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„Ausgestrahlt?“ – zur Umsetzung der NiSV

Interview mit Astrid Tomczak, München

Ab dem 1. Januar 2021 treten viele Regelungen aus der Verordnung zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NiSV) in Kraft. Mit diesem Gesetz soll nun einheitlich geregelt werden, wer welche Behandlungen z.B. im Laserbereich durchführen darf, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen und welche Fachkenntnisse zusätzlich zu erwerben sind. Bislang konnten auch Nicht-Mediziner mit Hilfe von Lasern Tattoos oder pigmentierte Läsionen entfernen oder Ultraschallbehandlungen und Hochfrequenzbehandlungen durchführen. Im Sinne der Patienten- und Anwendersicherheit hat die NiSV daher nun für einige Behandlungsformen Arztvorbehalte aufgenommen und für andere Anwendungen entsprechende Fachkundenachweise eingeführt. Auch Melde- und Dokumentationspflichten sind nun gesetzlich geregelt. Mit Medizinconsultant Astrid Tomczak LL.M. (Pharmarecht) haben wir uns über die neuen Vorgaben unterhalten.

 

Ästhetische Dermatologie:

Frau Tomczak, „Nichtionisierende Strahlung“ ist ein etwas sperriger Begriff. Für welche Anwendungen greifen die Regelungen der neuen Verordnung eigentlich?

A. Tomczak:

Ja, tatsächlich ist dieser Begriff nicht selbsterklärend. Nichtionisierende Strahlung umfasst Lasereinrichtungen und intensive Lichtquellen, zum Beispiel zur dauerhaften Haarentfernung oder zur Tattoo- Entfernung. Außerdem werden Hochfrequenzgeräte, zum Beispiel zur Faltenglättung oder Fettreduktion, Anlagen zur elektrischen Nerven- und Muskelstimulation (zum Beispiel zum Muskelaufbau in Sportstudios) und zur Magnetfeldstimulation (zum Beispiel Magnetfeldmatten) sowie Anlagen zur Stimulation des Zentralen Nervensystems, zum Beispiel Hirnstimulation zur Leistungssteigerung, erfasst. Auch Ultraschallgeräte wie Ultraschall-Babykino oder Ultraschall zur Fettreduktion und Magnetresonanztomographen werden erfasst. Weiterhin werden im Gesetz für die einzelnen Technologien Frequenzbereiche genannt, die jedoch so gefasst sind, dass praktisch jedes Gerät, außer die für Heimanwendung konzipierten, inkludiert wird. Das Gesetz findet jedoch nur Anwendung, sofern all diese Geräte jeweils zu kosmetischen oder sonstigen nichtmedizinischen Zwecken eingesetzt werden. Medizinische Behandlungen fallen also nicht unter diese Regelung.

Ästhetische Dermatologie:

Nun wurde ja neu ein Arztvorbehalt für bestimmte Anwendungen eingeführt. Könnten Sie das näher erklären?

A. Tomczak:

Gerne. Vielleicht hierzu noch eine Erklärung vorweg. Im Vorfeld des neuen Gesetzes wurde sehr viel über Facharztrichtungen diskutiert. Ein Entwurf sah vor, dass bestimmte Anwendungen

ausschließlich Fachärzten für Haut- und Geschlechtskrankheiten sowie Fachärzten für Plastische und Ästhetische Chirurgie vorbehalten sein sollten. Diese Regelung konnte sich jedoch nicht durchsetzen und somit sind die Anwendungen von Lasereinrichtungen und intensiven Lichtquellen im Ergebnis nicht an eine bestimmte Facharztrichtung gebunden worden. Vielmehr wurde der Arztvorbehalt allgemeiner gefasst und bezieht sich nun auf approbierte Ärztinnen und Ärzten mit entsprechender ärztlicher Weiterbildung oder Fortbildung.

Seitens der Anwendungsbereiche gilt der Arztvorbehalt ab dem 31.12.2020 für die Entfernung von Tätowierungen oder Permanent-Makeup, die Behandlung sämtlicher Gefäßveränderungen und pigmentierter Hautveränderungen sowie für ablative Laseranwendungen. Außerdem werden alle Anwendungen erfasst, bei denen die Integrität der Epidermis als Schutzbarriere verletzt wird, sowie Anwendungen mit optischer Strahlung, deren Auswirkungen nicht auf die Haut und ihre Anhangsgebilde beschränkt sind, wie beispielsweise die Fettgewebereduktion. Gerade bei der Fettgewebsreduktion kennt die Ästhetische Medizin in der Zwischenzeit sehr viele unterschiedliche Verfahren. Der Arztvorbehalt der NiSV bezieht sich ausschließlich auf Behandlungen mittels optischer Strahlung, Hochfrequenz oder Ultraschall. Die Kryolipolyse oder die Injektionslipolyse werden also nicht vom Arztvorbehalt der NiSV erfasst.

