Aktuell Derma

Vorher-nachher-Bilder: Die Rechtslage für die Ästhetische Medizin in Deutschland

Interview mit Astrid Tomczak, München

Vorher-nachher-Bilder sind eine großartige Möglichkeit, um Ergebnisse ästhetischer Behandlungen darzustellen. Getreu dem Motto: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ werden sie daher gerne in verschwenderischem Umfang im Rahmen digitaler und analoger Werbeformen eingesetzt. Was dabei jedoch immer wieder gerne vergessen wird: Ihr Einsatz ist durch die Regelungen des Heilmittelwerberechts gesetzlich streng normiert und daher nur in einem eng umschriebenen Rahmen möglich. Mit Medizinconsultant Astrid Tomczak LL.M. (Pharmarecht) haben wir uns ausführlich über dieses spannende Thema unterhalten.

DISKURS Dermatologie: Frau Tomczak, welche Regelung gibt es für die Verwendung von Vorher- nachher-Bildern in der Werbung?

Astrid Tomczak: Die gesetzliche Grundlage für die Verwendung von Vorher-nachher-Bildern in der Ästhetischen Medizin findet sich im Heilmittelwerbegesetz und dort in § 11 Abs. 1 S. 3 HWG: „Ferner darf für die […] operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe nicht wie folgt geworben werden: 1. mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff.“ Unstrittig ist daher seit langem, dass vergleichende bildliche Darstellungen z.B. von Nasenoperationen, Brustvergrößerungen oder Fettabsaugungen in Deutschland verboten sind. Dieses Verbot bezieht sich allerdings immer nur auf die Fälle, die rein ästhetischer Natur sind und die in der Außenwerbung gegenüber dem Patienten gezeigt werden.

DISKURS Dermatologie: Und wie verhält es sich bei vorher-nachher-Bildern aus dem Bereich der klassischen Medizin?

Astrid Tomczak: Wird die besagte Nasenkorrektur zum Beispiel an einem Unfallopfer durchgeführt und hier im Sinne einer Wiederherstellung operiert, kann das Vorher-nachher-Bild unter bestimmten Voraussetzungen für werbliche Zwecke eingesetzt werden. Dazu darf die Darstellung nicht missbräuchlich, abstoßend oder irreführend sein. Diese drei Parameter sind leider relativ schwer zu greifen und bedürfen jeweils einer Auslegung im konkreten Einzelfall. Eine Darstellung ist dann als missbräuchlich zu verstehen, wenn sie gravierende, übertriebene und unausgewogene Wiedergaben zeigt. Dies kann zum Beispiel dann zutreffen, wenn die Person vor dem Eingriff in einem besonders schlechten und nach dem Eingriff in einem besonders guten Zustand gezeigt wird. Eine abstoßende Darstellung stellt nicht unbedingt auf einen ästhetischen Aspekt derselben ab. Was als abstoßend vermutet wird, sind emotional alarmierende Bilder, die in der Folge beim Betrachter besondere Besorgnis, Angstgefühle oder eine Traumatisierung hervorrufen können. Das Kriterium der Irreführung stellt beispielsweise auf die gezeigte therapeutische oder diagnostische Wirksamkeit ab. Irreführend kann eine Darstellung danach dann sein, wenn die ausgelobten Wirkungen einer Behandlungsmethode oder eines Produkts tatsächlich nicht oder nicht hinreichend vorhanden sind.

DISKURS Dermatologie: Gibt es in der Schweiz und in Österreich auch ein Verbot von Vorher-nachher-Bildern?

Astrid Tomczak: In Österreich und der Schweiz stellt sich die rechtliche Situation nicht anders dar. Schweizer Ärzte dürfen genauso wie ihre österreichischen und deutschen Kollegen keine Vorher-nachher Bilder von ästhetischen Behandlungen zeigen. Ihnen ist es allen gemeinsam nur im direkten Patientenkontakt bzw. in den Praxisräumen gestattet, Vorher-nachher Bilder zu präsentieren. Die Idee eines deutschen Chirurgen, potenziellen Patienten online Zugang zu einer Bilddatenbank zu ermöglichen, wurde vom OLG Koblenz als unzulässig verboten (OLG Koblenz Urteil vom 8.6.2016, Az. 9 U 1362/15). Die Patienten konnten sich für eine Website registrieren, die zugangsbeschränkt Vorher-nachher-Bilder präsentierte. Diese Vorgehensweise verstößt nach Auffassung des Gerichts trotz des passwortgeschützten Zugangs und des bereits vorab geführten Beratungsgesprächs gegen die Vorgaben des Heilmittelwerberechts.

