Aktuell Diskurs

„Studien werden auf dem Hautkrebs- kongress eine zentrale Rolle spielen“

Interview mit Prof. Dr. med. Ralf Gutzmer (Minden)

Prof. Dr. med. Ralf Gutzmer ist neben seiner Tätigkeit als Universitätsprofessor und Klinikdirektor der Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum für Dermatologie, Venerologie, Allergologie und Phlebologie am Johannes Wesling Klinikum Minden seit 2019 auch Vorsitzender des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO). Wir sprachen mit Prof. Gutzmer im Vorfeld des 32. Deutschen Hautkrebskongresses (ADO 2022) vom 14.–17. September in Hannover, bei dem er als Tagungspräsident fungieren wird.

 

Prof. Dr. med. Ralf Gutzmer

 

DISKURS Hautkrebs:

Herr Prof. Gutzmer, welche aktuellen Fortschritte gibt es bei der Behandlung von Hauttumoren?

Prof. Gutzmer:

Hier gibt es eine Reihe von neuen Entwicklungen, was je nach Stadium und genauer Hautkrebserkrankung aber sehr unterschiedlich ist. Im Bereich des schwarzen Hautkrebses, des malignen Melanoms, werden die erfolgreichen Immuntherapien zunehmend auch in früheren Stadien eingesetzt, so ist Pembrolizumab jetzt auch zur adjuvanten Behandlung von Hochrisikopatienten im Stadium II zugelassen. In fortgeschrittenen Stadien geht es in Richtung von Therapiekombinationen, so steht die neue Kombination aus Nivolumab + Relatlimab vor der Zulassung. Aber auch bei nicht-melanozytären Hauttumoren gibt es viele aktuelle Entwicklungen: z.B. beim kutanen Lymphom mit zielgerichteten Therapieoptionen gegen bestimmte Oberflächenmarker wie CCR4 (Mogamulizumab) und CD30 (Brentuximab), beim fortgeschrittenen Basalzellkarzinom (nebenden Hedghog-Inhibitoren jetzt auch Cemiplimab), um nur einige Beispiele zu nennen. Diese Themen werden wir auf dem Hautkrebskongress intensiv diskutieren.

DISKURS Hautkrebs:

Welche Entwicklungen betrachten Sie als besonders zukunftsweisend, was wird auf dem Kongress im Fokus stehen?

Prof. Gutzmer:

Ein Highlight ist sicher die Entwicklung von neuen Kombinationen. So wurde wie erwähnt aktuell die Kombination aus Nivolumab + Relatlimab beim fortgeschrittenen Melanom erfolgreich getestet und steht vor der Zulassung. Ein Highlight des Hautkrebskongresses ist aber auch die kontroverse Diskussion, wie die vielen Daten, die wir fortlaufen bekommen, zu bewerten sind. So findet unter anderem eine Pro-und-Kontra-Sitzung zu Themen z.B. der adjuvanten Therapie in frühen Melanomstadien oder zur Zukunft der Tumorvakzinierung statt.

DISKURS Hautkrebs:

Trotz aller Erfolge, die zuletzt erzielt werden konnten, bleiben auch Therapieresistenzen ein Problem. Wie kann man damit umgehen?

Prof. Gutzmer:

Das ist ebenfalls ein spannendes Thema, das in mehreren Sitzungen auf dem Hautkrebskongress besprochen wird. Hier geht es um
das bessere Verständnis dieser Resistenzen gegen Immuntherapien und zielgerichtete Therapien und um den rationalen Umgang mit diesen Resistenzen. Momentan fehlen uns hier noch Studiendaten, die uns eindeutige Therapieempfehlungen geben.

DISKURS Hautkrebs:

Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die psychoonkologische Betreuung im Gesamtkontext einer ganzheitlichen Therapie?

