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Fantasietitel: Ästhetisch-medizinische Fachgesellschaften fordern einheitliche gesetzliche Regelung

Bereits seit Jahren monieren Deutschlands große Fachgesellschaften für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Filler- und Botulinumtherapie und ästhetische Laserbehandlung (DGÄPC, DGBT, GÄCD, VDÄPC, DDL) immer wieder den Umstand der Irreführung von Patient*innen durch den Gebrauch von selbst verliehenen Expertentiteln, die die Qualifikation eines staatlich verliehenen Facharzttitels vortäuschen sollen. Hierbei wird eine Gesetzeslücke genutzt, die zwar genau vorschreibt, welche staatlich verliehenen Facharzttitel genutzt werden dürfen, aber nicht definiert, welche so ähnlich klingenden Fantasietitel nicht genutzt werden dürfen.

Zurzeit beobachten wir verstärkt, dass sich Ärzte direkt nach dem Universitätsstudium ‘Arzt/Ärztin für ästhetische Medizin‘ oder ‘Arzt/Ärztin für Ästhetik‘ usw. nennen. Ohne Weiterbildungszeit, qualifizierende Zertifizierungen und ohne Prüfung. Dasselbe Phänomen kann beobachtet werden bei Ärzten, die in der Vergangenheit in einem vollkommen anderen medizinischen Fach eine Facharztausbildung absolviert haben, nun aber auch ästhetisch-plastische Behandlungen und Operationen anbieten“, mahnt Dr. Helge Jens, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC).

Das können sie, weil diese selbst verliehenen Fantasietitel nicht im Facharztkatalog gelistet und somit nicht geschützt sind. Das Ziel ist, bei Patient*innen den Eindruck zu erwecken, eine Art Facharzttitel für die eigene Vermarktung vorzutäuschen und somit eine Qualifikation für den ästhetischen Bereich darzustellen. Denn die meisten Patient*innen kennen die Feinheiten der genau geschützten vs. ungeschützten Arzttitel nicht. „Als Fachärzte mit fundierter Ausbildung und fachspezifischen Kenntnissen sehen wir die auf dem Markt gebräuchlichen Betitelungen für Ärzte, die gerne im ästhetisch-plastischen Bereich Fuß fassen würden, aber nicht über die notwendige Facharztausbildung verfügen, sehr kritisch“, so Dr. Michaela Montanari, Mitglied des Vorstands der DGÄPC und Referentin der DGBT.

In einem aktuellen Fall hat die Wettbewerbszentrale nun einen ersten bedeutenden Erfolg beim Landgericht Bochum erzielt. In dem noch laufenden Verfahren geht es um die Frage, ob ein Arzt, der nicht über eine Facharztausbildung verfügt, sich als „Arzt für ästhetische Eingriffe“ bezeichnen darf. Laut der Wettbewerbszentrale wurde dies als irreführend beanstandet, da die Bezeichnung von den angesprochenen Verbraucher*innen im Sinne einer Facharztbezeichnung für ästhetische Chirurgie verstanden wird. „Die öffentlichen Mühlen mahlen langsam – das vorläufige Urteil aus Bochum ist ein erster und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Zwischenzeitlich sehen wir uns im Schulterschluss mit allen Fachgesellschaften, die den ästhetischen Bereich zum Schwerpunkt haben, in der Pflicht, Aufklärungsarbeit zum Schutz der Patienten zu betreiben“, so Prof. Peter Arne Gerber, Facharzt für Dermatologie und Präsident der Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschland e.V. (GÄCD). Denn nicht nur im Gespräch mit den Patient*innen selbst ist die Wissenslücke sehr deutlich erkennbar, sondern auch Zahlen können dies belegen. So hat die aktuelle DGÄPC­-Statistik ergeben, dass ganzen 52,8% der Befragten unter 30-­Jährigen der Unterschied zwischen einem Facharzt/einer Fachärztin mit langjähriger, fundierter Ausbildung und einer Titelselbstvergabe wie „Schönheitschirurg*in“, „Beauty Doc“ und ähnlichem nicht bewusst ist.

Beauty Doc, Schönheitschirurg, Facharzt – wer darf was?

