Interdependenzen von Mikrobiom und Hautbarriere
Die Haut ist das größte Organ des Menschen und wird von diversen Mikroorganismen (MO) als Lebensraum verwendet. Die siedelnden Mikroorganismen stammen größtenteils aus dem Reich der Bakterien und Pilze; aber auch Viren sind auf der Haut nachweisbar. Je nach Vorliebe der MO wird ein anderer Körperteil aufgesucht wie beispielsweise die ölige Kopfhaut, die meist feuchten Armbeugen oder Kniekehlen, die trockenen Unterarme oder Schienbeine und die feuchten Füße.
Dadurch, dass der Mensch ein großflächiger Lebensraum ist, bildete sich schon früh durch die Evolution ein Säureschutzmantel heraus, sodass die Zellstrukturen unterhalb der Haut vor Angreifern geschützt werden. Ohne das Mikrobiom und eine damit einhergehende erworbene Immunität gegenüber pathogenen MO würde es dem Menschen jedoch wesentlich schlechter ergehen, weshalb das Mikrobiom auf der Haut unabdingbar ist.
Dr. Chris Callewaert, Postdoc am Center für Mikrobielle Ökologie und Technologie der Universität Genf, ging bei einem Symposium im Rahmen des diesjährigen EADVKongresses in Berlin auf die Wichtigkeit der Funktionalität unserer Hautbarriere sowie auf die Rolle der Mikroorganismen im Rahmen der Aufrechterhaltung selbiger ein.
Die Haut des Menschen sei letztendlich eine große, durchlässige Membran, die aus mehreren Schichten bestehe und Salze, Wasser, Lipide, Hormone sowie weitere chemische Signalstoffe durch Poren absondere. Diese dienen zum einen der Aufrechterhaltung des Säureschutzfilms, zum anderen können MO diese Verbindungen als Nährstoffe nutzen. In feuchteren Regionen auf der Haut finde man zudem vermehrt Vertreter der Staphylokokken und Corynebakterien. In trockenen Regionen sei die Bakteriendichte am geringsten, dafür die Diversität am höchsten. Auch Pilze, vor allem der Gattung Malassezia, einem Hefepilz, werden häufig nachgewiesen. Die Zusammensetzung des Mikrobioms sei essenziell für die Hautbarriere und erfülle dabei vier Funktionen. Die erste Funktion sei die biologische Barriere, die zweite stelle die chemische Barriere der Haut dar, die sich unterhalb der ersten befinde, die dritte sei die physische und damit sichtbare Barriere und die letzte Barriere sei das Immunsystem.
Die mikrobielle Barriere werde von über einer Trillionen Bakterien behaust, wo sich durch einen großen Wettbewerb ein bestimmtes Mikrobiom einstelle, das außenstehenden Pathogenen wenig Raum zur Besiedelung lasse. Die MO des Mikrobioms kommunizieren über die Sekretion von Bakteriziden, antimikrobiellen Peptiden (AMP), Lantibiotika sowie Virulenzfaktoren und sorgen durch diese dafür, dass ungewollte Bakterien im Wachstum gehemmt werden. Die chemische Barriere konzentriere sich auf die vom Körper ausgeschiedenen Verbindungen, darunter die am häufigsten vertretenen Lipide. Die MO der Haut zeichnen sich dadurch aus, dass sie Lipasen – lipidzersetzende Enzyme – besitzen, die die Lipide in freie Fettsäuren spalten, wodurch der Säuremantel bei einem pH-Wert von 5,5 instandgehalten werde. Zudem stimuliere die Fettsäure menschliche Keratinozyten und führe zur Herstellung des humanen ß-Defensins, eines AMPs.
Hinsichtlich der dritten, physischen Barriere erweise sich das Mikrobiom als sehr förderlich, indem es Keratinozyten dazu anrege, neue Keratinozyten zu produzieren, um die Haut zu reparieren. Die Herstellung von Ceramiden durch das Mikrobiom sorge auch dafür, dass der transepidermale Wasserverlust minimiert werde, sodass einige Körperregionen feucht bleiben. Interessant und bemerkenswert sei, dass das Hautmikrobiom Antioxidantien produziere; im Falle des Corynebacterium acnes z.B. schützten diese vor oxidativem Stress, bei Staphylococcus epidermis gegen UV-induzierte Hauttumore.
Die letzte Barriere, die Immun-antwort setze sich aus verschiedenen Zellen zusammen, deren Zusammenspiel maßgeblich für den Erfolg der Abwehr sei. Die unter der Haut liegenden dendritischen Zellen observieren alle in die Haut eindringenden Moleküle und schütten bei der Erkennung mikrobieller Gefährder Chemokine und Cytokine aus, die auch von Keratinozyten erkannt werden, sodass diese antimikrobielle Verbindungen für eine Verteidigung herstellen. Dies sei vor allem der normale Vorgang während der Homöostase. Bei einer Dysbiose hingegen würde eine erhöhte Anzahl infizierender Staphylococcus-aureus-Bakterien dazu führen, dass die Immunantwort hochreguliert werde und daraus Entzündungen resultieren, die zwar eigentlich der Verteidigung der Hautbarriere dienen, aber zu einer Verschlechterung des Hautbilds führen.
Nicht alle MO haben jedoch einen negativen Effekt, sondern einige könne man zur Bewältigung von Hautkrankheiten verwenden, so Callewaert. Beispielsweise werde Lactobacillus buchneri zur Untersuchung von Altersprozessen verwendet oder die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae könne zu einer Verbesserung der Wundheilung führen. Die häufigsten Auswirkungen von Probiotika auf das Mikrobiom bei Hautkrankheiten seien die Reduzierung der Entzündung sowie die damit einhergehende Röte; auch allergische Reaktionen treten gemindert auf. Die Industrie habe die Effekte von Probiotika als wachsenden Markt für sich bereits entdeckt um viele gewinnbringende Produkte entwickeln zu können.
Ein weiteres Thema, das Callewaert ansprach, war die Entwicklung von Körpergeruch, der sich bei Frauen und Männern erheblich durch die Zusammensetzung der MO unterscheide. Das Vorhandensein von Staphylokokken führe zu einem erheblich angenehmeren Körpergeruch als das von Corynebakterien. Je höher die Diversität an verschiedenen MO, desto wahrscheinlicher entstehe ein schlechter Körpergeruch, da sich die Wahrscheinlichkeit erhöhe, Bakterien anzusiedeln, die einen schlechten Geruch auslösen. Tatsächlich solle man sich um eine geringe Diversität an MO bemühen, wenn man seinen Körpergeruch verbessern möchte. Natürlicherweise appliziere man bei einem schlechten Körpergeruch mehr Deodorant oder Parfüm, das jedoch kontraproduktiverweise das Mikrobiom in ein Ungleichgewicht bringen könne.
Um eine Verschiebung des Mikrobioms zu Körpergeruch-erzeugenden MO zu vermeiden, beschrieb Callewaert eine Therapie, die Erfolg verspricht: die Armbeugen-Bakterien-Transplantation. Bei dieser Therapie werde das Unterarm-Mikrobiom einer Person ohne Körpergeruch in die gereinigte Achselhöhle einer Person transferiert, die an Körpergeruch leidet. Über einen Zeitraum von einem Monat stellte sich diese Therapie bei 18 getesteten Personen als zielführend heraus. Darüber hinaus jedoch konnte bei geringer Pflege schnell eine Verschlechterung des Körpergeruchs beobachtet werden. Deshalb wurde ein sog. „Bakteriospray“, das Probiotika für Staphylokokken enthält, entwickelt und an 79 Personen in einer klinischen Studie getestet. Dieses Spray fördere ein Mikrobiom, das für einen besseren Körpergeruch verantwortlich sein könne und verschiebe zudem das MO-Spektrum hin zu solchen MO der Gattung Staphylococcus, die wohlriechende chemische Verbindungen erzeugen.
Quelle: Symposium „Microbiome and Skin Barrier Function“ im Rahmen des 32. EADV-Kongresses, 11. Oktober 2023, Berlin