Einige in Deutschland niedergelassene Ärzte sind auch im Ausland ärztlich tätig. So kam bei manch einem die Idee auf, das deutsche Verbot durch Postings von Vorher-nachher-Bildern auf sozialen Medien aus
dem Ausland zu umgehen. Hier hat der BGH bereits 2010 entschieden, dass für geschäftliche Handlungen gegenüber Endverbrauchern aus dem Ausland das sogenannte Marktort-Prinzip gelten soll. Für Werbung auf sozialen Medien kommen zunächst grundsätzlich alle Staaten als Marktort in Betracht, da diese Inhalte weltweit abgerufen werden können. Um die Wettbewerbsfreiheit nicht zu stark einzuschränken, ist der Kreis der anwendbaren Rechte auf den Gesichtspunkt der Spürbarkeit einzuschränken. Nach diesem kommen als Marktorte nur Staaten in Betracht, in denen die ganze oder doch ein nicht unwesentlicher Teil der Bevölkerung bestimmungsgemäß oder gezielt als mögliche Kunden angesprochen werden. Vielfach kann eine Eingrenzung schon aufgrund der im Internetauftritt verwendeten Sprache vorgenommen werden. Wer also Vorher-nachher-Bilder mit deutschsprachigen Beschreibungen aus dem Ausland postet, muss sich evtl. mit Abmahnungen aus Deutschland beschäftigen.

DISKURS Dermatologie: In UK und anderen Ländern ist ja kein solches Verbot in Kraft. Was war die Intention des deutschen Gesetzgebers?

Astrid Tomczak: Bei der Vorschrift aus dem deutschen Heilmittelwerbegesetz handelt es sich um ein sogenanntes abstraktes Gefährdungsdelikt. Ein abstraktes Gefährdungsdelikt stellt ein generell gefährliches Verhalten, hier das Zeigen von Vorher-nachher-Bildern, unter Strafe. Die Überlegungen, die zu dieser Vorschrift geführt haben, beruhen also auf einem Schutzgedanken. Der medizinische Laie soll vor einer unsachlichen, suggestiven Beeinflussung bewahrt werden. Dieser Aspekt stellt sich in verschiedenen Ausprägungen dar.

Zunächst geht es einmal darum, dass der Wahrheitsgehalt solcher bildlichen Darstellungen für den Laien nicht überprüfbar ist. Es besteht also die Gefahr, dass Erwartungen in Bezug auf mögliche Ergebnisse geweckt werden, die weder in der Realität noch im speziellen Einzelfall realisierbar sind. Des Weiteren soll übereilten Entscheidungen für plastisch-chirurgische Eingriffe vorgebeugt werden. Es handelt sich um medizinisch nicht notwendige Behandlungen mit einem teilweise nicht unerheblichen Risikoprofil. Nach der Ansicht des Gesetzgebers soll daher schonungslos über alle Aspekte wie Komplikationen, evtl. ausbleibenden Behandlungserfolg usw. aufgeklärt und das Risikobewusstsein beim Patienten nicht durch „schöne Bilder“ beeinflusst werden.

Wichtig zu wissen ist, dass es für eine evtl. Strafe bei Zuwiderhandlung keine Rolle spielt, ob am Ende auch tatsächlich eine Gefahr durch die verbotene Handlung entstanden ist.

DISKURS Dermatologie: Welche Behandlungen werden von der Vorschrift erfasst?

Astrid Tomczak: Im Tatbestand sind verschiedene Voraussetzungen genannt. Es muss sich um einen nicht krankheits- bezogenen, instrumentellen Eingriff handeln, der eine gewisse Intensität hat und nicht lediglich die Hautoberfläche erfasst. Das Ziel der Behandlungen ist eine Form- oder Gestaltveränderung an den Organen oder der Hautoberfläche. Unzweifelhaft sind daher alle klassischen plastisch-ästhetischen Eingriffe von der Vorschrift erfasst. Einige Zeit war jedoch unklar, inwiefern Unterspritzungen mit Hyaluronsäure unter das Verbot fallen. Das Landgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 03.08.2021, Az. 3-06 O 16/21) hat hierzu mit seinem Mitte letzten Jahres ergangenen Urteil für mehr Klarheit gesorgt.

Die Beklagte, eine Gruppe von Behandlungszentren für Ästhetische Medizin, zeigte Vorher-nachher-Bilder ihrer Patienten. Hierbei handelte es sich nicht um operative Eingriffe, sondern um Unterspritzungen mit Hyaluronsäure an Wangen, Nase, Lippen und Kinn. Das Landgericht bejahte dennoch einen Verstoß gegen§11Abs.1S.3Nr.1 HWG. Die Richter nahmen an, dass ein operativer plastisch-chirurgischer Eingriff bereits dann vorliege, wenn durch die eingesetzten Instrumente die Form und Gestalt an den Organen bzw. den Körperoberflächen verändert wird. Es genügt also bereits eine Spritze mit Hyaluronsäure, die anschließend in die Lippen oder Wangen injiziert wird, um den Verbotstatbestand zu erfüllen.

DISKURS Dermatologie: Sehr geehrte Frau Tomczak, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte S. Höppner.