Kombinationstherapie mit Bakteriophagen und Antibiotika
Kasuistik
Die chronische bakterielle Prostatitis ist eine häufig diagnostizierte Infektion des Urogenitalsystems, die sowohl bei der Diagnose als auch bei der Behandlung eine große Herausforderung darstellt. In einer Zeit zunehmender Antibiotikaresistenzen und daher begrenzter therapeutischer Möglichkeiten ist es dringend erforderlich, die aktuellen Leitlinien der Behandlung bakterieller Infektionen zu überarbeiten und wirksamere Behandlungsstrategien zu entwickeln.
Im Eliava Phage Therapy Center (EPTC) in Tiflis, Georgien, wird die Bakteriophagen-Therapie (BT) als alternativer Ansatz gegen chronische bakterielle Infektionen bereits seit über 100 Jahren eingesetzt. Bakteriophagen, also Viren, die auf bestimmte Bakterienzellen abzielen und diese lysieren, können als eigenständige Behandlung oder in Verbindung mit Antibiotika erfolgreich eingesetzt werden.
Dieser Fallbericht handelt von einem Patienten mit Prostatitis, die durch Infektion mit Escherichia coli verursacht wurde und dessen Behandlung mit Antibiotika erfolglos blieb. Darum wurde am Eliava Phage Therapy Center eine Kombinationstherapie aus Bakteriophagen und Antibiotika eingeleitet, die nicht nur zu einer vollständigen klinischen Besserung, sondern auch zu einer vollständigen Eradikation der Bakterien führte. Dieses Ergebnis zeigt das Potenzial der BT als wertvolle Ergänzung zu herkömmlichen Antibiotika bei der Behandlung von u.a. Prostatitis.
Prostatitis ist durch eine Entzündung der Prostata gekennzeichnet und stellt eine häufige Erkrankung mit einer Prävalenz von 1,8% bis 8,2% dar. Gemäß des National Institutes of Health Classification wird die Prostatitis in folgende Kategorien unterteilt: akute bakterielle Prostatitis, chronische bakterielle Prostatitis (CBP), chronische nicht-bakterielle Prostatitis/chronisches Beckenschmerzsyndrom, entzündliche, nicht-entzündliche und asymptomatische entzündliche Prostatitis.
Klinische Manifestationen ähneln denjenigen von Harnwegsinfektionen, bei denen eine erhöhte Harnhäufigkeit, Harndrang, Dysurie, Beschwerden im Beckenbereich, Unterleibsbeschwerden und leichtes Fieber festgestellt werden. Darüber hinaus werden bei Patienten mit CBP in der Regel wiederkehrenden Harnwegsinfektionen (UTIs) beobachtet. Interessant ist dabei, dass in einigen Fällen trotz bakterieller Eradikation die Symptome fortbestehen. Diese Erkrankung, insbesondere die chronische Form, beeinträchtigt die Lebensqualität sowie die geistige und körperliche Gesundheit der Patienten immens. Die wichtigsten Erreger von CBP stellen dabei Enterococcus faecalis und Escherichia coli dar. Es hat sich gezeigt, dass E. coli eine akute Prostatitis verursacht und mit einer erhöhten Biofilmbildung verbunden werden kann. Diese Biofilmbildung führt dazu, dass E. coli viel resistenter gegenüber einer Antibiotika-Behandlung wird. Weitere mögliche Erreger können auch Gram-positive Bakterien wie Staphylococcus- und Streptococcus-Arten sowie atypische Erreger wie Chlamydia trachomatis, Ureaplasma urealyticum, Mycoplasma genitalium und Neisseria gonorrhoeae sein. Die Antibiotikatherapie ist dabei die wichtigste Behandlung für CBP und wird durch Alpha-Blocker, entzündungshemmende Medikamente, hormonelle Behandlung, die Anpassung der Lebensweise und in einigen Fällen auch chirurgische Eingriffe begleitet.
