Aktuell Diskurs

„Die Dermatologie eignet sich hervorragend für telemedizinische Anwendungen“

Interview mit Dr. med. Klaus Strömer (Ahaus),
Präsident des Berufsverbands Deutscher Dermatologen (BVDD)

Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) und die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) haben kürz- lich gemeinsam die neue Leitlinie Teledermatologie publiziert. Wir sprachen mit Dr. Klaus Strömer, Präsident des BVDD über die telemedizinische Versorgung von Patienten, über Vorsorgeuntersuchungen bei Hautkrebs in der aktuellen Situation und die bevorstehende DDG-Tagung.

DISKURS Hautkrebs:

Herr Dr. Strömer, Sie haben sich schon lange für die Förderung der Telemedizin eingesetzt, warum ist das für die Dermatologie so wichtig?

Dr. Strömer:

Die Dermatologie eignet sich als stark visuell geprägtes Fach hervorragend für telemedizinische Anwendungen. Sie sollte dort eingesetzt werden, wo sie einen Beitrag zu einer verbesserten Versorgung des Patienten leistet – etwa in der aktuellen Pandemie. In der gesamten Medizin ist die digitale Transformation in vollem Gange. Auch einige gesetzgeberische Initiativen im Gesundheitsministerium sollen dafür sorgen, dass wir den Anschluss an das internationale Geschehen nicht verpassen. Im Berufsverband der Dermatologen haben wir schon sehr früh gesehen, dass wir die Rahmenbedingungen für unsere Kollegen gestalten müssen. Neben den juristischen Aspekten betrifft das auch die Fragen, welche ethischen Grundlagen wir uns auferlegen wollen. Wir haben dabei auch ganz genau im Blick, was unsere Patienten sich von uns wünschen. Schon 2015 hatten wir begonnen, mit Kollegen aus Österreich und der Schweiz ein entsprechendes Grundsatzpapier zu erarbeiten.

DISKURS Hautkrebs:

Die neue Leitlinie wurde im März veröffentlicht. Für welche Bereiche in der Dermatologie gibt es Empfehlungen?

Dr. Strömer:

Die S2K-Leitlinie ist die erste Telemedizinleitlinie auf S2-Niveau in Deutschland. Sie gibt uns Empfehlungen auf Basis der weltweit verfügbaren wissenschaftlichen Evidenzen. Es gibt fünf häufige dermatologische Erkrankungen, bei denen wir belastbare Daten haben: Bei Hautkrebs ist das die Malignität von Muttermalen, daneben sind das die Verlaufskontrolle von Schuppenflechte, Neurodermitis, Urtikaria und auch chronische und akute Wunden. In diesen fünf Feldern können wir Empfehlungen abgeben, an denen sich Kollegen orientieren können. In der übrigen Dermatologie gibt es noch noch große weiße Felder.

DISKURS Hautkrebs:

Wo hat die Teledermatologie ihre Grenzen, wo können Fotos keine Diagnostik am Patienten ersetzen?

Dr. Strömer:

Ein Beispiel ist etwa die Beurteilung von Muttermalen auf Basis von zugesendeten Bildern. Das sehen
wir kritisch, das sagen auch die Leitlinien. So schön es ist, kleinere Probleme zeitnah für die Patienten und ohne Aufwand lösen zu können, so zurückhaltend muss man bei der Beurteilung von Muttermalen sein. Bei der Analyse von Fotos sind die falsch-negativen und auch die falsch-positiven Raten noch zu hoch. Die Studien sind teilweise widersprüchlich, im Ergebnis haben die Leitlinienautoren hier eine zurückhaltende Empfehlung abgegeben.

DISKURS Hautkrebs:

Wie sieht die Versorgung aktuell aus, wie viele Hautärzte sind inzwischen am Telemedizin-Service des BVDD beteiligt?

Dr. Strömer:

Wir haben mittlerweile knapp 500 niedergelassene Dermatologen mit an Bord, so dass wir dieses Tool flächen- deckend in der Bevölkerung anbieten können. Das wird auch zunehmend angenommen, die Wachstumsraten liegen bei 25% pro Monat. Bisher wurden etwa 20.000 Anfragen von Patienten über dieses Tool abgearbeitet. Es prosperiert und wir sind der Überzeugung, dass das einer der Mosaiksteine in der Versorgung sein wird. Es wird die analoge Versorgung nicht ablösen, sondern ergänzen.

