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Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

„Ein Jahr zählt mit so vielen Tagen, wie man genutzt hat“, sagte einst G.B. Shaw, und „Wenn’s alte Jahr erfolgreich war, dann freue dich aufs neue, und war es schlecht, ja dann erst recht“ rät der deutsche Publizist Karl-Heinz Söhler. So bleibt es jedem einzelnen überlassen zu entscheiden, wieviele Tage des Jahres 2018 er genutzt hat und ob die Freude aufs neue Jahr einem erfolgreichen oder einem schlechten alten Jahr geschuldet ist.

In der Osteologie kann man zu Recht von einem erfolgreichen Jahr sprechen, da sich inzwischen die aktualisierten und seit 28.1.2018 gültigen DVO-Leitlinien 2017 in der Praxis bewährt und zu einer Verbesserung der Versorgung unserer Osteoporosepatienten beigetragen haben sollten. Wenn ich “sollten“ formuliere, lässt mich das ganz gezielt an ein großartiges “Highlight“-Pressegespräch unter dem Titel “Medizin im Spannungsfeld von Ethik, Qualität und Kommerz – wo liegen die Grenzen des Machbaren?“ mit dem Internisten und Philosophen Prof. Dr. med. Giovanni Maio vom Lehrstuhl für Medizinethik an der Albert-Ludwig-Universität Freiburg sowie mit Prof. Dr. med. Marcus Richter, Präsident der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft und Chefarzt des Wirbelsäulenzentrums des St. Josephs-Hospitals Wiesbaden, auf dem eben beendeten 13. Deutschen Wirbelsäulenkongress in Wiesbaden denken, denn Leitlinien allein – welcher Art auch immer – lösen nicht die uns in unseren Kliniken und Praxen bedrängenden Probleme.

Zu viele Apparate, zu wenig Zuwendung – die Medizin habe sich in eine falsche Richtung entwickelt, meinte Prof. Maio und forderte einen grundsätzlich neuen Ansatz im Gesundheitswesen und regte eine Wertediskussion an, denn die heutige Medizin sei zu aktionistisch, auf das Machen hin orientiert, und investiere zu wenig in das Verstehen des kranken Menschen. Die Hauptleistung des Arztes sei jedoch die erfahrungsgesättigte Qualität der Beratung. Eine Beratung, die aber nur dann gut sein könne, wenn der Arzt die Zeit und die Ressourcen habe, die Komplexität der Patientengeschichte zu durchdringen. Seine Leistung sei die Fähigkeit zur Bewältigung dieser Komplexität, und jede Patientengeschichte sei unweigerlich komplex und erfordere für jeden Patienten eine singuläre Entscheidung. Deshalb fordert er eine Rückbesinnung auf Werte wie Sorgfalt, Verantwortungsbewusstsein, Gewissenhaftigkeit, Geduld, Behutsamkeit und Reflektiertheit, um das Selbstverständnis der Medizin zu retten.

Prof. Richter unterstrich die Bedeutung des Vertrauens zwischen Arzt und Patient. Mit Vertrauen würden auch Komplikationen getragen, die es bei jeder Operation gebe. Bei jedem Einzelfall müsse eine individuelle Lösung gefunden werden. Gerade in den operativen Disziplinen sei die Beziehungsmedizin wichtig, denn nicht für jeden Patienten sei eine Operation das Allheilmittel. Für jeden einzelnen Patienten in seiner besonderen Situation mit seinen eigenen Erwartungen und Ängsten müsse ein Konzept erarbeitet und auch vermittelt werden. Viele Ärzte litten darunter, dass die Zeit für den einzelnen Patienten immer geringer würde – geschuldet den Rahmenbedingungen unseres Gesundheitssystems wie Kostendruck, Bürokratisierung und überbordende Dokumentation. Wie sehr haben mir damit beide Kollegen aus meinem eigenen innersten ärztlichen Herzen gesprochen! Nun ist die Gesundheitspolitk am Zug, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir Ärzte endlich nur noch Ärzte für unsere Patienten sein können! Das wäre mein sehnlichster beruflicher Herzenswunsch für das Jahr 2019!

Was hat mich sonst noch bewegt?

Zum Jahresausklang nicht die Eskapaden verschiedener sog. großer Politiker, die man eh nicht beeinflussen kann, oft den Charakter des Unheilbaren tragen und deshalb diesmal nicht dieses Papiers wert sind! Nein, es ist ein sehr persönliches Erlebnis, das mit einem Osteoporosevortrag am 7. Oktober 2015 im Erzgebirgsklinikum Annaberg-Buchholz begann, in dem ich am 1. September 1964 meine ärztliche Laufbahn als sog “Vorimmatrikulierter Hilfspfleger“ vor dem Medizinstudium in Leipzig startete. Damals schenkten mir die Kollegen der Unfallchirurgischen Abteilung unter Chefarzt Dr. Ulrich Wandt eine Konzertgitarre, die mich seither auf all meinen medizinisch-musikalischen Vorträgen begleitet hat – auch am 28. November dieses Jahres zum 114. Annaberger hausärztlichen Qualitätszirkel unter Leitung von Dr. med. Andreas Schuster, Präsident der Sächsischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SGAM e.V.), bei dem ich viele ehemalige Weggefährten aus alter Zeit begrüßen und an mein Herz drücken durfte. Dass alle anwesenden Kolleginnen und Kollegen aus meiner Heimat meinem Herzenswunsch entsprachen, mir ein Autogramm auf meiner mir heiligen “Annaberger Gitarre“ zu hinterlassen, ist mir ebenso unvergesslich wie das gemeinsame Singen des “Feierohmd-Liedes“ unseres erzgebirgischen Volksdichters und Komponisten Anton Günther, der so wunderbar formulierte: Vergaß dei Haamit net! Su singt jeds Vögele. / Vergaß dei Haamit net! Su rauscht der Wald. / Es heilt der Storm ons zu in kalter Winterschzeit: / Vergaß dei Haamit net, dort is die Halt! / Fest stieh zen Volk, der Haamit trei, / su wolln mir Arzgebirger sei!

Mit diesem Herzensbekenntnis zu meinen Wurzeln und einem herzlichen Dank an alle Autorinnen und Autoren sowie Inserenten für die gute Zusammenarbeit im vergangenen Jahr wünsche ich Ihnen allen, liebe Leserinnen und Leser, gesegnete Adventstage, ein Frohes Fest und ein gutes, weltweit friedvolleres Jahr 2019

als Ihr

Dr. med. Christian Günther

Chefredakteur “Osteoporose, Orthopädie & Rheuma aktuell“