Ästhetische Dermatologie:

Heißt ein Arztvorbehalt auch, dass nun keine der genannten Behandlungen mehr delegiert werden darf?

A. Tomczak:

Das ist eine sehr gute Frage und ein Bereich, in dem nach meiner Erfahrung große Unsicherheit bei Ärztinnen und Ärzten herrscht. Der Arztvorbehalt in der NiSV wurde so ausgestaltet, dass Behandlungen nach wie vor an entsprechendes Hilfspersonal in der Praxis delegiert werden dürfen. Dabei sind die allgemeinen Regeln für die ärztliche Delegation zu beachten. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Hilfskräfte eine entsprechende Qualifikation und Erfahrung aufweisen müssen, der verantwortliche Arzt greifbar sein muss, um die ärztliche Überwachung der Behandlung sicherzustellen, und die Verantwortung für die Behandlung insgesamt immer beim Arzt selbst verbleibt. Bezüglich der Qualifikation der Hilfskräfte geht man von einem Kenntnisstand aus, der inhaltlich den Fachkundenachweisen der NiSV entsprechen sollte.

Höchstpersönliche Leistungen des Arztes sind nach wie vor von der Delegation ausgeschlossen. Dazu gehören Anamnese, Indikationsstellung, Untersuchung des Patienten einschließlich invasiver diagnostischer Leistungen, Stellen der Diagnose, Aufklärung und Beratung des Patienten, Entscheidung über die Therapie und Durchführung invasiver Therapien einschließlich der Kernleistungen operativer Eingriffe.

Ästhetische Dermatologie:

Welche Regelungen gibt es für Kombinationsgeräte?

A. Tomczak:

Geräte, die mehrere Technologien in sich vereinen, dürfen in Zukunft gewerblich zu kosmetischen oder sonstigen nichtmedizinischen Zwecken am Menschen nur noch von Personen angewendet werden, die für alle Technologien die erforderliche Fachkunde nachweisen können.

Ästhetische Dermatologie:

Wie verhält es sich nun genau mit den erforderlichen Fachkundenachweisen?

A. Tomczak:

Die Fachkundenachweise und deren Inhalte werden in grundsätzlicher Form in Anlage 3 zur NiSV dargelegt. Zur Konkretisierung hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) – auf Grundlage der NiSV, in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und in Abstimmung mit den Bundesländern sowie unter Berücksichtigung von Stellungnahmen diverser Vertreter von Verbänden und Industrie – Anforderungen an den Erwerb der Fachkunde für Anwendungen nichtionisierender Strahlungsquellen am Menschen erarbeitet, die so genannte Fachkunderichtlinie. In ihr werden Ablauf und Organisation der Schulungen konkretisiert und die maßgeblichen Lerninhalte, Lernziele und auch die Ausgestaltung der Schlussprüfungen dargelegt. Die Regelungen zum Nachweis der erforderlichen Fachkunde treten erst am 31. Dezember 2021 in Kraft. Bis dahin müssen dann auch die entsprechenden Fachkundenachweise vorgelegt werden können.

Ästhetische Dermatologie:

Wo kann man einen solchen Fachkundenachweis erwerben?

A. Tomczak:

Darüber herrschte lange Zeit Verwirrung und Unsicherheit. Inzwischen wurde auch hier Licht ins Dunkel gebracht. Eine förmliche Zertifizierung von Schulungsanbietern ist, wie ursprünglich von vielen gedacht, nicht vorgesehen. Vielmehr handelt es sich bei der Anerkennung der Fachkunde um eine Zertifizierung der Person, die die Fachkunde nachweisen will. Damit ist inzwischen auch geklärt, dass private Bildungsanbieter die Schulungen zum Erwerb der erforderlichen Fachkunde durchführen können. Ursprünglich waren einmal die Handwerks- und Industrie- sowie Handelskammern als Schulungsanbieter im Gespräch.

Damit eine erfolgreiche Zertifizierung des Schulungsteilnehmers erfolgen kann, müssen daher folgende Voraussetzungen vorliegen: Eine erfolgreiche Überprüfung des Schulungsträgers durch die Zertifizierungsstelle. Die Person, die ein Fachkundezertifikat erwerben möchte, hat bei dem geprüften Schulungsträger den Lehrgang oder die Lehrgänge entsprechend der zu zertifizierenden Fachkunde absolviert und sie besteht eine bei der Zertifizierungsstelle abzulegende Prüfung. Weitere Einzelheiten können im eigens dazu erlassenen Fachmodul Akkreditierung nachgelesen werden.

Ästhetische Dermatologie:

Sehr geehrte Frau Tomczak, wir bedanken uns für das interessante Gespräch und freuen uns in der nächsten Ausgabe auf das Thema: „Patientenaufklärung in der Ästhetischen Medizin“. «

Das Interview führte S. Höppner.