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Behandlung der Alopecia Areata mit topischem Capsaicin: Fallbericht einer erfolgreichen Behandlung

 

Dr. med. Arna Shab1,

Dr. med. Catharina Shab1
1 Privatpraxis für Dermatologie und ästhetische Medizin, Frankfurt am Main

Hintergrund und Ziele:

Alopecia areata ist eine Volkskrankheit unbekannter Ätiologie; sie verursacht erhebliche kosmetische und psychosoziale Belastungen für die meisten Menschen, die betroffen sind. Wir berichten über eine alternative Behandlungsform in einem Fallbericht über einen Patienten mit typischer Alopecia areata am Capillitium.

Patienten und Methoden:

Wir behandelten einen Patienten schrittweise für 6 Wochen, dessen Alopecia areata sich zunächst verschlimmert hatte. Die Behandlung erfolgte ausschließlich mit topischem Capsaicin.

Ergebnis:

Nach täglicher Anwendung von topischem Capsaicin zweimal täglich über 6 Wochen zeigte sich das gesamte betroffene Areal mit homogenem dichten Nachwachsen der Haare. Bereits nach 3 Wochen zeigten sich erste nachwachsende Haare. Während der Behandlungsphase wurde kein Rückfall beobachtet. Der follow-up-Zeitraum war nach 6 Monaten.

Schlussfolgerungen:

Die Verwendung von topischem Capsaicin ist eine alternative Behandlungsmöglichkeit bei Alopecia areata. Sie ist wirksam, elegant und eine sichere Behandlungs- methode mit guter Verträglichkeit. Analog zu anderen topischen Behandlungen der Alopecia areata kann auch bei Verwendung von Capsaicin der immunsuppres- sive / immunirritierende Mechanismus des Capsaicins eine Rolle spielen. Diese alternative Behandlungsmethode sollte durch weitere Fallberichte in der Medizin diskutiert und durch Studien belegt werden, so dass möglicherweise Capsaicin häufiger zum Einsatz kommen könnte. Das Potenzial von Capsaicin sollte insge- samt noch genauer herausgearbeitet werden.

Keywords:

Alopecia areata; Capsaicin; Nachwachsen; Behandeln

Alopecia areata (AA) ist nach der androgenetischen Alopezie (AGA) die häufigste Form des Haarausfalls. In der Regel werden keine subjektiven Beschwerden beklagt. Das Ausmaß ist recht variabel und schwere Formen der Krankheit können zu ausgeprägten psychosozialen Problemen führen. Die Pathogenese der Alopecia areata ist nicht in allen Details bekannt. Zahlreiche Studien aus verschiedenen Blickwinkeln zur Ätiologie sind bereits erfolgt. Die Ursache von AA ist multifaktoriell [4] in Verbindung mit genetischer Veranlagung [5]. Die Hypothese eines vielfaktoriellen Geschehens umfasst Einflüsse der Psychosomatik, Auswirkungen von Noxen wie Toxinen, Infektionen, genetische Faktoren sowie Autoimmunkrankheiten und die allgemeine Immunologie [1,2]. AA ist tatsächlich eine der häufigsten Autoimmunkrankheiten mit 1,7% Lebenszeitrisiko [3].

AA ist ein nichtvernarbender Haarausfall. Typisch sind vereinzelte haarlose Flecken. Diese können bei Alopecia totalis die gesamte Kopfhaut umfassen (AT) oder auch den gesamten Körper bei Alopecia universalis (AU).

Aktuelle Studien haben die Wirksamkeit der topischen Korticosteroidtherapie oder der Kombination von Ultraviolett-A-Therapie und systemischen Korticosteroiden für schwere AA gezeigt. Im Allgemeinen wird die Effektivität der Therapien durch die Nebenwirkungen und die Tolerabilität erschwert und eingeschränkt [6]. Eine Reihe von Behandlungen kann bei Alopecia areata wirksam sein, jedoch ändert das Nachwachsen der Haare nicht unbedingt den Verlauf der Krankheit. Bei kleinflächiger (fleck-förmiger) Alopezia areata sind Behandlungen stets wirksamer als bei Alopezia totalis oder Alopecia universalis [7,8].

In unserer Fallstudie behandelten wir einen Patienten mit topischem Cap- saicin, um durch lokale Irritation der betroffenen Stelle eine Abheilung zu erzielen.

Fallbericht

Ein 35-jähriger männlicher Patient stellte sich mit einem seit etwa zwei Monaten plötzlich aufgefallenen und progressiven Haarausfall an der linken Schläfe vor. Bei der ambulanten Untersuchung zeigte sich ein singulärer haarloser Herd links parietal ovalförmig mit einer Ausdehnung von 3,8 x 3 cm (s. Abb. 1a). Die labortechnische und klinische Untersuchung ergab keinerlei pathologische Befunde. Insbesondere Laborparameter einschließlich der Schilddrüse und Syphilis-Serologie waren normal. Das Trichogramm aus dem Rand des Fokus zeigte das typische Krankheitsbild der Alopezia areata. Vorangegangene Therapien waren nicht erfolgt. Andere Symptome wie Juckreiz, Brennen oder Schmerzen wurden verneint.

