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Götterdämmerung? Der rechtliche Rahmen des Influencer*innen-Marketings

Interview mit Astrid Tomczak (München)

Influencer*innen-Marketing ist eine Zusammenarbeit zwischen beliebten Social-Media-Nutzer*innen und Marken, um Produkte oder Dienstleistungen zu bewerben. Influencer*innen sind die neuen Stars, digitale „Götter“, die den Aufbau einer Marke oder den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen entscheidend befeuern und damit über deren Erfolg oder Misserfolg mitentscheiden können. Sie bilden Meinungen, beeinflussen Kaufentscheidungen und sorgen aufgrund des Vertrauens, welches ihnen von ihren Followern entgegengebracht wird, für relevanten Umsatz.

Im Jahr 2023 wird die Influencer*innen-Marketing-Wirtschaft auf 21,1 Milliarden Dollar weltweit geschätzt. Längst ist das Konzept des Influencer*innen-Marketings als Teil eines digitalen Marketingkonzepts auch in der Ästhetischen Medizin angekommen. Dort arbeiten neben Herstellern zunehmend auch niedergelassene Ärzt*innen und Privatkliniken mit Influencer*innen zusammen. Im Interview mit Medical Consultant Astrid Tomczak LL.M. (Pharmarecht) haben wir uns einmal die rechtlichen Rahmenbedingungen für diese Werbeform angeschaut.

DISKURS Dermatologie: Frau Tomczak, wie wird „Influencer*innen-Marketing“ eigentlich genau definiert?

Astrid Tomczak: Influencer*innen sind Menschen mit einer großen Fangemeinde in den sozialen Medien, die das Konsumverhalten ihrer Follower beeinflussen können. Obwohl jeder ein(e) Influencer(in) sein kann, neigt die digitale Welt prinzipiell dazu, die Reichen, Berühmten und Glamourösen zu bevorzugen. In der Zwischenzeit gibt es aber auch tierische Influencer und sogenannte AI-Influencer*innen. Das berühmteste Beispiel für eine computergenerierte Influencerin ist Lil Miquela, die zuletzt sogar in einer Calvin Klein Werbung zusammen mit Supermodell Bella Hadid zu sehen war. Trotzdem darf Influencer*innen-Marketing nicht mit dem sogenannten „Celebrity Endorsement“ verwechselt werden. Dort werden Schauspieler*innen, bekannte Sportler*innen und andere Berühmtheiten, meist verbunden mit einem sehr hohen Investment, von Marken verpflichtet. Beispiele aus der Ästhetischen Medizin sind die Engagements von Sharon Stone und Sylvie Meis für bekannte Hyaluronsäurefillerprodukte.

Die Problematik bei dieser Art der Werbung liegt hier weniger in rechtlichen Aspekten. Denn für Medizinprodukte wie beispielsweise Filler, Kollagenstimulatoren oder Fäden ist diese Werbeform erlaubt (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG). Vielmehr ist es die Messbarkeit der Effekte, die bei einem enormen finanziellen Aufwand immer wieder Zweifel weckt. Beim Influencer*innen-Marketing lässt sich der Return-on-Investment durch „clicks“, „shares“ und andere Interaktionen weitaus eindeutiger nachvollziehen. Häufig ist die Glaubwürdigkeit „normaler“ Influencer*innen zudem größer, da sich Follower*innen besser mit ihnen identifizieren können als mit dem Leben der Reichen und Schönen dieser Welt. Influencer*innen werden basierend auf der Anzahl ihrer Follower*innen in fünf unterschiedliche Kategorien eingeteilt. Nano-Influencer*innen haben weniger als 10.000 Follower*innen, Mikro-Influencer*innen zwischen 10.000 und 50.000, Medium-Influencer*innen liegen zwischen 50.000 und 100.000 Follower*innen und Macro-Influencer*innen dürfen sich über mehr als 500.000 Fans freuen. Sogenannte Mega-Influencer*innen haben eine Gefolgschaft, die in die Millionen geht.

DISKURS Dermatologie: Wie kann eine Zusammenarbeit zwischen Influencer*innen und Ärzt*innen aussehen?

Astrid Tomczak: Hier haben sich verschiedene Kooperationsformen herauskristallisiert.
Es gibt zum einen die mehr oder weniger reinen „Awareness-Kampagnen“, die eine Erhöhung des Bekanntheitsgrades der Klinik, der Praxis oder einer Ärztin bzw. eines Arztes zum Ziel haben. Weit häufiger wird von Influencer*innen aber mit bestimmten Behandlungen geworben, die vom Kooperationspartner durchgeführt wurden. Große Klinikketten haben dieses Konzept für sich erkannt und vor allem auf YouTube und Instagram umgesetzt. Hier berichten Influencer*innen über ihre Erfahrungen mit Lippen- oder Wangenunterspritzungen oder auch mit Brustvergrößerungen und Fettabsaugungen. Interessanterweise erfolgen diese Kooperationen häufig mit Nano- und eher selten mit Macro- oder Mega-Influencer*innen. Offenbar hat die Glaubwürdigkeit der Influencer*innen durch die Nähe zur eigenen Lebensrealität der Zuschauer*innen einen nicht zu unterschätzenden Vorteil gegenüber sehr großen Followerzahlen. Vereinzelt konnte ich auch Rabattaktionen sehen. Über bestimmte Codes gab es die Möglichkeit, vergünstigte Behandlungen zu erhalten.

DISKURS Dermatologie: Welche rechtlichen Aspekte sind beim Influencer*innen-Marketing zu beachten?

Astrid Tomczak: Bei der Werbung mit Medizinprodukten und mit ästhetischen Behandlungen handelt es sich um Werbung mit Gesundheitsbezug. Nach herrschender Meinung liegt gesundheitsbezogene Werbung nicht nur dann vor, wenn das angestrebte Ziel der Behandlung gesundheitsbezogen ist, sondern auch, wenn ästhetische Ziele durch Maßnahmen erreicht werden sollen, die in die körperliche Integrität eingreifen und dadurch Gesundheitsbezug haben (OLG München, Urt. v. 14.01.2016 – 29 U 2609/15). Diesen Umstand betone ich deshalb, da die Zulässigkeit einer Influencer*innenkampagne im Bereich der Ästhetischen Medizin damit auch an den Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) zu messen ist. Für die sogenannte Publikumswerbung, also die Werbung gegenüber Endverbrauchern, gibt das Heilmittelwerberecht klare Maßstäbe vor (vgl. §§ 11 HWG), die damit auch bei dieser Werbeform zu berücksichtigen sind. Dazu gehört zum Beispiel das Verbot, Vorher-nachher-Bilder von Schönheitsoperationen zu zeigen. Nach aktuellen Urteilen fallen unter den etwas sperrigen Begriff der vergleichenden bildlichen Darstellung plastisch-chirurgischer Eingriffe aus dem Heilmittelwerberecht auch Unterspritzungsbehandlungen (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 03.08.2021 – 3-06 O 16/21). Nun mag der Einwand kommen, dass jeder Mensch seine eigenen Bilder in beliebiger Art und Weise auf digitalen Plattformen zeigen kann. Das ist grundsätzlich richtig. Allerdings sprechen wir hier nicht über eine private Aktivität, sondern über eine geschäftliche Handlung im Rahmen einer Werbekooperation, die bezahlt oder anderweitig vergütet wird. Diese Form der Werbung soll nicht zu einer Umgehung gesetzlich vorgesehener Schutzvorschriften führen.

