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Kennzeichnungspflicht von bearbeitetem Bildmaterial bleibt unterreguliert

Verharrt Deutschland im „Schönheitsschlaf“?

In Norwegen gibt es die Kennzeichnungspflicht von bearbeitetem Bildmaterial bei Werbung und für Influencer seit Juli 2022, in Frankreich gilt sie für Werbung bereits seit 2017 und in Israel gibt es sie seit 2013. Auch in Großbritannien sind bereits die ersten Vorstöße im britischen Unterhaus angekommen. Frankreichs Senat stimmt aktuell einen durch die Nationalversammlung bereits verabschiedeten Gesetzesvorschlag ab. Mit ihm soll eine deutliche Erweiterung und verschärfte Reglementierung von Influencer*innen und Werbetreibenden in den Sozialen Medien mit Geldstrafen bis in den sechsstelligen Bereich erreicht werden.

Derweil sind in Deutschland bisher alle Versuche zum Schutz von Kindern und jungen Erwachsenen gescheitert oder im Sande verlaufen. Die großen Fachgesellschaften für Plastische und Ästhetische Chirurgie in Deutschland – DGPRÄC, VDÄPC und DGÄPC – setzen sich nun gemeinsam verstärkt dafür ein, dass vor allem die junge, noch leicht zu beeinflussende Zielgruppe im Umgang mit Sozialen Medien geschützt wird, und appellieren dabei an Politik und Medien.

„Wir müssen damit beginnen, die psychische Gesundheit junger Menschen zu schützen!“

Der Beschluss der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister bzw. -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK) unter dem Vorsitz der Senatorin Katharina Fegebank, in dem die Kennzeichnungspflicht bei Bearbeitung von Bildmaterial in der Werbung und in sozialen Netzwerken (TOP 5.8) mehrheitlich im vergangenen Jahr beschlossen wurde, und die Petition der Influencerin Silvi Carlsson sind nur zwei Beispiele von Versuchen, auch die deutsche Gesetzgebung in Richtung Schutz der jungen, vulnerablen Zielgruppe zu bewegen. Bisher haben beide Versuche eines gemeinsam: sie sind auf Bundesebene versandet.

In Norwegen müssen seit dem 01.07.2022 alle bearbeiteten Bilder in Sozialen Medien deut- lich sichtbar mit diesem Logo gekennzeichnet werden.

In Norwegen müssen seit dem 01.07.2022 alle bearbeiteten Bilder in den Sozialen Medien deutlich sichtbar mit diesem Logo gekennzeichnet werden.

„Wir sehen uns in der Verantwortung, das Bewusstsein für diese Entwicklungen weiter zu erhöhen und eine gesellschaftliche Debatte voranzutreiben“, konstatiert Prof. Dr. Henrik Menke, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (DGPRÄC). Eine Kennzeichnungspflicht könne helfen, Fehlentwicklungen und Körperbildwahrnehmungsstörungen zu reduzieren. Bis der Gesetzgeber Regularien schaffe, um die Bevölkerung zu schützen, sei es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Medienkompetenz junger Menschen zu erhöhen und ihr Selbstbewusstsein zu stärken, mahnt der Plastische und Ästhetische Chirurg.

„Wir als Fachärzte für Plastische und Ästhetische Chirurgie grenzen uns ganz klar ab und müssen unterscheiden zwischen tatsächlicher Beeinträchtigung eines/r Patient*in und suggerierter Beeinträchtigung eines/r Patient*in. Die tägliche Auseinandersetzung mit idealisierten und unrealistischen Körperbildern und Gesichtern führt nicht nur zu einem geringen Selbstwertgefühl, sondern auch zu psychischen Erkrankungen wie der Dysmorphophobie“, stellt Dr. Alexander Hilpert, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) klar. Zu diesen ernstzunehmenden psychologischen Erkrankungen zählen u.a. die Magersucht (Anorexie) und auch die Sucht nach Optimierung.

Sein Kollege Prof. Dr. Detlev Hebebrand, Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC), bestätigt: „Nicht nur die Patientenerhebungen der VDÄPC und DGÄPC belegen, dass die Beeinflussung durch die Sozialen Medien stetig und rasant steigt. Unsere Mitglieder sehen es nahezu täglich in ihren Praxen und Kliniken: Immer häufiger kommen vor allem junge Patient*innen teils mit grotesken Vorstellungen und Wünschen zu ihrem Aussehen.“

Die aktuelle DGÄPC Statistik 2022 bestätigt die zunehmende Einflussnahme auf die eigene optische Wahrnehmung. Denn während im Jahr 2020 lediglich 2,3% der Befragten und 2021 4,0% der Befragten angaben, dass Posts in den Sozialen Medien den Wunsch nach persönlicher Veränderung verstärkten, waren es 2022 bereits insgesamt 10,6% aller Befragten (Zielgruppe 18–80+). Bei der jungen Zielgruppe unter 30 Jahren fand eine Steigerung von 9,0% auf 20,9% statt. Ein Blick auf die Tendenz der laufenden Patient*innenbefragung für die DGÄPC Statistik 2023 zeigt, dass sich aktuell 64% der Befragten klar für eine Kennzeichnungspflicht aus- sprechen, 13% sind dagegen und 22% geben an, nicht davon betroffen zu sein (Stand 11.05.2023).

Die drei Gesellschaftspräsidenten appellieren klar und deutlich in Richtung Bundesregierung: „Wir müssen damit beginnen, die psychische Gesundheit junger Menschen zu schützen. Ein wichtiger Anfang ist hierbei die Kennzeichnungspflicht von bearbeitetem Bildmaterial in Sozialen Medien.“ Um die breite Öffentlichkeit und die Politik weiter zu mobilisieren, arbeiten die drei Fachgesellschaften an einem Offenen Brief an die zuständigen Ministerien.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie