Aktuell ORA

Infekt-assoziierte Arthritis: Neues Dr. A. Häckel zur reaktiven Arthritis und Lyme-Borreliose

Reaktive Arthritiden sind nach der derzeitigen – allerdings nie validierten – Definition die Folge einer extraartikulären Infektion, bei der Erreger oder deren Bestandteile im Gelenk nachweisbar sind, aber hieraus nicht kultiviert werden können. Sie treten, bei Ausschluss anderer rheumatischer Erkrankungen, asymmetrisch und meist in der unteren Extremität auf. Zusätzlich gibt es klinische oder labortechnische Hinweise auf eine vorausgehende Infektion bei dieser dem Formenkreis der Spondylarthritiden zugerechneten Form, resümierte Prof. Dr. Jens Gert Kuipers, Rotes Kreuz Krankenhaus, Bremen, den Status Quo.

Die weltweite Prävalenz beträgt bei Erwachsenen ca. 1/1.000 und die jährliche Inzidenz zwischen 3-13/100.000. Das Erregerspektrum umfasst neben Campylobacter, Salmonellen, Shigellen und Yersinia auch diarrhogene E.coli sowie verschiedene sexuell übertragene Erreger. In einer aktuellen Übersicht [1] zur Entwicklung in den letzten 30 Jahren dominieren Chlamydien nach wie vor bei weitem. Relevant für die klassischen ReA HLA-B27-positiv assoziierten Erreger sind aus dem Urogenitaltrakt Chlamydia trachomatis und aus dem GI-Trakt Yersinia enterocolica, Campylobacter jejuni, Shigellen und Salmonellen. Für die Haut erfüllt auch Borrelia burgdorferi die klassische Definition der ReA, spricht aber im Gegensatz zu den klassischen Erregern auch auf Antibiotika an. Der Begriff der ReA wird – gemessen an der bisherigen Definition – heute allerdings inflationär verwendet, so Kuipers unter Verweis auf eine aktuelle Standortbestimmung. [2] Auch die als Post-Covid19-ReA bezeichnete Form [3] sieht Kuipers auch aufgrund des untypischen Befalls und der Seltenheit eher als (post)virale Arthritis.

Pathogenetisch werden Erreger nach einer extraartikulären Infektion hämatogen ins Gelenk transportiert, persistieren dort und sind bei fehlender Anzüchtbarkeit dort durch RT-PCR nachweisbar. Nach neuen Befunden [4] spielen dabei Erregerbestandteile der extrazellulären Matrix eine wesentliche Rolle. Diese als Curli bezeichneten, amyloidartigen Betafaltblatt-Protein-Strukturen bilden mit bis zu 85% einen großen Anteil des bakteriellen Biofilms. Werden Mäuse mit Wildtyp Salmonella typhimurium infiziert, induziert deren Curli-Produktion die Bildung von anti-dsDNA-Antikörpern sowie eine Arthritis. Wird die Curli-Bildung experimentell ausgeschaltet, werden weder diese Antikörper gebildet noch eine Arthritis induziert, was eine kausale Rolle der amyloidartigen Strukturen bei der Arthritisgenese nahelegt.

Die Diagnostik bei reaktiver Arthritis via MRT und Sonografie ergibt typischerweise eine Proliferation der Synovialis und nur zu 20% eine Enthesitis. Prognostisch prädiktiv bezüglich einer Chronifizierung ist dies jedoch nicht. Bei einer atypischen CCP-negativen therapierefraktären Polyarthritis sollte jedoch ein Morbus Whipple mittels PCR aus der Synovialflüssigkeit ausgeschlossen werden [5], empfahl Kuipers. Die reaktive Arthritis hat zwar tendenziell eine gute Prognose, chronifiziert jedoch in 20%, teils mit erheblichen Beschwerden. Neben Basistherapeutika wie Sulfasalazin, MTX/AZA gibt es hierzu Berichte zu IL6-Rezeptor- und TNFalfa-Blockern. Neu hinzugekommen sind zudem Secukinumab [6] und Tofacitinib. Zu weiteren Substanzen liegen bislang noch keine Daten vor.

Für die Infektion mit Borrelien nach einem Zeckenstich ist erst unlängst ihr Weg aus der extrazellulären Matrix in das Gefäßsystem aufgeklärt worden.

[7] Danach moduliert Borrelia burgdorferi – NF-kappa-B-vermittelt – temporär den mechanischen Zusammenhalt des Endothel-Monolayers soweit, dass die Bakterien ins Gefäßsystem und damit in ihre Zielstrukturen eindringen können. Neue US-Leitlinien [8] der Diagnostik bei Zeckenstich und möglicher Lyme-Borreliose sehen keine Testung von entfernten Zecken oder asymptomatischen Patienten vor. Zum Nachweis einer Lyme-Arthritis ist die Serologie der PCR und der Kultur vorzuziehen. Lediglich bei seropositiven Patienten mit unklarem Verlauf kann eine PCR sinnvoll sein. Therapeutisch wird jetzt neu bei Lyme-Borreliose nach den US-Leitlinien [6] bei einem Ixodes-Stich in Endemiegebieten eine einmalige Postexpositionsprophylaxe mit Doxycyclin (200 mg) dann empfohlen, wenn die Zecke über mindestens 36 Stunden nicht entfernt wurde.

Quelle: Deutscher Rheumatologiekongress 2022, Sitzung 19: „Infekt-assoziierte Arthritis“, 4. September 2022:

Literatur

1. Brinster et al., Rheumatol Clin 2018; 14(1): 36-39
2. Zeidler & Hudson, Curr Rheum Rep 2021; 23:53
3. Kocyigit & Akyol Rheumatol Int 2021;41:2031- 2039
4. Miller et al., PLOS Pathogens 2020; 1008591
5. Ruffer et al., Z Rheumatol 2022
6. Zeng et al., Bioscience Reports 2020;40:BSR20191927
7. Yuste et al., Science, Aug 19;2022,104793
8. Lautos et al., Arthr Care Res 2021, acr 24495