Ergebnis

Es erfolgte eine 6-wöchige topische Therapie mit Capsaicin lokal zweimal täglich. Die Behandlung des Patienten erfolgte ohne anhaltende Nebenwirkungen. Der Patient berichtete lediglich über wiederholtes mildes Erythem, Überwärmung und leichtes Brennen in den Minuten nach der Behandlung. Diese wären insgesamt gut verträglich gewesen. Weitere andere Behandlungen sind nicht erfolgt. Der Patient gab keine Schmerzen bei der Behandlung an. Eine besondere Pflege der behandelten Fläche war nicht erforderlich. Bereits nach wenigen Wochen waren die ersten neuwachsenden Haare beobachtet worden (s. Abb. 1b).

Capsaicin

Capsaicin wird aus der Chili-Schote gewonnen und ist für deren Schärfe verantwortlich. In der Medizin kommt Capsaicin aufgrund seiner besonderen chemischen Eigenschaft verschiedentlich zum Einsatz. Es wird zum Beispiel zur Durchblutungsförderung und Schmerzlinderung innerlich und auch äusserlich eingesetzt. So existieren verschiedene Endprodukte, die gegen Neuralgien, Arthralgien, Myalgien und Parästhesien sowie rheumatische Krankheiten und auch Kopfschmerzen und Juckreiz verordnet werden.

Capsaicin kann bei äußerlicher Anwendung an einen nicht-selektiven Kationenkanal-Rezeptor anbinden. Dieser VanilloidRezeptor 1 bewirkt eine Freisetzung von Neurotransmittern, u.a. dem Neuropeptid Substanz P, was eine stärkere Durchblutung bewirkt [9]. Weiterhin stimuliert Capsaicin die Ausschüttung von Endorphinen, die dem Schmerz entgegenwirken und das Wohlbefinden steigern. Bei lokaler Applikation von Capsaicin wird ein Brennen, das wegen der verstärkten Durchblutung mit einem flächigen Erythem oder einer Schwellung einhergeht, beobachtet. Eine Bläschenbildung ist lediglich bei einer Überdosierung beschrieben.

Orales Capsaicin 6 mg und 75 mg Isoflavon täglich über 5 Monate erhöht Serum-IGF-I bei Patienten mit AGA und AA im Vergleich zu denjenigen, die Placebo erhalten haben. Haarwuchs trat auf in 64,5% der behandelten Patienten gegenüber 11,8% der Kontrollen. Bei AGA allein konnte sogar bei 88% der Patienten ein das folgendes Haarwachstum beobachtet werden [9].

Diskussion

Zu den Standardtherapien der AA gehören derzeit die topischen immun- modulierenden Therapien. Hier ist die Effektivität bereits anhand von Studien belegt [14,15]. Hierzu gehört auch das topische Auslösen der Kontaktallergie mittels Diphenylcyclopropenone. Diese Behandlung geht jedoch mit unangenehmen Nebenwirkungen und möglicher „Downtime“ einher [15,16]. Weitere häufige Behandlungsmethoden sind die Anwendung von intraläsionalen Injektionen mit Kortikosteroiden [17].

Capsaicin ist eine alternative, aber auch sichere, risikoarme und leicht anwendbare Therapiemöglichkeit für den Arzt und den Patienten. Die Anwendung von Capsaicin zeigt durch klinische Studien und Analysen eine hohe Sicherheit und Wirksamkeit [10- 13]. Dieser Therapieansatz zeichnet sich durch gute Verträglichkeit aus.

So zeigte sich bei täglichem Auftragen von Capsaicin-Creme 0,075% auf die betroffene Kopfhaut bei Patienten mit ausgeprägter AA bereits ein Wachstum von Vellushaar nach Tag 21 [10]. Auch wiesen zusätzlich die Hälfte der Patienten (12 AA und 2 AT) in einer kleinen prospektiven Studie einen Haarwuchs nach drei Wochen unter täglicher Lokaltherapie mit 0,075% topischer Capsaicincreme auf [11]. Ein Vergleich zwischen der topischen Capsaicinsalbe mit Clobetasol 0,05% Salbe bei 50 AA-Patienten zeigte eine Verbesserung des Vellushaarwachstums, aber keinen signifikanten kosmetischen Unterschied [12]. Weitere aktuelle Untersuchungen zeigen, dass 0,01% Himbeer Keton, dessen Struktur ähnlich ist wie die von Capsaicin, auch IGF-I reguliert und das Haar Wachstum bei 50% der Patienten mit AA fördert [13].