DISKURS Hautkrebs:

Kommen Patienten in der aktuellen Situation seltener in die Praxen und nehmen z.B. Termine zur Früherkennung von Hautkrebs seltener wahr?

Dr. Strömer:

Ja, wir sehen das an den Abrechnungszahlen: Die Hautkrebsvorsorge wird von unseren Patienten zwischen 10 und 15 Prozent seltener wahrgenommen als im Vergleichszeitraum vor der Pandemie. Und wir sehen auch an Untersuchungen aus Italien und Griechenland, dass Tumore der Patienten bei der Erstdiagnose größer sind, dass die Primärdiagnostik zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt, was natürlich die Prognose verschlechtert. Das berichten auch einzelne universitäre Einrichtungen in Deutschland. Es gibt also Indizien dafür, dass die Primärdiagnostik verschoben wird, weil die Patienten seltener zur Vorsorge gehen. In anderen Bereichen haben wir bei niedergelassenen Dermatologen fast schon wieder den Normalbetrieb erreicht, da liegen wir nur ein paar Prozent unter dem Vorjahresbereich.

DISKURS Hautkrebs:

Ein Thema bei der DDG-Tagung wird auch die operative Dermatologie während der Pandemie sein. Was ist hier beim Hautkrebs wichtig?

Dr. Strömer:

Es gibt einige Aspekte rund um coronagerechtes Arbeiten während der Pandemie: Da geht es um Fragen der vorbereitenden Diagnostik, der Schnelltests vor einem operativen Eingriff. Wir müssen auch abklären, ob im Fall von Komplikationen stationäre Betten verfügbar sind. Wir können sogenannte „elektive Eingriffe“ nicht auf Dauer verschieben, weil diese Eingriffe bei Hautkrebs nur eine Zeit lang elektiv sind – irgend- wann werden die Eingriffe immer aufwendiger. Hier müssen wir klug entscheiden, wie wir Patientenströme steuern und auch im Sinne unserer Patienten irgendwann die Entscheidung treffen, dann auch zu operieren. Hier bin ich gespannt auf die Erfahrungsberichte aus der Klinik, besonders auf den Vortrag von Prof. Kaufmann über das kluge Entscheiden in diesen Situationen.

DISKURS Hautkrebs:

Die DDG-Tagung wird ja rein virtuell stattfinden. Was bieten die neuen Formate?

Dr. Strömer:

Digital ist nicht das neue analog, digital braucht auch andere Elemente, das haben wir in den letzten 12 Monaten gelernt. Wir wissen, dass die Konzentration vor dem Bildschirm anders als beim Live-Vortrag im Hörsaal nachlässt. Bei der kommenden DDG-Tagung werden daher die Vorträge kürzer sein. Viele davon wird man auch nach dem Kongress „on demand“ abfragen können. Alle Referenten wurden gebeten, die Folien so zu gestalten, dass man auch auf einem Mobiltelefon folgen kann. Die Zuhörer können schon während des Vortrages Fragen stellen, die dann die Basis einer lebhaften Diskussion sein werden. Die moderierten Chaträume sind ein neues Format zum Aus- tausch, auf das ich gespannt bin. Wir sehen jetzt schon, dass die Teilnehmerzahlen bei Online-Formaten, etwa bei Qualitätszirkeln, deutlich höher sind, gerade bei Abendveranstaltun- gen. In der Zukunft könnten Hybridkongresse die Vorteile aller Formate verbinden: Wir hoffen auf analoge Treffen für den kollegialen Austausch, das soziale Miteinander, und werden in der Zukunft wahrscheinlich auch die Vorträge streamen, so dass man die Wahl hat. Auch wer nicht zum Kongress kommen kann, kann sich zuhause auf dem aktuellsten Stand der Wissenschaft fortbilden.

DISKURS Hautkrebs:

Sehr geehrter Herr Dr. Strömer, vielen Dank für das Gespräch! T

Das Interview führte M. Freyer.