Aktuell Diskurs

Neue Strategien in Diagnostik und Therapie von Hautkrebs

Interview mit Tagungspräsident Prof. Dr. Edgar Dippel zur ADO-Jahrestagung 2019 in Ludwigshafen

Die aktuellen Entwicklungen in Diagnostik und Therapie verschiedener Hautkrebsarten sind der Themenschwerpunkt der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO). Wir sprachen mit Prof. Dr. Edgar Dippel, Chefarzt der Hautklinik Ludwigshafen und Tagungspräsident beim 29. Deutschen Hautkrebskongress, was die Besucher vom 11. bis 14. September in Ludwigshafen erwartet.

Diskurs:

Herr Prof. Dippel, was sind für Sie persönlich die Highlights des kommenden Kongresses?

Prof. Dippel:

Top-Themen bei unserem Hautkrebskongress sind aktuelle Forschungsergebnisse, diagnostische Entwicklungen und Behandlungsmöglichkeiten verschiedener Hautkrebsarten. Neue Impulse erwarten wir in unserer interdisziplinären Zusammenarbeit mit thematisch verbundenen Fachgesellschaften: Das hat sich in den letzten Jahren bewährt und ist inzwischen bei unseren Jahreskongressen etabliert. Ich bin natürlich gespannt auf die neuesten wissenschaftlichen Studien, die von erfahrenen Klinikern und anerkannten Wissenschaftlern vorgetragen und diskutiert werden. Highlights sind z.B. sicher die “Keynote Lectures“ von Prof. Dr. Stefan W. Hell zur Mikroskopie von molekularen Strukturen, die Vorträge zu Zell-basierten Therapien von Prof. Dr. John Haanen und zu den Aussich- ten der Melanomprävention von Prof. Dr. Alexander J. Stratigos.

Diskurs:

Warum ist dieser Kongress für den Austausch von Forschung und klinischer Praxis so spannend, besonders auch für Nachwuchswissenschaftler?

Prof. Dippel:

Im Bereich der Dermato-Onkologie haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten entscheidende Entwicklungen stattgefunden, die immer mehr Einzug in die Praxis halten. Wie das überaus vielfältige, praxisbezogene Programm deutlich zeigt, wird unsere Jahrestagung nicht nur den aktuellen Wissensstand des Fachbereichs abbilden, sondern auch neue Strategien in Diagnostik und Therapie beim Hautkrebs vorstellen. Mit Blick auf den ASCO 2019, also den weltweit größten Krebskongress der American Society of Clinical Oncologie, der gerade Anfang Juni in Chicago stattfand, werden die aktuellsten Erkenntnisse aus der Dermato-Onkologie präsentiert. Das heißt, es werden topaktuell zudem auch die neuesten Ergebnisse dermato-onkologischer Studien diskutiert. Im Fokus stehen die Langzeitergebnisse bei der Therapie des metastasierten Melanoms, die neuen Resultate der adjuvanten Therapien und weitere Ergebnisse der systemischen Therapie bei Plattenepithelkarzinomen und kutanen Lymphomen. Diese Fort- schritte sind höchst spannend und können Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler nicht kalt lassen. Dieser Kongress ist nicht nur edukativ, sondern er ist auch eine Plattform, um an neuen Studien teilzunehmen und Kontakte zu wissenschaftlichen Gruppen zu knüpfen.

Diskurs:

Welche therapeutischen Innovationen haben Ihren Praxisalltag im letzten Jahr am meisten geprägt oder auch verändert?

Prof. Dippel:

Auf jeden Fall sind es die Daten zu weiterentwickelten Strategieoptionen bei Melanomen und anderen Hauttumoren durch zielgerichtete Therapien, Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren und Kombinationstherapien. Differenzierte Untersuchungen zeigen, dass die Entwicklung tatsächlich weitergeht – bis hin zum Einsatz in der adjuvanten Therapie, um die Rezidivgefahr zu senken. Aber auch bei den selteneren Tumoren wie z.B. bei den kutanen Lymphomen sind neue Medikamente zugelassen worden, die sich nach ersten Erfahrungen als sehr ermutigend erwiesen haben.

Diskurs:

Sie sind der Erstautor der Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von kutanen Lymphomen. Gibt es hier neue Erkenntnisse, die beim Kongress diskutiert werden?

