Aktuell Diskurs

„Die Zusammenkunft aller nationalen Spezialisten für Hautkrebs ist eine einmalige Gelegenheit“

Interview mit Prof. Dr. med. Bastian Schilling (Frankfurt)

Prof. Dr. med. Bastian Schilling ist ein renommierter Experte für Hautkrebserkrankungen und seit Mitte April 2024 Direktor der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Universitätsmedizin Frankfurt. Wir sprachen mit Prof. Schilling im Vorfeld des 34. Deutschen Hautkrebskongresses Ende September 2024 in Würzburg, bei dem er als Tagungspräsident fungieren wird. Der Deutsche Hautkrebskongress ist eine gemeinsame Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie ADO der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und gilt als der wichtigste deutsche Kongress zu dermato-onkologischen Themen

DISKURS Hautkrebs: Herr Prof. Schilling, was sind aus Ihrer Sicht die Highlights des kommenden ADO-Kongresses?

Prof. Schilling: Wir werden erneut ein exzellentes Programm erleben, welches sich aus eingeladenen Vorträgen, ausgewählten Abstracts, Workshops und Plenarvorträgen zusammensetzt. Besondere Highlights sind sicherlich die Verleihung des Fleur Hiege-Gedächtnispreises und des deutschen Hautkrebspreises sowie die Keynote-Vorträge von Prof. Antoni Ribas aus Los Angeles, Prof. Boris C. Bastian aus San Francisco und Prof. Paul Nathan aus London.

DISKURS Hautkrebs: Wie kann die Versorgung von Hautkrebspatient*innen bundesweit allgemein verbessert werden?

Prof. Schilling: Die Versorgung von Hautkrebspatienten sollte bundesweit im Wesentlichen im Schulterschluss von Klinikärzten und niedergelassenen Hautfachärzten erfolgen. Fortgeschrittene und komplexe Fälle sollten an spezialisierten Zentren, die die nötige Erfahrung haben, behandelt werden. Dies geht über die Anforderungen an zertifizierte Hautkrebszentren hinaus, so dass das angebotene Leistungsspektrum und die Fallzahlen wichtig sind und vergleichbar dargestellt werden sollen. Nur so können Patienten selbst und Zuweiser dafür sorgen, die beste Behandlung zu erhalten.

DISKURS Hautkrebs: Warum ist der deutsche Hautkrebskongress für den Austausch von Forschung und klinischer Praxis so wichtig?

Prof. Schilling: Die Zusammenkunft aller nationalen Spezialisten für Hautkrebs ist eine einmalige Gelegenheit zum Austausch sowie zur Fort- und Weiterbildung. Auch die Integration von Pflegepersonal und anderer, nicht-ärztlicher Berufsgruppen sowie von Patientenorganisationen in das Programm ist für die Verbesserung der Versorgung integral.

DISKURS Hautkrebs: Welche therapeutischen Innovationen haben Ihren Behandlungsalltag in letzter Zeit am meisten geprägt?

Prof. Schilling: Der dermato-onkologische Behandlungsalltag wurde zuletzt besonders durch zwei Innovationen geprägt: Die neoadjuvante Anwendung von Immuncheckpoint-Inhibitoren sowie die Zulassung von Tebentafusp zur Behandlung des fortgeschrittenen Aderhautmelanoms.

DISKURS Hautkrebs: Gibt es bei den verschiedenen Hautkrebstumoren Formen, die in frühen Stadien Ihrer Meinung nach noch zu oft übersehen werden?

Prof. Schilling: Sicher, allerdings gibt es dafür auch Gründe. Sie werden also nicht „übersehen“, sondern spät diagnostiziert. Schleimhautmelanome sind nicht sichtbar, da sie z.B. in der Nase wachsen. Melanome der Haut machen lange keine Beschwerden, so dass viele Betroffene sich erst verspätet in Behandlung begeben. Für epitheliale Hautkrebserkrankungen gilt dies auch. Ich denke, das Bewusstsein für Hautkrebs ist in der Bevölkerung in Deutschland immer noch zu gering ausgeprägt.

DISKURS Hautkrebs: Was sind aktuell zukunftsträchtige Forschungsinhalte, können wir auf weitere Behandlungsoptionen hoffen?

Prof. Schilling: Tumorstoffwechsel und seine evidenzbasierte, therapeutische Nutzung sowie die Nutzung des Darmmikrobioms sind für mich interessante, neue Forschungsansätze, die in ganz neuartige Therapien münden könnten. Auch Zelltherapien sowie bispezifische Antikörper sind für mich zukunftsträchtige Behandlungsoptionen.

DISKURS Hautkrebs: Wie sehen Sie die Versorgung der Patient*innen in den nächsten Jahren?

Prof. Schilling: Es wird leider zu einer gegenläufigen Entwicklung von Angebot und Bedarf kommen. Fachkräftemangel und die steigende Zahl von Hautkrebspatienten werden die Versorgung bestimmen.

DISKURS Hautkrebs: Bei weißem Hautkrebs und aktinischen Keratosen gibt es viele neue Therapieoptionen, wo liegt hier in der Praxis die größte Herausforderung?

Prof. Schilling: Therapieoptionen gibt es für aktinische Keratosen in der Tat zahlreiche. Die große Zahl von Erkrankungen wird hier eine Priorisierung und Stratifizierung erfordern. Nicht jede aktinische Keratose wird ein Plattenepithelkarzinom. Wie erkennen wir die, die sich weiterentwickeln werden und behandelt werden sollten?

DISKURS Hautkrebs: Wie kann man Resistenzmechanismen bei Immuncheckpointinhibitoren vermeiden?

Prof. Schilling: Dies ist bisher leider unmöglich. Und selbst wenn wir es könnten: es gibt bisher keine Möglichkeiten, primäre oder sekundäre Resistenzen zu brechen.

DISKURS Hautkrebs: Wie ist ihre Haltung gegenüber dem Einsatz von KI bei der Hautkrebsdiagnostik und in Hautscreening-Apps?

Prof. Schilling: KI wird alle Bereiche unseres Lebens erreichen. Ich sehe hier unglaubliches Potenzial in der Medizin und somit auch für die Dermatoonkologie. Ich hoffe, dass wir einen Teil der genannten Herausforderungen mit Hilfe von KI lösen können, insbesondere den Fachkräftemangel. Ich glaube auch, dass der Einsatz von KI zu neuen Biomarkern und Therapien führen wird, wenn sie in Forschungsprojekten eingesetzt wird oder auch existierende Datensätze erneut analysiert würden.

DISKURS Hautkrebs: Sehr geehrter Herr Prof. Schilling, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte K. Dürringer.