Prof. Gutzmer:

Die psychoonkologische Betreuung spielt natürlich eine große Rolle! Neben dem Schock bei der Erstdiagnose müssen zunehmend auch Langzeitüberleber mit ihrer Situation und gegebenenfalls Einschränkungen durch die Tumorerkrankung oder durch Nebenwirkungen der Therapie zurechtkommen. Auch dazu gibt es entsprechende Sitzungen und Diskussionen auf dem Hautkrebskongress.

DISKURS Hautkrebs:

Können Sie uns einen kurzen Überblick geben, welche besonders interessanten Studien aktuell laufen?

Prof. Gutzmer:

Traditionell gibt es zu Beginn des Hautkrebskongresses, in diesem Fall am 14. September, ein dreistündiges Studientreffen, in dem alle aktuellen Studien wie auch die in Kürze startenden und die vor kurzem abgeschlossenen Studien thematisch gruppiert vorgestellt und diskutiert werden. Hier gibt es momentan eine Reihe von Studien, überwiegend zum Melanom, aber auch zu den nicht- melanozytären Hauttumoren wie Plattenepithelkarzinom, Basalzellkarzinom und kutanen Lymphomen sowie dem Merkelzellkarzinom in unterschiedlichen Stadien und Ausgangssituation.

Neben Therapiestudien sind hier aber auch Registerstudien zu erwähnen, die die „real world evidence“ nach Zulassung eines Arzneimittels in einer breiten Patientenpopulation generieren. In den klinischen Therapiestudien sind viele Patientengruppen durch Ein- und Ausschlusskriterien nicht vertreten. Angesichts der zunehmenden Therapieoptionen ist es sehr wichtig, auch diese „real world evidence“ und die langfristige Effizienz wie auch die langfristigen Nebenwirkungen der jeweiligen Therapie in verschiedenen Patientengruppen zu erfassen. Diese interventionellen und nicht-interventionellen Studien werden auf dem Hautkrebskongress sowohl im Studientreffen als auch während des gesamten Kongresses eine zentrale Rolle spielen.

DISKURS Hautkrebs:

Warum ist die von der ADO geleistete überregionale Vernetzung zwischen Hautkrebsexperten bundesweit so relevant?

Prof. Gutzmer:

Die überregionale Vernetzung ist aus mehreren Gründen wichtig. Zum einen finden sich in jedem Zentrum spezielle Situationen, z.B. in Bezug auf Therapieentscheidungen oder Nebenwirkungen, die selten sind und ein breiteres Feedback oder eine breitere Diskussion erfordern. Außerdem werden viele Therapiestudien nur in einzelnen Zentren und nicht flächendeckend angeboten. Hier ist es sinnvoll, Patienten diese Studienoptionen durch Vorstellung oder Rücksprache in benachbarten Hauttumorzentren zu offerieren. Darüber hinaus gibt es bei der Einführung neuer Substanzen und neuer Substanzkombinationen immer eine nicht-triviale Lernkurve, so dass hier die Experten und Zentren voneinander lernen, wie mit diesen neuen Therapien umzugehen ist und wie das Nebenwirkungsmanagement bzw. die Überwachung dieser Therapien stattfinden sollte.

DISKURS Hautkrebs:

Wie wichtig ist angesichts der Vielzahl und Komplexität der zu Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten der Dialog mit den Patient*innen?

Prof. Gutzmer:

Der Patient bzw. die Patientin spielt natürlich die zentrale Rolle in unserem täglichen ärztlichen Handeln. Hier hat mittlerweile das Konzept des „shared decision making“ Einzug gehalten, d.h. dass zwischen Arzt und Patient/Patientin bzw. den Angehörigen die infrage kommenden Optionen diskutiert werden und der Patientenwunsch die zentrale Rolle bei der Therapieentscheidung spielt. Das gilt selbstverständlich nicht nur bei Hautkrebs, sondern auch für alle anderen Bereiche unseres ärztlichen Handelns.

DISKURS Hautkrebs:

Sehr geehrter Herr Prof. Gutzmer, vielen Dank für das Gespräch! 

Das Interview führte E. Kanz.