Nichtsdestotrotz zeigen der wiederkehrende Charakter der CBP und die zunehmende Antibiotikaresistenz bei den Patienten die dringende Notwendigkeit, optimierte Therapien zu finden, die das Spektrum der Erreger und die Antibiotikaresistenzraten abdecken. Die BT, die in Verbindung mit Antibiotika oder als Monotherapie eingesetzt wird, ist eine vielversprechende Alternative zur Bekämpfung von Infektionen wie bspw. CBP.
Bakteriophagen, auch Phagen genannt, sind bakterielle Viren, die in der der natürlichen Umwelt vorkommen. Sie haben die bemerkenswerte Fähigkeit. die Wirtsbakterien zu infizieren und zu zerstören. Jeder Phage ist darauf spezialisiert, ein bestimmtes Bakterium anzugreifen. Wenn ein Bakteriophage auf sein Ziel trifft, injiziert er sein genetisches Material, entweder DNA oder RNA, in die Bakterienzelle. Die Produktion neuer Phagen im Inneren des Bakteriums führt zu einem Aufplatzen des Bakteriums sowie zur Freisetzung neuer Phagen. Diese Gruppe von Viren wurde in der klinischen Praxis zu Beginn des Anfang des 20. Jahrhunderts in die klinische Praxis eingeführt, konkurrierte jedoch von Beginn an mit der Antibiotika-Therapie. Die Phagen-Therapie hat dementsprechend eine lange Erfolgsgeschichte bei der Behandlung von Behandlung von Infektionen in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion und zeigt in der Synergie von Phagen und Antibiotika einen vielversprechenden Ansatz zur Verringerung der Antibiotikaresistenzen.
Im EPTC werden Patient*innen behandelt, die eine BT für verschiedene chronische bakterielle Infektionen erhalten. Die am häufigsten diagnostizierten Infektionen in der EPTC-Klinik sind Infektion des Urogenitalsystems, einschließlich CBP. Bei der Behandlung wird in der Regel eine vollständige Besserung der Hauptbeschwerden und die Eradikation der bakteriellen Infektion erreicht.
Fallbericht
Im Juni 2023 begab sich ein 65-jähriger Mann in die Behandlung des EPTC, wo die Ärzte die Diagnose CBP bestätigten. Seine Hauptbeschwerden waren Dysurie, erhöhtes und häufiges Wasserlassen, Harndrang und übelriechender Urin. Außerdem berichtete er von hohem Fieber und extremer Müdigkeit während akuter Infektionsschübe. Vor seinem Besuch im EPTC hatte der Patient eine niedrig dosierte Antibiotikatherapie (Sulfamethoxazol und Trimethoprim) über fünf aufeinanderfolgende Monate erhalten, ohne dass sich seine Symptome besserten. Bei dem Patienten wurde die CBP erstmals im April 2022 diagnostiziert. Er wurde in den USA aufgrund von Fieberschüben, Schüttelfrost, Körperschmerzen, Taubheitsgefühl in den Fingern und Brustschmerzen notversorgt. Die Infektion wurde auf Escherichia coli zurückgeführt (>1 x 105 KBE/ml), charakterisiert durch ESBL (Extended Spectrum Beta-Lactamase) und MDR (Multi-Drug-Resistant Organisms). Dem Patienten wurde Fosfomycin intravenös verabreicht, aber er zeigte eine schwere unerwünschte Reaktion auf das Medikament. Folglich wurde er für eine Dauer von sechs Wochen auf Bactrim (Sulfamethoxazol und Trimethoprim) umgestellt.
