Aktuell Diskurs

„Wir müssen aufklären und die Pflege verbessern“

Interview mit PD Dr. med. Daniela Höller Obrigkeit (Aachen) und
Antje Meyer, Expertin für Medical Beauty und Beauty Business (Hamburg)

PD Dr. med. Daniela Höller Obrigkeit leitet als Fachärztin für Dermatologie und Venerologie die eigene Praxisklinik für Dermatologie in Aachen und ist darüber hinaus Inhaberin des BABOR Medical Spa Aachen. In beiden Funktionen pflegt sie engen Kontakt zu Antje Meyer, die als ausgewiesene Fachfrau für Medical Beauty und Beauty Business u.a. als Medical Concepts & Education Manager bei BABOR tätig ist. Wir sprachen mit den beiden Expertinnen dieses Mal über das Thema Hautpflege während und nach einer Strahlen- und/oder Chemotherapie.

DISKURS Hautkrebs:

Das Thema Krebserkrankungen ist ein sehr sensibles. Neben der starken körperlichen Belastung durch eine Bestrahlung oder Chemotherapie und die begleitende Schmerzsymptomatik kommt oftmals eine erhöhte Anfälligkeit der Haut hinzu, die selbst nach überstandener Therapie noch lange persistieren kann. Wie kann man hier in der Praxis helfen?

Dr. Höller Obrigkeit:

Zunächst einmal sollte festgehalten werden, dass es heute im Bereich der Tumortherapie neben den Klassikern der Chemo- oder Strahlentherapie sehr viele verschiedene, mittlerweile auch personalisierte Therapiemöglichkeiten gibt. Die jeweiligen Nebenwirkungen und Hautschäden hängen von verschiedenen Faktoren ab – vor allem aber davon, ob eine lokale Therapieform wie die Strahlentherapie oder aber eine systemische Therapie wie Chemo- oder Antikörpertherapien gewählt wurden und welche Substanzen dabei zum Einsatz kamen. Prinzipiell kommt es nach Tumorbehandlungen zu einer Störung der Hautbarriere und einer Schädigung des Immunsystems, nach bestimmten Chemotherapien treten auch teils permanente Schädigungen des Nagelorgans oder Nervenschädigungen auf. Diese Faktoren sollte man bei der korrekten Hautpflege beachten.

A. Meyer:

Bei uns Fachkosmetiker*innen in der Kabine kommen ja viele Faktoren zusammen. Zum einen die besondere Bindung zu unseren Kund*innen, die in unserer Gegenwart tatsächlich meist sehr offen mit dem Thema umgehen. Für uns bedeutet dies, dass wir uns oftmals nicht nur um die Haut dieser Patient*innen kümmern, sondern auch um deren Psyche. Auch in der Zeit, in der diese Kund*innen nicht zu mir kommen können oder wollen, bleiben wir stets in Kontakt – ganz individuell so, dass es für die jeweilige Situation passt. Dementsprechend begleite ich die ganze Zeit. Ob mit der passenden Hautpflege zur Unterstützung der Beruhigung und Durchfeuchtung oder eben auch mit Gesprächen und Telefonaten zur seelischen Unterstützung. Was wir Kosmetiker*innen auf jeden Fall mit auf den Weg geben können, ist die Empfehlung, vor der jeweiligen Therapie die eigene Schönheit durch ein Permanent Make-up zu erhalten. Ich habe in all den Jahren immer wieder miterleben dürfen, wie glücklich die Patientinnen über die optimierte Optik vor allem während der Therapie sind. Das gute Gefühl, wenigstens besser auszusehen, als sie sich zumeist fühlen. Das hilft der Psyche und unterstützt den Weg zur Besserung aus meiner Sicht enorm.

DISKURS Hautkrebs:

Welche Pflegeempfehlungen geben Sie den Tumorpatient*innen ganz konkret mit auf dem Weg? Welche Problematiken treten bei ihnen besonders häufig auf?

Dr. Höller Obrigkeit:

Häufig wählen Patient*innen eine fettige Hautpflege, manchmal auch reine Öle, um die Spannung der Haut zu reduzieren und aus Angst, weitere Reizungen durch die Verwendung von Cremes auszulösen. Hier müssen wir aufklären und die Pflege verbessern. Eine gestörte Hautbarriere führt zu einem starken transepidermalen Wasserverlust, ein geschädigtes Immunsystem begünstigt Superinfektionen. Die Pflege sollte nicht zu fettig, aber rückfettend und vor allem feuchtigkeitsspendend gewählt werden. Neben Hyaluronsäuren sollten Substanzen eingesetzt werden, die das Unterhautgewebe stimulieren. Ceramide sind ebenfalls ein guter Ansatz, um die Barrierestörung zügig zu beheben. Häufig leiden Patient*innen nach Tumortherapien auch unter Lentigines, also Altersflecken. Hier kann man – zunächst vorsichtig – mit regenerierender Gerätetechnik wie zum Beispiel der Microdermabrasion die Regeneration weiter unterstützen.

