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NiSV – jetzt erst recht?

Interview mit Astrid Tomczak, München

Kaum eine gesetzliche Änderung der letzten Jahre hat den Kosmetik- und Ästhetikmarkt so durcheinandergewirbelt wie die NiSV. Die Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung beim Menschen ist unter Federführung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) erarbeitet worden. Und das war kein einfacher Prozess: Unter der Einflussnahme verschiedener Interessenvertreter aus den Bereichen der Kosmetik, Ärzteschaft und von Geräteherstellerseite wurde jahrelang zäh um einen Kompromiss gerungen. Nachdem sich die Regelung nun etwas mehr als 2 Jahre im „Realitätscheck“ befindet, zeigt sich deutlicher Nachbesserungsbedarf. Das BMUV hat daher einen Referentenentwurf veröffentlicht, den wir uns gemeinsam mit Medizin- consultant Astrid Tomczak LL.M. (Pharmarecht) angesehen haben.

Frau Tomczak, welche Lücken oder Fehlentwicklungen haben sich seit Inkrafttreten der NiSV aufgetan?

Astrid Tomczak

Astrid Tomczak: Das Ministerium und auch die Vollzugsbehörden haben im Rahmen der Marktbeobachtung Zweifel an der Qualität mancher Fachkundeschulungen verlauten lassen. Der Erwerb der Fachkunde ist und
bleibt ein zentrales Anliegen der Verordnung. Bis dato waren keine Kontrollen von Schulungsanbietern vorgesehen. Auf Wunsch von Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmern und auf Wunsch der Länder wurde im März 2020 ein freiwilliges Verfahren, unter anderem mit Anerkennungen von Schulungsanbietern, eingeführt. Die an das Verfahren gestellten Erwartungen wurden nicht erfüllt. Das freiwillige Anerkennungsverfahren hat nicht die notwendige Resonanz unter den Schulungsanbietern gefunden. Dadurch hat sich ein Gefälle nicht nur qualitativer, sondern auch preislicher Natur entwickelt. Dies führte dazu, dass nicht anerkannte Schulungsanbieter die Fachkundekurse günstiger angeboten, dabei aber nicht immer die entsprechenden Anforderungen an das Schulungspersonal, die Ausstattung und die Lerninhalte erfüllt haben. Als Folge war der Kenntnisstand der Schulungsteilnehmer sehr unterschiedlich.

Schulungen, deren Eignung zumindest zweifelhaft ist oder die sogar eindeutig ungeeignet sind, führen letztlich zu fehlerhaften Schulungsnachweisen, die in der Praxis so lange Bestand haben, bis dies seitens der Vollzugsbehörden aktiv beanstandet wird. Da systemimmanente Kontrollen bisher nicht vorgesehen waren, besteht in solchen Fällen eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Personen mit fehlender oder fehlerhafter Fachkunde über längere Zeiträume nicht-ionisierende Strahlung anwenden und damit ein Risiko für die Gesundheit der Verbraucher*innen darstellen. Aber wie es der spanische Philosoph José Ortega y Gasset einmal so schön formuliert hat: „Überraschung und Verwunderung sind der Anfang des Begreifens“. Das BMUV hat nun reagiert und plant, die entsprechenden Vorschriften zu verschärfen.

Wie sieht das geplante neue Verfahren aus?