Vor dem Krankenhausaufenthalt wurde bei dem Patienten eine allmähliche Verschlechterung des Gesundheitszustands über acht Wochen, in denen die bakterielle Urinkultur durchweg negative Ergebnisse zeigte, festgestellt. Seitdem hatte er mehrere Episoden einer akuten bakteriellen Infektion, die letztendlich chronisch wurde. Der Urinkulturtest blieb positiv für E. coli-Infektion. Er erhielt eine Therapie mit mehreren Antibiotika, darunter Sulfamethoxazol und Trimethoprim, Fosfomycin, Penicillin und Levofloxacin. Die Dauer der der Antibiotikatherapie verkürzte sich allmählich bis zu dem Punkt, an dem der Patient die Therapie absetzte. Dabei bemerkte er, dass die Symptome innerhalb von 2-3 Tagen zurückkehrten.
Die Anamnese des Patienten ergab, dass er im Juli 2021 wegen einer abdominalen Obstruktion ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Nach Angaben des Patienten haben seine genitalen Probleme nach diesem Krankenhausaufenthalt langsam begonnen. Die im März 2023 im Eliava Analytic Diagnostic Center durchgeführten Urinkulturtests bestätigten eine E. coli Infektion mit einer Anzahl von >1 x 104 KBE/ml. Zusätzlich zeigte eine Spermakultur das Vorhandensein von E. coli (>5 x 106 KBE/ ml). Der aus dem Urin isolierte Bakterienstamm zeigte Resistenz gegen handelsübliche Phagenpräparate mit gemischter Zusammensetzung: Pyo-Phagen, Intesti-Phagen, Ses-Phagen und Enko-Phagen. Daher wurde die Entscheidung getroffen, einen für den Patienten spezifischen Bakteriophagen zu entwickeln.
Die lokale Behandlung wurde mit maßgeschneiderten Phagen vom 9. Juni bis zum 23. Juni 2023 durchgeführt. Während dieses Zeitraums ergab der Urinkulturtest Staphylococcus haemolyticus in einer Anzahl von 3 x 103 KBE/ml, die eine Empfindlichkeit gegenüber Pyo-Phagen sowie eine mittlere Empfindlichkeit gegenüber Intesti-, Fersisi-, Ses- und Enko-Phagen zeigten. Der Spermakulturtest blieb zu diesem Zeitpunkt negativ. Auf der Grundlage der Empfindlichkeitstests wurde beschlossen die folgende Kombinationstherapie durchzuführen:
• Pyo-Bakteriophage: 10 ml oral am Morgen.
• E. coli-Bakteriophage nach Maß: 10 ml oral am Abend.
• Ses-Bakteriophagen: rektales Zäpfchen einmal täglich.
• Bactrim-Antibiotikum: 160 mg zweimal täglich. (Die Dosierung und die Häufigkeit blieben seit Beginn der Phagenbehandlung unverändert)
Die Therapie wurde an 35 aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführt, gefolgt von einer zehntägigen Pause. Die nächsten beiden Runden der BT wurden über einen Zeitraum von 20 Tagen verabreicht, dazwischen wurde erneut eine zehntägige Pause eingelegt. Nach der ersten Runde der BT wurde in den USA ein Urinkulturtest wiederholt, der eine Keimzahl von bis zu 2,5 x 104 KBE/ml ergab. Nach Abschluss der BT-Behandlung wurden sieben Urinkulturtests durchgeführt, die jeweils negative Ergebnisse ergaben.
Während des gesamten Behandlungsprozesses wurde zudem die bakterielle Belastung des Sperma-Ejakulats und der Prostataflüssigkeit untersucht. Im November 2023 ergab die Kultur der Prostataflüssigkeit Enterococcus faecalis >5 x 105 KBE/ml. In diesem Monat, ohne Empfindlichkeitsprüfung, wurde die Entscheidung getroffen, eine Intesti-Phagen-Therapie in Kombination mit Levaquin durchzuführen. Intesti-Phage, der aktive Phagen gegen Enterococcus enthält, wurde in die in die USA versandt, und der Patient erhielt die folgenden folgende Anweisungen: 10 ml am Morgen und 10 ml am Abend per os für 20 Tage, mit einer 15-tägigen Pause zwischen jeder kurativen Periode. Dieser Zyklus wurde dreimal wiederholt. Tests, die im März 2024 im Diagnosezentrum Eliava durchgeführt wurden, ergaben eine E. faecalis-Spermienzahl von 5 x 103 KBE/ml und einen Urinkulturtest von weniger als 1 x 103 KBE/ml.