Als Fachärztin/Facharzt darf sich nur bezeichnen, wer eine mehrjährige Weiterbildung in einem bestimmten Gebiet absolviert hat und im Anschluss die dazugehörige Facharztprüfung bestanden hat. Für den Bereich der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie, der Dermatochirurgie und der ästhetischen Dermatologie gilt das für die Fachärztinnen für Plastische und Ästhetische Chirurgie und die Fachärzt*innen für Dermatologie. Zusätzlich gibt es für andere Fachbereiche noch die Möglichkeit einer Zusatzweiterbildung für „Plastische Operationen“. Hier können Fachärzte der Hals-­Nasen-Ohren Heilkunde und der Mund-­Kiefer­-Gesichtschirurgie in einer 24­-monatigen Weiterbildung die konstruktiven und rekonstruktiven plastischen und ästhetischen operativen Eingriffe und nicht­operativen Verfahren zur

Wiederherstellung und Verbesserung der Form, Funktion und Ästhetik in der Kopf-­Hals-­Region erlernen und im Anschluss die Zusatzbezeichnung „Plastische Operationen“ führen. Des Weiteren können, abhängig von der gewünschten Behandlungsregion, auch folgende Fachärzte für einen ästhetisch­-chirurgischen Eingriff qualifiziert sein: Fachärzte*innen für Chirurgie mit dem Teilgebiet „Plastische Chirurgie“, Fachärzte*innen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe (Gynäkologie) für beispielsweise intimchirurgische Eingriffe oder Fachärzt*innen für Augenheilkunde für z.B. Oberlidkorrekturen und Filler­- und Botulinumbehandlungen im Augenbereich.

Beauty Docs, Experten für Ästhetische Medizin, Schönheitschirurgen und andere Fantasietitel sagen absolut nichts über die Qualifikation des behandelnden Arztes aus, erwecken aber bei den Patienten den Anschein, als hätten die Behandler in diesem Bereich besondere Fähigkeiten. Das ist nicht nur ethisch bedenklich, sondern kann unter Umständen für die Patienten auch gefährlich werden“, weiß Prof. Detlev Hebebrand, Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-­Plastischen Chirurgen und Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie.

Dass der Markt der ästhetischen Behandlungen in Deutschland zu den Wachstumsmärkten zählt, ist hierbei kein Geheimnis. Und viele, gerade auch jüngere Ärzt*innen lockt die vermeintliche Lukrativität der Ästhetischen Medizin, direkt ins Berufsleben einzusteigen, ohne vorab eine Facharztausbildung absolviert zu haben. Dabei hat die Kreativität an Eigenbetitelung gerade im Ästhetischen Bereich kaum Grenzen – gepaart mit mangelnder Erfahrung,

kann dies eine verheerende Mischung für die Patient*innen sein. „Bedauerlicherweise stellen sich bei uns in der Praxis immer häufiger Patienten vor, die mit einem Lasergerät nach nicht sachgemäßer Anwendung Verbrennungen davongetragen haben oder aber nach einer Fillerbehandlung neben unschönen Ergebnissen auch schlimme Komplikationen vorweisen, die dringend behandelt werden müssen“, mahnt Dr. med. Konstantin Feise, 2. Vizepräsident der Deutschen Dermatologischen Lasergesellschaft.

Aufklärung als gemeinsames Ziel

Zum Wohle der Patientensicherheit im Rahmen von ästhetischen Behandlungen möchten wir gemeinsam aktiv aufklären! Deshalb findet man künftig auf den Webseiten unserer Gesellschaften eine gemeinsame Checkliste, welche Facharztbetitelungen in der ästhetischen Medizin staatlich verliehene Qualitätssiegel sind und bei welchen Betitelungen man hellhörig werden sollte“, so der Facharzt für Dermatologie, Dr. med. Said Hilton, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Botulinum-­ und Fillertherapie. So soll allen Patient*innen mit Behandlungswunsch im ästhetisch-plastischen Bereich die Möglichkeit gegeben werden, sich bereits vor einer Terminvereinbarung zu informieren. Des Weiteren streben die Fachgesellschaften eine Arbeitsgruppe an, um eine gesetzliche Regelung zum Schutz vor Irreführung zu erwirken.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie: