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Eigenblutbehandlung – ein Update

Interview mit Astrid Tomczak, München

Eigenblutbehandlungen erfreuen sich sowohl in ärztlichen als auch in naturheilkundlichen Praxen großer Beliebtheit. Neben der regenerativen Wirkung und einfachen Anwendung ist, sachgerechte Durchführung und Anwendung vorausgesetzt, auch das überschaubare Nebenwirkungspotential ein wichtiger Pluspunkt. Patienten sind dem Gedanken einer Behandlung mit körpereigenen Stoffen oft eher aufgeschlossen als der Implantation alloplastischen Materials. Seit etwa 10 Jahren ist allerdings eine große Diskussion darüber im Gange, welche Behandlungsformen der Eigenbluttherapie von Ärzten und Heilpraktikern durchgeführt werden dürfen. Dies hat auch zu einigen Gerichtsverfahren mit sehr unterschiedlichen Urteilen geführt. Noch steht eine letztverbindliche Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht aus. Im Interview mit Medizin- consultant Astrid Tomczak LL.M (Pharmarecht) beleuchten wir die aktuelle Rechtslage.

Astrid Tomczak

Diskurs Dermatologie:
Frau Tomczak, welche gesetzlichen Regelungen gibt es derzeit zur Eigenbluttherapie?

Astrid Tomczak:
Die Eigenbluttherapie unterliegt drei gesetzlichen Schranken. Zunächst
ist das Transfusionsgesetz (TFG) einschlägig, welches die sichere Gewinnung und Anwendung von Blut und Blutprodukten gewährleisten soll und damit bei der Entnahme von Blut zu beachten ist. Da Blutprodukte Arzneimittel sind, unterliegt ihre Herstellung außerdem dem Arzneimittelgesetz (AMG). Zur Sicherung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln stellt es bestimmte Anforderungen an die Herstellung von Blutprodukten. Das Arzneimittelgesetz gilt ausdrücklich neben dem Transfusionsgesetz (§ 29 TFG). Am 16. August 2019 trat zusätzlich das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) in Kraft. Hierin wird die Erlaubnispflicht für die Herstellung von Arzneimitteln durch Angehörige der Heilberufe in der Praxis geregelt.

Bislang benötigten weder Ärzte noch Heilpraktiker nach dem Arzneimittelgesetz eine behördliche Erlaubnis für die Herstellung von Arzneimitteln und damit auch nicht für (Eigen-) Blutzubereitungen. Voraussetzung für das sog. „Ärzteprivileg“ war, dass das Arzneimittel unter unmittelbarer fachlicher Verantwortung des Arztes oder Heilpraktikers zum Zweck der persönlichen Anwendung bei einem bestimmten Patienten hergestellt wurde (§ 13 Abs. 2b AMG). Bis zum Inkrafttreten des GSAV galt für beide Berufsgruppen lediglich eine Anzeigepflicht bei den zuständigen Gesundheitsbehörden. Dies hat sich nun geändert. Für die Herstellung verschreibungspflichtiger Arzneimittel und damit auch für Blutprodukte gilt nun für Heilpraktiker ein Erlaubnisvorbehalt (vgl. § 13 Abs. 2b S. 2 Nr. 3, § 14 AMG). Um die Genehmigung zu erhalten, muss die sog. Fachkunde nachgewiesen werden. Dieser Nachweis gilt dann als erbracht, wenn eine Approbation als Apotheker erworben wurde. Alternativ reicht auch ein Zeugnis über eine nach abgeschlossenem, mindestens vierjährigem Hochschulstudium der Pharmazie, der Chemie, der pharmazeutischen Chemie und Technologie, der Biologie, der Human- oder der Veterinär- medizin abgelegte Prüfung. Zusätzlich muss eine mindestens zweijährige praktische Tätigkeit auf dem Gebiet der qualitativen und quantitativen Analyse sowie sonstiger Qualitätsprüfungen von Arzneimitteln oder Tierarzneimitteln nachgewiesen werden.

Diskurs Dermatologie:
Welche Arten von Blutprodukten gibt es und werden diese rechtlich alle gleich bewertet?

Astrid Tomczak:
Grundsätzlich ist es so, dass für alle durch Entnahme gewonnenen Blutprodukte das Transfusionsgesetz gilt. Dies ist unabhängig davon, ob
es sich um eine Fremdspende (Bluttransfusion) oder Eigenspende (z.B. zur PRP-Therapie) handelt. Dabei gelten (Eigen-)Blutzubereitungen nach § 4 Abs. 2 AMG als Arzneimittel. Auch unverändertes Blut, mit anderen Stoffen vermengtes oder mit Sauerstoff angereichertes Blut ist ein Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 3 AMG, wenn es zu therapeutischen Zwecken eingesetzt wird.

Das Transfusionsgesetz unterscheidet aber im Weiteren zwischen Blutprodukten und homöopathischen Blutprodukten. Dieser Unterschied ist deshalb so wichtig, weil sich genau darum die langjährigen Gerichtsstreitigkeiten entzünden. Hintergrund ist der im Transfusionsgesetz niedergelegte Arztvorbehalt für Blutspenden. Nach § 7 Abs. 2 TFG darf nämlich die Entnahme einer Blutspende nur durch eine ärztliche Person oder durch anderes qualifiziertes Personal unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Damit wäre es für Heilpraktiker nicht möglich, Blutentnahmen für eine Eigenbluttherapie vorzunehmen. Allerdings kennt das Transfusionsgesetz eine Ausnahme zum Arztvorbehalt. Dieser soll nämlich dann nicht zum Tragen kommen, wenn nur eine geringfügige Menge Blut entnommen wird (§ 28 Abs. 2 TFG: „homöopathische Eigenblutprodukte“). Das Transfusionsgesetz definiert dabei weder, welche Menge als geringfügig anzusehen ist, noch, welche Eigenblutprodukte als homöopathisch zu werten wären.

Diskurs Dermatologie:
Welche Urteile sind bisher ergangen?

Astrid Tomczak:
Der Streit um die Definition homöopathischer Eigenblutprodukte begann bereits 2010 im Saarland. Zwei Jahre darauf entschied der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 17. Januar 2012 – VI ZR 336/10 ), dass Heilpraktiker die Eigenbluttherapie in Form der Entnahme und Re-Injektion von unverändertem Vollblut und in Form der Entnahme und Re-Injektion von mit nicht verschreibungspflichtigen homöopathischen Arzneimitteln versetztem Vollblut durchführen dürfen. Diese würden der Ausnahme nach § 28 Abs. 2 TFG unterliegen.

Seit diesem ersten Urteil sind weitere mit teilweise gegensätzlichen Rechtsauffassungen ergangen. Das Ver- waltungsgericht Osnabrück (VG Osnabrück, Urteil vom 04.08.2020 – 3 A 44/19) hat eine Eigenblutbehandlung, in der das entnommene Blut lediglich geschüttelt und dem Patienten ohne Hinzugabe weiterer Stoffe direkt wieder injiziert wird, oder eine Eigenblutbehandlung, in der das Blutplasma vor der Re-Injektion durch Zentrifugation vom Serum getrennt und ihm sodann fertige homöopathische Arzneimittel oder andere nicht verschreibungspflichtige Medikamente beigefügt werden, ebenfalls dem Ausnahmetatbestand des § 28 Abs. 2 TFG zugeordnet. Am 23.04.2021 standen vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) in Münster drei Berufungsverfahren (Az. 9 A 4073/18; 9 A 4108/18; 9 A 4109/18) von Heilpraktikern im Zusammenhang mit unterschiedlichen Formen der Eigenbluttherapie zur Verhandlung. Das OVG hat die für Heilpraktiker abschlägigen Entscheide des Verwaltungsgerichts Münster bestätigt und damit die Eigenbluttherapie für Heilpraktiker in jeglicher Form untersagt.

Ende September diesen Jahres hatte nun das Verwaltungsgericht München über die Eigenbluttherapie durch Heilpraktiker zu entscheiden. Nach seiner Auffassung sind die sog. native Eigenbluttherapie, also die Entnahme und Re-Injektion von unverändertem Blut, und auch die sog. homöopathische Eigenbluttherapie, bei der dem entnommenen Blut vor der Re-Injektion nicht verschreibungspflichtige homöopathische Arzneimittel zugesetzt werden, zulässig.

Diskurs Dermatologie:
Was bedeuten diese gegensätzlichen Urteile nun und wie geht es weiter?

Astrid Tomczak:
Gerichtsurteile binden zunächst nur die an ihnen beteiligten Parteien. Da die Sache von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde nun als Reaktion auf das genannte Urteil des OVG Münster eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Seine Entscheidungen sind bindend für alle nachrangigen Gerichte und Behörden. Stand heute dürfen damit nur Ärzte die Eigenbluttherapie mit Ozon sowie die Platelet-Rich-Plasma-Eigenbluttherapie mit einem aus dem Eigenblut des Patienten hergestellten Blutplättchen-Konzentrat durchführen.

DISKURS Dermatologie:
Sehr geehrte Frau Tomczak, vielen Dank für das Gespräch!