Fruchtbarkeitserhalt bei jungen Erwachsenen mit Krebs
DGHO begrüßt parlamentarische Initiativen zur Änderung des Sozialgesetzbuchs
Pro Jahr erkranken ca. 15.000 junge Erwachsene im Alter von 18 bis 39 Jahren an Krebs. Zwar können 80% dieser Patientinnen und Patienten geheilt werden, durch den Einsatz von Chemo- oder Strahlentherapie kann es allerdings zur Schädigung der Fruchtbarkeit und damit zu ungewollter Kinderlosigkeit kommen. Medizinisch gut etablierte Methoden zum Fruchtbarkeitserhalt sind verfügbar, die Kosten werden aber von den Gesetzlichen Krankenkassen bislang nicht übernommen. Seit einem Jahr kämpft die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. gemeinsam mit der von ihr gegründeten Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs für eine Unterstützung dieser Patientengruppe.
Krebs ist vor allem eine Erkrankung des höheren Lebensalters, aber auch junge Erwachsene können an Krebs erkranken, z.B. an Hodenkrebs, Brustkrebs, Sarkom, Leukämien oder Lymphomen. Vor allem durch Chemotherapie, aber auch durch Operation und Bestrahlung wird die Fruchtbarkeit gefährdet. Durch Entnahme und Einfrieren von Eizellen, Spermien oder Eierstockgewebe vor Beginn der Therapie kann es den jungen Erwachsenen ermöglicht werden, leibliche Kinder zu zeugen.
Dass das intensive Engagement von Fachgesellschaft und Stiftung nun erste potenzielle gesundheitspolitische Erfolge zeigt, macht Prof. Dr. med. Michael Hallek, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO, deutlich. „Politik ist das Bohren dicker Bretter. Das gilt gleichermaßen und manchmal ganz besonders für das Feld der Gesundheitspolitik. Umso mehr freut es uns, dass die Politik das für die Betroffenen existenzielle Problem der fehlenden Kostenerstattung von fertilitätserhaltenden Maßnahmen erkannt hat und sich nun auf verschiedenen Ebenen für die von uns bereits im vergangenen Jahr geäußerte Forderung einsetzt, dass die Kosten für Maßnahmen wie die Entnahme, Aufbereitung, Kryokonservierung und Lagerung von Keimzellen und Keimgeweben von den Gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden müssen.”
In diesem Zusammenhang betont Hallek das breite parlamentarische Engagement im Deutschen Bundestag. Sowohl die CDU/CSU-Fraktion habe mit einem Positionspapier als auch die FDP-Fraktion mit einem Gesetzentwurf klar den politischen Willen gezeigt, das Problem einer fehlenden Kostenübernahme durch die Krankenkassen zu lösen.
So hat die AG Gesundheit der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag am 12. Juni 2018 das Positionspapier “Fertilitätserhaltung als präventive Maßnahme bei drohendem Fertilitätsverlust” veröffentlicht. Kernforderung ist es, den § 27 des Sozialgesetzbuchs V (SGB V) dahingehend zu ändern, dass die Bewahrung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit als Teil der Krankenbehandlung definiert wird, so dass Versicherte einen Anspruch auf Kostenübernahme für die Entnahme, Aufbereitung, Kryokonservierung und Lagerung von Keimzellen und Keimgeweben haben. Die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag hat am 13. Juni 2018 den “Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Krebspatienten die Chance auf eigene Kinder ermöglichen, fertilitätserhaltende Behandlung zur Regelleistung machen” veröffentlicht. Als Kernproblem wird auch hier eine fehlende Kostenübernahme durch die Gesetzliche Krankenversicherung angemahnt. Damit sei die Möglichkeit zur Fruchtbarkeitserhaltung von der finanziellen Lage der jungen Patientinnen und Patienten abhängig. Als Lösung schlägt der Gesetzentwurf, wie auch das Positionspapier der CDU/CSU-Fraktion, eine entsprechende Ergänzung der Regelungen zur Krankenbehandlung gemäß § 27 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vor.
Dass die Kosten derzeit von den Patientinnen und Patienten selbst zu zahlen sind, ist laut Prof. Dr. med. Diana Lüftner, Vorstand der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs und Mitglied im Vorstand der DGHO, völlig inakzeptabel. „Für junge Frauen betragen die Kosten zwischen 3.500 und 4.300 Euro, für junge Männer sind es in etwa 500 Euro. Dazu kommen Lagerungskosten von 300 Euro pro Jahr. Diese hohe finanzielle Belastung ist für viele junge Menschen einfach nicht zu schultern. Deshalb wird aus Kostengründen viel zu oft auf die Fruchtbarkeitserhaltung verzichtet”, so Lüftner.
Vor dem Hintergrund einer möglichen Änderung des § 27 SGB V macht Prof. Dr. med. Carsten Bokemeyer, Vorsitzender der DGHO, noch einmal die ganze Tragweite des Problems für die Betroffenen und damit auch den dringenden gesetzlichen Änderungsbedarf deutlich: „Viele unserer jungen Patientinnen und Patienten erleben die eigentliche Krebserkrankung ohnehin schon als Stigma. Die ungewollte Kinderlosigkeit in Folge von Chemo- und Strahlentherapie und letztlich aufgrund fehlender finanzieller Möglichkeiten schildern viele Betroffene dann als ‘zweites Stigma’. Wenn wir als Fachgesellschaft gemeinsam mit der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs dazu beitragen können, dass die Gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für fertilitätserhaltende Maßnahmen übernehmen, dann ist das ein Riesenschritt in Richtung weniger sozialer Ungerechtigkeit für die Betroffenen.”
Die DGHO fordert die Parteien auf, die sich jetzt abzeichnende, parteienübergreifende Übereinstimmung in der Sache rasch in die notwendige Gesetzesänderung umzusetzen.
11. Band der Gesundheitspolitischen Schriftenreihe der DGHO
Am 30. November 2017 ist der 11. Band der Gesundheitspolitischen Schriftenreihe “Vom Krebs geheilt, aber nicht gesund. Keine Hoffnung auf eigene Kinder” erschienen. Die DGHO hat gemeinsam mit der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs diesen Band erarbeitet. Darin werden die Möglichkeiten zur Fruchtbarkeitserhaltung und die juristischen Hintergründe der fehlenden Finanzierung detailliert dargestellt und notwendige Änderungen im SGB V erläutert. Eine umfangreiche Sammlung von Patientenstimmen gibt einen authentischen Einblick in die Perspektive der Betroffenen.
Ausführliche Informationen finden sich im Internet unter: www.dgho.de/publikationen/schriftenreihen/fertilitaetserhalt
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V.