Prof. Dippel:

Gleich 5 Sitzungen beschäftigen sich mit den Neuerungen der lokalen und systemischen Therapie bei kutanen Lymphomen. Das hat es bisher selten gegeben, das unterstreicht die Fortschritte auch auf diesem Gebiet. Einige der neuen Immuntherapien mit Antikörpern gegen das CD30 Zielantigen – wie zum Beispiel Brentuximab Vedotin – haben bereits Einzug in den Klinik-/Praxis-Alltag

gefunden. Eine weitere neu zugelassene Therapie, der Antikörper gegen das CCR4-Antigen bei kutanen T-Zell Lymphomen, wird voraussichtlich erst 2020 für den europäischen Markt geliefert werden. In der aktuellen Leitlinie sind auch diese Medikamente bereits im Kapitel ‘innovative Medikamente’ erwähnt, da die ermutigenden Studiendaten schon vorlagen. Aber auch für die lokale Therapie ist eine Chlormethin-haltige Creme zugelassen, die die Möglichkeiten der Behandlung früher Krankheitsstadien verbessert.

Diskurs:

Die Leitlinie Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom wurde im Juni veröffentlicht, was bedeuten diese Empfehlungen für den Praxisalltag?

Prof. Dippel:

Auf diese Leitlinie haben wir alle dringend gewartet. Sie führt das Thema Vorstufen – die Aktinischen Keratosen – und Plattenepithelkarzinome zusammen, ordnet die Therapieoptionen je nach Schweregrad der Erkrankung und ist ein wichtiger Leitfaden insbesondere für die fortgeschrittenen Formen, die rezidiviert sind, sich lokal diskontinuierlich ausgebreitet haben oder gar metastasiert sind. Auch hier hat die intravenöse Immuntherapie in die Routinebehandlung Einzug gehalten, mit den Anforderungen, Wirkung und Nebenwirkung der Medikamente sorgfältig zu beobachten.

Diskurs:

Die Hautklinik Ludwigshafen ist mit anderen Kliniken, Institutionen und niedergelassenen Kooperationspartnern in der Region eng vernetzt im Hauttumorzentrum Rheinpfalz – es gehörte zu den ersten zehn von OnkoZert zertifizierten Hauttumorzentren in Deutschland. Welche Vorteile hat das für Behandler und Patienten?

Prof. Dippel:

Die Vorteile sind auf allen Seiten. Die Zertifizierung der Hauttumorzentren ist eine gute Leitstruktur, alle Prozesse von der Aufnahme bis zur ambulanten Weiterbehandlung oder Nachsorge zu optimieren und Standards in der Diagnostik und Therapie einzuhalten. Kernstück des Zentrums ist die interdisziplinäre Hauttumorkonferenz, bei der alle fortgeschrittenen Hauttumorpatienten vorgestellt werden und eine gemeinsame Entscheidung herbeigeführt wird. Der Austausch mit anderen Disziplinen und der Input beim Zertifizierungsprozess durch externe Fachexperten bringt eine ständige Verbesserung der Qualität. Auch die Einbindung der Patienten mit der Beantwortung von Fragebögen zur weiteren Evaluierung hilft, das Netzwerk der onkologischen Versorgung zu optimieren. Selbsthilfegruppen werden initiiert, der Sozialdienst wird einbezogen und Psychotherapeuten helfen, die Belastungssituationen der Patienten abzufangen. Ich kann es mir anders gar nicht mehr vorstellen.

Diskurs:

Gibt es abschließend noch etwas, das Sie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des diesjährigen Hautkrebskongresses mit auf den Weg geben wollen?

Prof. Dippel:

Die seltenen Hauttumoren wie z.B. das dermale Sarkom oder maligne Adnextumore der Haut dürfen wir nicht vergessen. Auch wenn die Häufigkeit gering ist, so ist es doch wichtig, gerade diese oft aggressiven Tumore zu erkennen, sicher zu diagnostizieren und nach aktuellem Kenntnisstand zu behandeln oder sogar den Fall interdisziplinär in der Hauttumorkonferenz vorzustellen. Gerade dieses Jahr sind sehr viele seltene Fälle von Hautärzten zur Diskussion eingereicht worden. Ich freue mich schon auf diese Präsenta- tionen.

Diskurs:

Sehr geehrter Herr Prof. Dippel, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte M. Freyer.