Der Rückgang der bakteriellen Belastung im Urin fiel mit der Besserung der klinischen Beschwerden des Patienten zusammen. In der Mitte des letzten 20-tägigen Zeitraums der BT-Behandlung einer E. coli-Infektion zeigte sich eine deutliche Verbesserung des Wohlbefindens des Patienten. Seit Juli 2024 ist der Patient zudem weiterhin symptomfrei. Während der gesamten Phagentherapie wurden keine allergischen Reaktionen oder unerwünschten Nebenwirkungen festgestellt.
Diskussion
Während die Analyse der Prostataflüssigkeit bei der Beurteilung der CBP wertvoll ist, sind Urinkulturen für die Patienten leichter zugänglich und bleiben für die Diagnose obligatorisch. Daher stützte sich die Bewertung des Gesundheitszustands des Patienten in erster Linie auf Urinkulturtests, ergänzt durch einige parallel durchgeführte Spermakulturtests, die parallel dazu durchgeführt wurden. Obwohl der Wert von Spermakulturtests bei Prostatitis angezweifelt wird, wurde in einer Studie auch eine Korrelation zwischen Prostata- und Spermakulturtests festgestellt.
Aus den Ergebnissen des Eliava Instituts ging E. coli als die Hauptursache der Infektion hervor. Die Verringerung der bakteriellen Infektion korrelierte mit der Besserung der klinischen Symptome. Da der Patient eine Kombinationstherapie aus Antibiotika und Phagen erhielt, ist es jedoch schwierig, die Verbesserungen einer Behandlung der anderen zuzuschreiben. Es ist jedoch klar, dass die alleinige Anwendung des Antibiotikums Bactrim über Monate hinweg keine klinische Verbesserung brachte und nur die Kombinationstherapie – Antibiotikum mit Bakteriophagen – sich als wirksam erwies, um positive Ergebnisse zu erzielen.
Die Bildung von bakteriellen Biofilmen hat schon immer eine erhebliche Herausforderung für die Wirksamkeit von Antibiotika dargestellt, insbesondere in Fällen, in denen E. coli bekanntermaßen zur Biofilmbildung Produktion beiträgt. Obwohl Antibiotika in der Regel die primäre Behandlung von CBP sind, kann ihre Wirksamkeit, insbesondere bei refraktären Infektionen, begrenzt sein. Die Biofilmbildung durch verschiedene Erreger wie Staphylococcus spp, Enterococcus spp, E. coli, Enterobacteriaceae und Pseudomonas aeruginosa ist außerdem weit verbreitet und stellt ein immer größer werdendes Problem dar.
In Anbetracht dieser Herausforderung ist der kombinierte Einsatz von Phagentherapie und Antibiotika eine praktikable Option für die Behandlung von CBP, da sich Phagen und von Phagen produzierte Enzyme als potenzielle Wirkstoffe für die Biofilm-Penetration erwiesen haben. Außerdem ist der kombinierte Einsatz von Phagen und Antibiotika nicht nur gegen die Biofilm-Penetration vielversprechend, sondern auch zur Verringerung des Risikos einer Phagenresistenzentwicklung. Diese Kasuistik ist somit ein Beispiel für die Bedeutung des Einsatzes von Phagen in Fällen, in denen eine schwere Resistenz gegen Antibiotika besteht, und zeigt das Potenzial der Synergie von Phagen und Antibiotika.
Quelle: Nadareishvili L et al. Resolution of Chronic Bacterial Prostatitis with Bacteriophage-antibiotic Therapy. Int J Clin Virol. 2024; 8(2): 026-030. doi.org/10.29328/journal.ijcv.1001059