten verwenden. [11] „Dieser digitale Helfer lässt einen klaren klinischen Nutzen erkennen und ermöglicht eine einfache sowie intuitive Anwendung“, betonte Wollenberg. Eine weitere kostenlose und für Neurodermitiker hilfreiche Applikation für das Smartphone biete die “Pollen App“ der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst [12]: Sie sagt die aktuelle Pollenbelastung voraus, erlaubt die Erstellung eines individuellen Belastungsprofils und bietet Betroffenen mit einer Pollensensibilisierung einen Erinnerungs-service an.

Viele der webbasierten Informationen seien konventionellen Ratgebern im Printformat allerdings nicht überlegen, so Wollenberg: So habe die Deutsche Stiftung Kinderdermato-logie in Zusammenarbeit mit der Kinderdermatologie der Dermatolo-gischen Klinik und Poliklinik der Ludwig-Maximilians Universität München elf gut verständliche Anleitungen zur Selbstbehandlung akuter und chronischer Hauterkrankungen entwickelt, die alle relevanten Informationen auf jeweils einer DINA4-Seite zusammenfassen und in Kürze auch online verfügbar sein würden. [13] Bereits online zugänglich sind die neuen Leitlinien des European Dermatology Forum (EDF) zur Behandlung des Atopischen Ekzems (Atopische Dermatitis): Zu den Neuerungen zählen u.a. ein Kapitel zur Patientenperspektive im ersten Teil, die explizite Empfehlung für die Impfung nach Impfkalender oder Stellungnahmen beim Thema Patientenschulung.

Beim Therapiemanagement werden für die Behandlung eines akuten Schubs für einige Tage initial topische Glucocorticosteroide empfohlen, bevor der Wechsel zu topischen Calcineurininhibitoren (TCI) erfolgt. [14] Zuletzt genannte sind auch besonders zum Einsatz in empfindlichen, dünnen Hautarealen geeignet. [14] Tacrolimus-Salbe (Protopic®) ist das einzige zur proaktiven Therapie (über einen längeren Zeitraum einmal täglich an zwei Tagen pro Woche) zugelassene Präparat und deckt die therapeutischen Eckpfeiler einer antientzündlichen Behandlung mit gleichzeitiger Regeneration der Hautbarriere ab. [14]

Quelle: Symposium: “Digitalisierung in der Dermatologie – Vorteile und Nachteile von digitalen Helfern“ im Rahmen der 26. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie, München, 25. Juli 2018; Veranstalter: LEO Pharma

Literatur

1. FDA Approves ECG band for Apple watch. Online unter http://www.cardiobrief.org/ 2017/11/30/fda-approves-ecg-band-for-apple-watch/

2. FDA approves pill with sensor that digitally tracks if patients have ingested their medication https://www.fda.gov/newsevents/ newsroom/pressannouncements/ucm584933.htm

3. Basch E et al. Overall survival results of a randomized trial assessing patient-reported outcomes for symptom monitoring during routine cancer treatment. J Clin Oncol 2017; 18 (suppl.): LBA2-LBA2

4. Basch E et al. Symptom monitoring with patient-reported outcomes during routine cancer treatment: A randomized controlled trial. J Clin Oncol 2016; 34: 557-65

5. Neue Sunface App: Schock für Solarium- und Sonnenfans. Online unter https://www.uk-es-sen.de/en/aktuelles/ detailanzeige0/?cHash=b50cea2ebd1ff824178f4e65e0de715b&tx_ttnews%5Btt_news%5D=2451

6. Imagine – Psoriasis Tracking. Online unter https://itunes.apple.com/us/app/imagine- psoriasis-tracking/id1133071282?mt=8

7. Imagine Eczema Tracking. Online unter https://play.google.com/store/apps/details? id=com.leo_pharma.imagine&hl=en_US

8. Emmert S et al. Responses and Epidermal Cell Death in Actinic Keratoses by Ingenol Mebutate. PLoS One 2016; 11: e0160096

9. Jim On SC et al. Relationship between severity of the local skin reactions and the rate of local skin reaction resolution in patients treated with ingenol mebutate gel. Clin Cosmet Investig Dermatol 2016; 9:211-6

10. Haenssle HA et al. Man against machine: diagnostic performance of a deep learning convolutional neural network for dermoscopic melanoma recognition in comparison to 58 dermatologists. Ann Oncol. 2018 May 28. doi: 10.1093/annonc/mdy166. [Epub ahead of print]

11.PO-SCORAD (Patient Oriented SCORAD) Software. Online unter http://www.poscorad.com/page_de.html

12. Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst: Pollen App – Die App für Allergiker. http://www.pollenstiftung.de/aktuelles-einzelansicht/pollen-app-die-app-fuer-allergiker/ ae4d0a4af9aede087b781d06d74eb9f8/

13. Ausbau des Schwerpunktes Kinderdermatologie an der Dermatologischen Klinik und Poliklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München. Online unter http://www.deutsche-stiftung-kinderdermatologie.de/projekte/ausbau-des-schwerpunktes-kinderdermatologie-an-der-dermatologischen-klinik-und-poliklinik-der-lmu/ausbau-des-schwerpunktes-kinderdermatologie-an-der-derma- tologischen-klinik-und-poliklinik-der-lmu.html

14. European Dermatology Forum: Consensus based European Guidelines for Treatment of Atopic Eczema (Atopic Dermatitis) in Adults and Children, Part I and II. Online unter http://www.euroderm.org/edf/index. php/edf-guidelines/category/5-guidelines-miscellaneous