Aktuell Derma

Lehrreiche Fälle aus dem Praxisalltag

In der Praxis müssen histologische und klinische Befunde stets abgeglichen werden und zusammenpassen. Wenn das nicht der Fall ist, sollte der Befund neu überdacht und ggf. eine Rebiopsie (ggf. tiefer) durchgeführt sowie eine histologische Konsiliar-Meinung eingeholt werden, so der Rat von Dr. med. Arno Rütten, Hautarzt in Friedrichshafen, bei einem Symposium im Rahmen der 28. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Histologie (ADH).

Ekkrin angiomatöses Hamarton

Prof. Dr. med. Almut Böer-Auer, Fachärztin für Dermatologie in Hamburg, schilderte ein Fallbeispiel einer 65-jährigen Patientin mit Biopsie vom Rücken mit Verdacht auf ein ekkrin angiomatöses Hamarton (EAH). Die klinischen Merkmale des EAH geben Hinweise, müssen aber aufgrund seiner polymorphen Erscheinungs- formen (Knoten oder Plaque) durch eine histologische Untersuchung bestätigt werden. Typischerweise ist das EAH gutartig und wächst eher langsam. Neben einer geringen epidermalen Hyperplasie fallen dermale Gefäßproliferate mit umgebenden Muzineinlagerungen auf. Das histologische Präparat zeigte eine verbreiterte Epidermis mit granulöser basaler Hyperpigmentierung, Lichen simplex, seborrhoische Keratose (mechanisch irritiert). Beim ekkrin angiomatösen Hamarton treten Hautveränderungen meist an der unteren Extremität (akral) auf, mit ausgeprägter, differenzierter ekkriner Komponente auch mit glandulären Anteilen, nicht nur duktalen.

Leucoderma syphiliticum

Ein anderer Fallbericht betonte die Notwendigkeit für Kliniker, ein erhöhtes Bewusstsein für die vielfältigen und ungewöhnlichen klinischen Phänotypen der Syphilis zu haben. Leucoderma syphiliticum ist charakterisiert durch gut abgegrenzte hypochrome Flecken (Stadium L II, rund, oval), die über den Stamm, Flanken, Gesicht und Extremitäten verstreut sind. In der Histologie zeigt sich eine epidermale Hypomelanose, so Dr. med. Dieter Krahl, Hautarzt in Heidelberg. Prof. Mosaad Megahed, Oberarzt an der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Uniklinik RWTH Aachen, präsentierte den Fall eines drei Monate alten Mädchens, das mit exfoliativer Erythrodermie und Verdacht auf Omenn-Syndrom konsiliarisch überwiesen wurde. Das Kind hatte Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Gedeihstörungen mit chronisch blutigem Durchfall und Gewichtsverlust. Typische Labor-Kennzeichen sind Hypereosinophilie, Hypoalbuminämie, Hypogammaglobulinämie, T-Zell Lymphozytose, hohe IgE-Spiegel und Mangel an zirkulierenden B-Zellen.

Früherkennung Omenn-Syndrom

Eine molekulargenetische Analyse zeigte eine Mutation im RAG1 und bestätigte die Verdachtsdiagnose auf Omenn-Syndrom. Da die Erkrankung potenziell tödlich ist, wurde eine allogene Nabelschnurbluttransplantation durchgeführt. Die Rückbildung der Erythrodermie und eine Verbesserung der Laborbefunde erfolgte nach Transplantation und war auch nach vollständigem Absetzen der immunsuppressiven Therapie stabil.

Das Omenn-Syndrom ist eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung mit Mutationen der rekombinationsaktivierenden Gene 1 und 2 (RAG-1/RAG-2), die für die Interleukin-7RA-Kette (IL7RA) kodieren. Laut Megahed kommt ein Omenn-Syndrom bei infantiler Erythrodermie immer dann in Betracht, wenn die Haut-Histologie eine Akanthose mit dyskeratotischen Keratinozyten und eosinophiler Exozytose sowie vakuolige Degeneration der Basalmembranzone (BMZ) und lymphozytäres Infiltrat mit zahlreichen Eosinophilen zeigt.

Quelle: Wissenschaftliche Sitzung „Mein lehrreichster Fall“ im Rahmen der 28. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Histologie, 25. September 2021