In einer Studie wird sogar der orale Einsatz von Capsaicin (in Kombination mit Isoflavon) bei AA beschrieben. Haarwuchs trat bei 64,5% der behandelten Patienten gegenüber 11,8% der Kontrollen ein [9].

Da Capsaicin aus einer natürlichen Substanz besteht, werden die Patien- ten eine hohe Zufriedenheit erreichen. Auch Patienten, die eine Steroidtherapie meiden wollen, zeigen hier eine hohe Compliance. Somit kann eine realistische Befriedigung der Patientenerwartung mit einem guten kosmetischen Effekt erzielt werden. Darüber hinaus sind mit lokalem Capsaicin keine langwierigen Nebenwirkungen zu erwarten und eine sehr schnelle Rekonvaleszenszeit kann erreicht werden.

Zusammenfassend hat die Behandlung mit Capsaicin viele Vorteile. Diese Behandlungsmethode erweitert unsere Therapieoptionen um eine milde, jedoch effektive Methode. Diese alternative Behandlungsmethode kann noch in der Medizin diskutiert und möglicherweise häufiger eingesetzt werden. Weitere Studien mit größerer Anzahl wären notwendig, um ihr Potenzial genauer zu bewerten.

Literatur

1. Papadopoulos AJ, Schwartz RA, Janniger CK. Alopecia areata. Pathogenesis, diagnosis, and therapy. Am J Clin Dermatol 2000;1:101–105.

2. Picardi A, Abeni D. Stressful life events and skin diseases: Disentangling evidence from myth. Psychother Psychosom 2001;70:118– 136.

3. Safavi KH, Muller SA, Suman VJ, Moshell AN,Melton LJ 3rd. Incidence of alopecia areata in Olmsted County, Minnesota, 1975 through 1989. Mayo Clin Proc. 1995;70:628- 633.

4. Xing L, Dai Z, Jabbari A, et al. Alopecia areata is driven by cytotoxic T lymphocytes and is reversed by JAK inhibition. Nat Med. 2014;20:1043-1049.

5. Petukhova L, Duvic M, Hordinsky M, et al. Genome-wide association study in alopecia areata implicates both innate and adaptive immunity. Nature. 2010;466:113-117.

6.Meidan VM, Touitou E. Treatments for androgenetic alopecia and alopecia areata: Current options and future prospects. Drugs 2001;61:53–69.

7. Abell E, Munro DD. Intralesional treatment of alopecia areata with triamcinolone acetonide by jet injector. Br J Dermatol. 1973;88(1):55–59.

8. Ferrando J, Moreno-Arias GA. Multi-injec- tion plate for intralesional corticosteroid treatment of patchy alopecia areata. Dermatol Surg. 2000; 26(7):690–691.

9. Harada N, Okajima K, Arai M, Kurihara H, Nakagata N: Administration of capsaicin and isoflavone promotes hair growth by increasing insulin-like growth factor-I production in mice and in humans with alopecia. Growth Horm IGF Res 2007; 17: 408–415.

10. Hordinsky M, Ericson M: Autoimmunity: alopecia areata. J Investig Dermatol Symp Proc 2004; 9: 73–78.

11. Yilmaz G: Capsaicin Bats .500. Spec Rep, 2002. http://dermatologytimes. modernme- dicine.com/dermatology-times/news/clinical/ dermatology/capsaicin-bats-500 (accessed January 29, 2018].

12. Ehsani A, Toosi S, Seirafi H, Akhyani M, Hosseini M, Azadi R, et al: Capsaicin vs. clobetasol for the treatment of localized alopecia areata. J Eur Acad Dermatol Venereol 2009; 23: 1451– 1453.

13. Harada N, Okajima K, Narimatsu N, Kurihara H, Nakagata N: Effect of topical application of raspberry ketone on dermal production of insulin-like growth factor-I in mice and on hair growth and skin elasticity in humans. Growth Horm IGF Res 2008; 18: 335–344.

14. Freyschmidt-Paul P, Hoffmann R, Levine E, Sundberg JP, Happle R, McElwee KJ. Current and potential agents for the treatment of alopecia areata. Curr Pharm Des 2001;7: 213–230.

15. van der Steen PH, Boezeman JB, Happle R. Topical immunotherapy for alopecia areata: Re-evaluation of 139 cases after an additional follow-up period of 19 months. Dermatology 1992;184:198–201.

16. Happle R, Hausen BM, Wiesner-Menzel L. Diphencyprone in the treatment of alopecia areata. Acta Derm Venereol 1983; 63:49–52.

17. Hosking AM,Juhasz J, Atanaskova Mesin- kovska N. Complementary and Alternative Treatments for Alopecia. Skin Appendage Disord; 8/2018; S.1-18