Aktuell Diskurs

ADO-Kongress 2021: Präsent in Hamburg, hybrid im Internet – Update zu Diagnostik und Therapie von Hautkrebs

Interview mit Dr. med. Peter Mohr (Buxtehude)

Der ADO-Kongress verspricht lebhafte Diskussionen: In einem Hybridformat übertragen die Organisatoren Vorträge, Moderationen und Diskussionsrunden live aus Studios in Hamburg. Als gemeinsame Veranstalter bieten die Arbeits- gemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO), die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) und die Deutsche Dermatologi- sche Gesellschaft (DDG) vom 8.–11. September 2021 auf der digitalen Plattform www.ado-kongress-digital.de ein breit gefächertes Programm zu aktuellen Entwicklungen und Therapieoptionen rund um die verschiedenen Formen von Hautkrebs. Die wissenschaftliche Tagung wird durch das Industrieforum Hautkrebs begleitet: www.industrieforum-hautkrebs.de.

Wir sprachen mit Tagungspräsident Dr. med. Peter Mohr, Chefarzt der Klinik für Dermatologie und Leiter des Hautkrebs- zentrums am Elbeklinikum Buxtehude, darüber, was die Teilnehmer im Netz beim ADO-Kongress 2021 erwartet.

 DISKURS Hautkrebs:

Herr Dr. Mohr, wie werden die Teilnehmer im neuen Hybridformat in den wissenschaftlichen Austausch einbezogen?

Dr. Mohr:

Wir haben ein sehr spannendes und technisch anspruchsvolles Format gewählt und bieten vier parallele Sitzungen während des Hautkrebskongresses an. Von den Vorsitzenden und Hauptvortragenden der einzelnen Symposien werden viele vor Ort sein. In zwei von den vorhandenen Studios wird direkt live gesendet und in zwei weiteren Studios werden die vorher eingespielten Vorträge dann gemeinsam live diskutiert. Die Masse der Teilnehmer wird jedoch zu Hause vor dem Rechner sitzen und die Veranstaltung hier verfolgen, sich aber auch mit der Chatfunktion des Programms direkt an der Diskussion beteiligen können. Ein großer Vorteil dieses Formats ist es, dass wir einen Teil der Vorträge auch hinterher on demand anbieten können, sodass verpasste Symposien zu einem späteren Zeitpunkt angeschaut werden können.

DISKURS Hautkrebs:

Was sind Ihre persönlichen Highlights beim Live-Stream aus Hamburg?

Dr. Mohr:

Die Highlights für mich sind die Keynote Lectures mit exzellenten Vorträgen zu den neuesten Entwicklungen beim Hautkrebs, aber auch zu Themen der Grundlagenwissenschaft und der translationalen Forschung. Hinzu kommen wirklich spannende Symposien der Industrie und auch die eingereichten Symposien der befreundeten Fachgesellschaften bieten ein so umfangreiches und tolles Programm, dass man gerne mindestens bei 2-3 Sitzungen parallel dabei sein möchte.

DISKURS Hautkrebs:

Bei der Therapie von Melanomen gab es in den letzten Jahren spannende Entwicklungen hin zur adjuvanten und neoadjuvanten Therapie. Wie geht die Reise weiter?

Dr. Mohr:

Die enormen Erfolge in der metastasierten Situation des Melanoms mit zielgerichteter Therapie (BRAF- + MEK-Inhibitoren) und besonders auch der Immuntherapie sind inzwischen auch in der adjuvanten Behandlung des Melanoms mit Lymphknotenmetastasen zum Standard geworden. Ein ganz wesentlicher Faktor ist die Weiterentwicklung dieser Substanzen und die Resistenzforschung und eines der Konzepte hierfür ist es, neue innovative Substanzen in der neoadjuvanten Therapie einzusetzen. Diese neoadjuvante Behandlung ist jedoch noch kein Standard und es gibt bis jetzt noch keine für diese Indikation zugelassenen Substanzen.

Sehr positiv ist jedoch, dass auf der Basis von PD-1-Inhibitoren inzwischen eine ganze Reihe von Kombinationstherapien aufgebaut werden, die sich zur Zeit in Phase-2- und Phase- 3-Studien befinden. Angesichts der Ergebnisse, die bis jetzt vorliegen, bin ich mir sicher, dass wir in den nächsten 1-2 Jahren weitere Zulassungen in der Kombinationstherapie beim metastasierten malignen Melanom bekommen werden. Die individualisierte Therapie der Patienten ist jedoch immer noch weitestgehend ein Zukunftstraum.

DISKURS Hautkrebs:

Beim weißen Hautkrebs und bei aktinischen Keratosen gibt es so viele neue Therapieoptionen, dass die aktuelle Leitlinie schon wieder überarbeitet wird. Was ist hier Ihre größte Herausforderung, was Ihre größte Hoffnung für die Praxis?