Dies führt mich direkt zu meinem nächsten Punkt. Streitgegenstand zahlreicher Gerichtsverfahren war in der Vergangenheit die Frage, ob und wann es sich bei Aktivitäten von Influencer*innen um Werbung und wann um redaktionelle und damit nicht kennzeichnungspflichtige Beiträge handelt. Aus der Summe der ergangenen Urteile rate ich zu einer weiten Auslegung des Werbebegriffs und damit auch zu einer eher großzügigen Markierung von Beiträgen mit den Hashtags #Werbung, #Anzeige o.ä. Klassischerweise wird eine Klinik oder eine Ärztin / ein Arzt auf eine(n) Influencer(in) zugehen und einen Auftrag für eine Kampagne zu Produkten oder Behandlungen vereinbaren. Hier liegt eine geschäftliche Handlung vor. Bei den geplanten Inhalten handelt es sich damit um Werbung, die der Kennzeichnungspflicht unterliegt. Nach Auffassung des Kammergerichts Berlin gilt dies im Übrigen auch dann, wenn Produkte kostenlos überlassen wurden (KG Berlin, Beschluss vom 11.10.2017 – Az. 5 W 221/17). Dazu hat sich im Januar 2022 auch der BGH mit zwei Urteilen geäußert. Es ging dabei um kostenlos zur Verfügung gestellte Waren und Dienstleistungen und um die Frage, ob Influencer*innen auch Beiträge dazu als Werbung kennzeichnen müssen. Laut BGH müssen Influencer*innen in diesen Fällen entsprechende Beiträge zwingend als Werbung kennzeichnen. Konkret führt der BGH in seiner Entscheidung aus, dass unter einem Entgelt oder einer ähnlichen Gegenleistung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV neben Geld- oder Sachleistungen jede geldwerte Gegenleistung zu verstehen sei – und das auch, wenn das durch das Posting der Influencerin bzw. des Influencers begünstigte Unternehmen zwar keine Geldzahlung geleistet, jedoch das dargestellte Produkt zur Verfügung gestellt hat. Auf die Praxis umgesetzt, muss beispielsweise ein Beitrag über eine kostenlose Behandlung als Werbung gekennzeichnet werden. Auch das Vertaggen von Klinik- oder Ärzteaccounts auf unbezahlte Beiträge von Influencer*innen kann zur Kennzeichnungspflicht führen (u.a. LG Itzehoe Urteil vom 23.11.2018 – Az. 3 O 151/18).

Viel Unsicherheit gab und gibt es auch immer noch hinsichtlich der Platzierung des Werbehinweises. Am sichersten ist eine Platzierung zu Beginn des Beitrags und auf deutschsprachigen Seiten auch in deutscher Sprache. Bei Instagram Stories und Reels sollte der Hinweis direkt auf den verwendeten Bildern oder Videos erfolgen, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Nutzer immer den Ton zu diesen Beiträgen hören. Werden Stories aneinander gereiht, sollte der Werbehinweis auf allen Einzelbildern erfolgen. Bei Werbung mit Rabattierungen ist immer an die Einhaltung der Vorgaben der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zu denken.

DISKURS Dermatologie: Wir haben nun vor allem von den Pflichten der Influencer*innen gehört. Warum ist die Einhaltung dieser Vorgaben durch die Influencer*innen auch für Ärzt*innen und Kliniken wichtig?

Astrid Tomczak: Verstöße gegen die Vorgaben des Heilmittelwerberechts oder gegen die dargestellten Kennzeichnungspflichten können zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen mit Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen führen. Im weiteren Verlauf drohen einstweilige Verfügungen, evtl. Gerichtsverfahren und bei erneuten Zuwiderhandlungen auch Vertragsstrafen. Betroffene Mitbewerber könnten zusätzlich Schadensersatzansprüche geltend machen. Zunächst wird dies die Influencer*innen selbst treffen. Allerdings müssen sich Ärzt*innen und Kliniken als Auftraggeber der Werbung ebenso verantworten. Im Falle unterlassener Kennzeichnungen durch eine Influencerin erging beispielsweise ein Urteil wegen Schleichwerbung gegen eine große Drogeriekette (OLG Celle, Urt. v. 08.06.2017 – Az. 13 U 53/17.). Daher ist es für Ärzt*innen und Kliniken sinnvoll, genaue vertragliche Absprachen mit den beauftragten Influencer*innen hinsichtlich der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben inklusive der besprochenen Kennzeichnungspflichten zu treffen.

DISKURS Dermatologie: Sehr geehrte Frau Tomczak, vielen Dank für das Gespräch!