A. Meyer:

Die Patient*innen sind ja meist schon Kund*innen, wenn die Diagnose kommt. Ich kläre dann zunächst ausführlich auf und bespreche ganz klar, wie die Haut reagieren könnte. Wichtig ist nun die besonders vorsichtige und umsichtige Pflege dieser Haut – immer mit Bedacht auf den aktuellen Hautzustand, welcher sich auch schnell ändern kann. Der erste Schritt ist immer, die Reinigung um- gehend auf die sensitivste Variante umzustellen. Eine extrem milde Reinigungsmilch mit Microsilber z.B. und ein neurokosmetisches Gesichts- wasser mit Beta Glucan. Alle weiteren Pflegeprodukte haben mit der Therapie des Patienten zu tun und werden individuell darauf abgestimmt. Viel Durchfeuchtung steht zumeist im Vordergrund und dazu vor allem immer Produkte für den Barriereaufbau. Doch eines ist auch klar: Unsere Kund*innen werden es nicht jeden Tag schaffen, diese Produkte zu verwenden, sobald die Therapie etwas intensiver wird. Deshalb ist jeder Tag, an dem die Kund*innen ihre Produkte verwenden und damit die Haut unterstützen, umso wichtiger und wertvoller!

DISKURS Hautkrebs:

Wie wichtig ist ein adäquater Sonnenschutz nach diesen Therapien?

Dr. Höller Obrigkeit:

Ein konsequenter Sonnenschutz ist schon während der Tumortherapie essenziell für die Patient*innen. Durch die Störung der Hautbarriere wird auch der körpereigene Sonnenschutz durch die Hornschicht der Haut herabgesetzt, eine Regeneration von UV-Schädigungen in der Haut ist vermindert. Die Patienten sollten einen konsequenten textilen Lichtschutz tragen; wo dies nicht möglich ist, sollte eine Sonnencreme mit einem LSF von 50 verwendet werden.

DISKURS Hautkrebs:

Ab wann kann man wieder mit einer nachhaltigen Verbesserung des Hautbildes rechnen, wie lange muss eine engmaschige Nachsorge durchgeführt werden?

A. Meyer:

Wann eine Beruhigung der angesprochenen therapiebedingten Problematiken einsetzt, ist so pauschal sehr schwer zu sagen und in der Praxis je nach Patient*in völlig unterschiedlich. Dies hängt naturgemäß auch von der konkreten Art und Intensität der jeweiligen Therapie ab. Für uns ist es immer der erste Meilenstein, wenn die Patientin oder der Patient selbst wieder das Bedürfnis hat, mehr für sich zu tun und sich täglich zu pflegen. Unter der Therapie ist der normale Alltag meist schon genug Herausforderung! Sobald jedoch das Be- dürfnis nach Pflege da ist, können und wollen die Kund*innen sehr schnell wieder zu uns kommen. Meist geht es dann um eine Bestandsaufnahme und eine leichte durchfeuchtende und beruhigende manuelle Anwendung mit begleitendem „Seelenaufbau“.

DISKURS Hautkrebs:

Gibt es vorbeugende Maßnahmen, die schon im Vorfeld einer anstehenden Therapie berücksichtigt werden können? Welche Produkte sollten allgemein eher gemieden werden?

Dr. Höller Obrigkeit:

Da die Therapie ja zumeist sehr schnell nach Diagnosestellung erfolgen muss bzw. sollte, gibt es da eigentlich kein zeitlich nennenswertes „Vorfeld“. Die beste Voraussetzung ist natürlich ein möglichst optimaler, gesunder Hautzustand vor Beginn der Behandlung. Während der Bestrahlungstherapie darf im Bestrahlungsfeld keinerlei Hautpflege angewendet werden, hier darf erst nach Abschluss der Therapie mit der Pflege begonnen werden. Unter Chemo- oder Antikörper-Therapien sollte bei der rückfettenden, feuchtigkeitsspenden Pflege darauf geachtet werden, dass die Präparate keine Stoffe enthalten, die, begünstigt durch die gestörte Hautbarriere, die Allergieentstehung fördern. Hierzu gehören Duftstoffe, aber auch vermeintlich gute Naturstoffe wie Korbblütler und ätherische Öle, die zu vermeiden sind.

A. Meyer:

Dem kann ich mich nur anschließen. Sobald eine Pflege möglich ist, empfehlen wir sehr gerne Produkte, die die Haut dabei unterstützen, nicht außer Rand und Band zu geraten. Produkte, die allesamt beruhigende Eigenschaften haben. Zusätzlich sind etwa Ceramide, Beta Glucan, Panthenol, Hyaluron und Microsilber sehr gute Wirkstoffe. Es geht auch darum, die Gefäße zu unterstützen, vor Licht zu schützen und die Haut zu beruhigen.

DISKURS Hautkrebs:

Sehr geehrte Frau Dr. Höller Obrigkeit, sehr geehrte Frau Meyer, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte S. Steffens.