Dr. Mohr:

In der Tat geht die Entwicklung hier so rasch voran, dass man fast Schwierigkeiten hat, mit den konsentierten Leitlinien Schritt zu halten. Wir werden also in diesem Jahr auch neue Substanzen und Anwendungsmöglichkeiten bei aktinischen Keratosen bekommen, sodass hier ein sehr breites Behandlungsangebot zur Verfügung steht. Beim weißen Hautkrebs ist natürlich die Operation nach wie vor der Standard, jedoch haben sich in den letzten Jahren beim fortgeschrittenen und metastasierten Basalzellkarzinom wie auch beim metastasierten oder fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinom und Merkelzellkarzinom enorme Fortschritte ergeben. Für die Systemtherapie des BCC gab es ja schon seit einigen Jahren die so genannten Hedgehog-Inhibitoren, die sehr erfolgreich eingesetzt werden können. Hinzugekommen ist kürzlich die Zulassung für einen PD-1-Inhibitor in dieser Indikation. Auch beim fortgeschrittenen bzw. metastasierten Plattenepithelkarzinom und beim metastasierten Merkelzellkarzinom haben wir inzwischen zugelassene PD-1-Inhibitoren mit Ansprechraten um etwa 50%, die zu einem großen Teil über Jahre anhalten. Hier wird es auch weiter in Richtung Kombinationstherapie und der Entwicklung adjuvanter Behandlungskonzepte gehen.

DISKURS Hautkrebs:

Welche therapeutischen Innovationen haben Ihren Behandlungsalltag in letzter Zeit am meisten geprägt oder auch verändert?

Dr. Mohr:

Mein Behandlungsalltag ist eigentlich am meisten von der Fülle der zum Teil ja noch recht neuen Therapiemöglichkeiten geprägt! Bei den fortgeschrittenen Tumorerkrankungen kann zwischen Strahlentherapie, Operation, zielgerichteter Therapie, Immuntherapie, kombinierter Immuntherapie und Studienteilnahme gewählt werden und so ist häufig die Wahl der jeweiligen Therapiestrategie bei dem einzelnen Patienten die Herausforderung. Wenn wir von prägenden Innovationen sprechen, würde ich in der Dermato-Onkologie nach wie vor die Vielzahl der neuen Therapiestudien hervorheben und dass ich von der Interaktion der Grundlagenforschung, translationalen und klinischen Forschung begeistert bin. Dass dies jetzt nicht nur beim Melanom, sondern auch bei den epithelialen Hautkrebsarten der Fall ist, macht unser Fach extrem spannend.

DISKURS Hautkrebs:

Kommen die Patienten nach der Coronapause nun wieder regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen und zum Hautkrebsscreening in die Praxen und Kliniken?

Dr. Mohr:

Wir hatten im letzten Jahr bis in den Oktober hinein in der Tat eine deutliche Reduzierung der Teilnahme am gesetzlichen Haut- krebsscreening. Im März und April waren das bis zu 30-40% weniger Hautkrebsscreening-Untersuchungen in den Praxen. Auch in den Monaten danach war die Anzahl der Screening-Patienten immer noch deutlich reduziert gegenüber dem Jahr 2019. Aus 2021 habe ich noch keine aktuellen Zahlen, aber mit der fortschreitenden Impfkampagne und den sinkenden Infektionszahlen normalisiert sich meinen Eindrücken nach die Situation in der Praxis jetzt wieder. Wir haben allerdings als Folge von Corona 2020 deutlich dickere Melanome gesehen als in den Jahren davor.

DISKURS Hautkrebs:

Sie haben in Hamburg und in Melbourne studiert: Wie vermitteln Sie Nordlichtern, dass der Sonnenschutz in Hamburg heute genauso wichtig ist wie in Australien?

Dr. Mohr:

Die Zahlen aus Nordeuropa und aus Australien sprechen ja für sich. Mit einem relativ konsequenten Lichtschutz haben es die Australier in den letzten Jahren geschafft, die Inzidenzrate des Melanoms zu stabilisieren oder sogar leicht zu reduzieren. In Deutschland haben wir hingegen den Eindruck, dass insbesondere der epitheliale Hautkrebs weiter deutlich zunimmt. In weiten Teilen der Bevölkerung ist aber, glaube ich, inzwischen auch angekommen, dass sich ein vernünftiger Lichtschutz über die Jahre hinweg auszahlt. Da insbesondere der epitheliale Hautkrebs eine echte Volkserkrankung geworden ist, ist die Vermittlung der Unabdingbarkeit des Sonnenschutzes auch hier im Norden inzwischen deutlich leichter als noch vor 10 Jahren.

DISKURS Hautkrebs:

Was nehmen Sie aus den letzten Monaten der Pandemie an positiven Erkenntnissen mit in die Zukunft?

Dr. Mohr:

Dass wir in Deutschland ein tolles Gesundheitssystem haben. Dass wir es – zumindest in unserer Klinik – auch geschafft haben, sehr fruchtbar interdisziplinär zusammenzuarbeiten. Dass wir mit den mRNA-Impfstoffen ein ganz neues Fenster in der Behandlung von Erkrankungen geöffnet haben – und zu diesen Erkrankungen werden in Zukunft wahrscheinlich auch die Krebserkrankung gehören.

Ich denke, in der Pandemie ist bei weiten Teilen der Bevölkerung und auch in der Politik das Bewusstsein dafür geschärft worden, dass Forschung und Entwicklung in der Medizin für die Gesellschaft wichtig sind und nicht nur einen reinen Kostenfaktor darstellen. Darüber hinaus gab und gibt es ganz viele persönliche Geschichten des Zusammenhalts und des Einanderhelfens, welche wir hier erleben konnten.

DISKURS Hautkrebs:

Sehr geehrter Herr Dr. Mohr,
vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte K. Dürringer.