Astrid Tomczak: Der Verordnungsgeber hat dafür einen neuen Paragrafen – den § 4a – in die NiSV eingefügt. Grundsätzlich wird die Fachkunde durch den Besuch einer geeigneten Schulung erworben, welche durch ein Zertifikat bestätigt wird. Die Zertifizierung setzt eine erfolgreiche Prüfung über die zu zertifizierende Fachkunde voraus (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 NiSV). Nach dem Änderungsentwurf darf diese Prüfung und die Ausstellung eines Zertifikats nurmehr durch eine gemäß DIN EN ISO/IEC 17024 (Ausgabe November 2012) akkreditierte Konformitätsbewertungsstelle erfolgen. Die Konformitätsbewertungsstelle muss von einer nationalen Akkreditierungsstelle im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 akkreditiert worden sein. Darüber hinaus gilt eine Fachkundeschulung nach dem Willen des Referentenentwurfs in Zukunft nur dann als geeignet, wenn der Schulungsanbieter durch eine akkreditierte Konformitätsbewertungsstelle anerkannt ist. Diese Anerkennung ist von den Behörden dann zu erteilen, wenn der Schulungsanbieter über eine ordnungsgemäße Schulungsorganisation verfügt und die angebotenen Schulungen die Anforderungen an die Inhalte der Fachkunde nach § 4 Absatz 2 und Anlage 3 NiSV erfüllen. Außerdem müssen die Anforderungen an Umfang und Strukturierung der Schulungen nach Anlage 3 NiSV gegeben sein. Die Anerkennung des Schulungsanbieters kann dabei für alle oder nur für einzelne Module erteilt werden, gilt für drei Jahre und kann danach in einem vereinfachten Verfahren erneuert werden. Die zertifizierten Schulungsanbieter können bei der jeweiligen Konformitätsbewertungsstelle auf deren Internetseite recherchiert werden. Die Fachkundezertifikate der Schulungsteilnehmer gelten nach wie vor 5 Jahre. Sie müssen dann mit einer geeigneten Aktualisierungsschulung und erneuter Prüfung aufgefrischt werden.

Welche sonstigen Änderungen sind vorgesehen?

Astrid Tomczak: Auch die Bestimmungen zur Dokumentation der durchgeführten Behandlungen mit NiSV-relevanten Technologie werden nochmals verschärft. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 Buch- stabe d) muss nun der individuelle Behandlungsplan einschließlich der verwendeten Anlage und die individuelle Situation, die zur Festlegung der relevanten Behandlungsparameter geführt hat, festgehalten werden. Außerdem hat der Betreiber der Anlage (zum Beispiel die Arztpraxis oder das Kosmetikinstitut) sicherzustellen, dass die Beratung und Aufklärung mit einem Beratungsprotokoll dokumentiert wird und dass sich die zu behandelnde Person auf dieser Grundlage mit der Durchführung der Anwendung einverstanden erklärt hat. Das Beratungsprotokoll und die Einverständniserklärung sind im Betrieb vorzuhalten und drei Jahre ab dem Tag der Dokumentation aufzubewahren. Am Tag nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist sind diese zu löschen. Bei Speicherung in elektronischer Form kann die Löschung automatisiert erfolgen (§ 3 Abs. 2 Satz 3 und 4 NiSV).

Wann soll die geänderte Verordnung in Kraft treten?

Astrid Tomczak: Der Bundesrat hat der Verordnungsänderung bereits zugestimmt. Das Inkrafttreten erfolgt am Tag nach der Verkündung. Allerdings sollen die neuen Regelungen zum Erwerb der Fachkunde erst zum 31.12.2023 gelten. So haben die Betroffenen Zeit, sich an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen.

Welche Regelungen gelten für angestellte Kosmetikerinnen in Arztpraxen?

Astrid Tomczak: Entgegen sich hartnäckig haltender Gerüchte gelten für angestellte Kosmetikerinnen in Arztpraxen die gleichen Vorgaben wie für Kosmetikinstitute. Die Verordnung unterscheidet nicht, sondern möchte, dass jeder, der mit NiSV-relevanten Technologien arbeitet, die Fachkundeprüfung ablegt. Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 NiSV. Danach muss der Be- treiber der Anlage (also in diesem Fall der Arzt) sicherstellen, dass die Person, die die Anlage bedient, über die erforderliche Fachkunde nach den einschlägigen Vorgaben der NiSV verfügt. Das ärztliche Delegationsrecht wird hier insofern eingeschränkt. Auch eine entsprechende Rückfrage beim zuständigen Referenten des BMUV hat diese Rechtsauffassung bestätigt. Das bedeutet, dass Arzthelferinnen, Kosmetikerin- nen oder sonstige Angestellte in der Arztpraxis, die mit Lasern, Ultraschallgeräten etc. arbeiten, die entsprechenden Fachkundeschulungen besuchen und nach 5 Jahren wieder aktualisieren müssen. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit bis zu € 50.000 Strafe geahndet werden kann.

Sehr geehrte Frau Tomczak, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte S. Höppner.