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Superorganismus Mensch – Interaktionen des Hautmikrobioms

Die Vielfalt des Mikrobioms ist beinahe unfassbar groß, erläuterte Prof. Dr. Dr. André Gessner, Facharzt für Medizinische Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Molekularbiologe und Fachimmunologe in Regensburg, bei einem Symposium im Rahmen der diesjährigen DERM. Neben Bakterien und Viren zählt auch die Meiofauna aus Protozoen (Einzeller/Archaeen) und Pilze zum Superorganismus Mensch.

Rege Forschungstätigkeiten auf diesem Gebiet identifizierten zum Beispiel wichtige Eigenschaften des Darmmikrobioms für die menschliche Gesundheit. Kompositorische und funktionelle Veränderungen dieses mikrobiellen Ökosystems korrelieren mit einer Vielzahl von menschlichen Erkrankungen. Die genauen Mechanismen und die klinische Relevanz von Mikrobiomveränderungen auf die Krankheitsanfälligkeit sind erst ansatzweise verstanden und die Medizin ist noch nicht soweit, gezielte mikrobielle Intervention im klinischen Alltag einzusetzen. [1]

Schützt die Hautbarriere

Das Hautmikrobiom ist ein eigenes Ökosystem, das je nach Körperregion sehr unterschiedlich zusammengesetzt ist. Das Mikrobiom interagiert ständig mit der Umgebung, einschließlich anderer Mikroben, sowie mit Wirtsepithel- und Immunzellen. Hautmikrobiota fördern Abwehr- und Immunantworten, hemmen die Besiedlung und Infektion durch opportunistische oder pathogene Organismen und fördern die Gewebereparatur und Barrierefunktion. Zum Beispiel produziert das Hautbakterium Cutibacterium acnes (C. acnes) Lipasen, die Talglipide abbauen können, so dass es die resultierenden Fettsäuren als Nährstoffe nutzen kann. Diese Fettsäuren säuern auch die Hautoberfläche und schaffen dadurch eine Umgebung, die die Besiedlung durch exogene Mikroorganismen hemmt.

Fördert die Wundheilung

Weitere auf der Haut verfügbare Nährstoffe sind Salze aus Schweißdrüsen sowie Zelltrümmer, die reich an Proteinen und Lipiden sind und beispielsweise beim Ablösen der verhornten Schicht der Epidermis durch einen Prozess der terminalen Differenzierung entstehen. Damit liefert die Haut mit Lipiden, Salzen und Zelltrümmern ausreichende Nährstoffe für das Überleben insbesondere für diejenigen Mikroben, die an die speziellen Bedingungen der Haut angepasst sind. [2]

Das Mikrobiom unterstützt das Immunsystem bei der Reparatur und Regeneration der Haut, z.B. bei der Wundheilung und wundinduzierten Haarfollikel-Neogenese. Körpereigene entzündliche Zytokine wie IL-1β und Keratinozyten-abhängige IL-1R-MyD88-Signalwege sind daran beteiligt, die Regeneration mit Hilfe von Bakterien zu triggern, schilderte Gessner. [3]

Probiotika als sinnvolle Ergänzung

Lokale Verschiebungen in der Zusammensetzung (kutane Dysbiose) können die Hautbarriere schädigen und die Entstehung von Dermatosen wie Akne, atopischer Dermatitis (AD) und chronischen Wunden fördern, so Gessner. [3] Behandlungsoptionen der AD umfassen topische Basispflegepräparate sowie topische oder systemische antiinflammatorische Therapien, die im Rahmen von multi-modalen Therapiekonzepten mit der Verabreichung von Probiotika sinnvoll ergänzt werden können, so die Einschätzung von Gessner.

Quelle: Vortrag „Die Rolle des dermalen Mikrobioms bei atopischer Dermatitis aus mikrobiologischer Sicht – Was wissen wir, was nicht?“ von Prof. Dr. Dr. André Gessner im Rahmen der DERM 2021

Literatur

1. Buttó LF, Haller D. J Allergy Clin Immunol. 2017; 139(4):1092-1098.

2. Flowers L, Grice EA. Cell Host Microbe. 2020; 28(2):190-200.

3. Wang G, Sweren E, Liu H, et al. Cell Host Microbe. 2021;29(5):777-791.e6.