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Wenn Medikamente systemisch schaden

Dr. A. Häckel

Medikamenteninduzierte Systemerkrankungen sind eine besondere Herausforderung für Rheumatologen und benötigen neben hoher Vigilanz eine komplexe Differenzialdiagnostik und eine gründliche Anamnese. Zudem gilt es, zwischen Medikamenten-induzierter Seropositivität und tatsächlicher Systemerkrankung zu unterscheiden, so Dr. Katharina Rose, Hamburg/Zürich, bei einer Veranstaltung im Rahmen des diesjährigen Deutschen Rheumatologiekongresses in Berlin. Wichtige medikamenteninduzierte Formen präsentieren sich als Lupus (DIL), Vaskulititiden (DIV) und als Reaktion mit Eosinophilie und systemischen Symptomen (DRESS).

Rose berichtete über eine PsA- Patientin, die unter Certolizumab akuten Thoraxschmerz entwickelte. In der Autoimmundiagnostik fanden sich hohe ANA-Titer sowie SSA-Antikörper. Die Diagnose TNF-alfa- induzierter Lupus wurde daraufhin gestellt. Nach den aktuellen EULAR/ ACR-Kriterien [1] für SLE ergab sich ein (positiver) Score >8. Nach Absetzen des TNF-alfa-Blockers besserten sich die erhöhten Leberwerte rasch. Die Therapie bestand in hochdosierter Prednisolontherapie, danach Umstellung auf Ustekinumab. Im weiteren Verlauf nach 7 Monaten normalisierte sich der Gesamtzustand vollständig ohne Rezidiv.

Die Fachinfo zu Certolizumab erwähnt SLE-Symptome als „gelegentlich“ (bis 1/100). In der Vigibase-Datenbank finden sich Berichte zu anderen TNF-Blockern mit variabler time-to-onset der Symptome. Eine solcher DIL (drug induced Lupus) tritt charakteristisch nach Exposition als neue SLE- typische Symptomatik auf. Teilweise finden sich ANA oder Anti-Histon-Antikörper. Im Verlauf ist DIL milder als iSLE und meist ohne Organmanifestationen. Binnen Wochen bis Monaten nach Absetzen verschwanden die Symptome.

Ein DIL kann nach neuesten Vigibase-Daten mittlerweile durch bis zu 118 verschiedene Medikamente als potenziell ursächlich entstehen und betrifft insgesamt etwa 10% aller SLE-Fälle. DIL tritt meist etwas später auf (mittl. Alter 49 Jahre) mit mittlerer Latenz bis zur Erstmanifestation von 172 Tagen.

Die Entwicklung von ANA-Autoantikörpern unter TNF-Blockern ist mit ca. 75% sehr häufig, allerdings nur selten mit SLE-Entwicklung. Daher ist ein anti-TNF-alfa-Inhibitorinduzierter Lupus (ATIL) insgesamt selten. Valides Unterscheidungskriterium zum idiopathischen SLE (iSLE) sind Anti-Sm-Antikörper, nicht jedoch Anti-Histon-Antikörper. Anti-Sm-Antikörper weisen daher immer auf einen iSLE hin, so Rose.

Das Management (gemäß den britischen Leitlinien [2]) fordert ein sofortiges Beenden der TNFi-Therapie, die Vermeidung einer Rechallenge [3] und die Einleitung einer adäquaten Therapie. Symptomatisch werden dabei NSAR bei Arthritis/Arthralgien, Hydroxychloroquin (v.a. bei Haut- oder muskuloskelettaler Symptomatik) bei persistierenden Symptomen sowie systemische Glukokortikoide bei Organmanifestation oder Serositis eingesetzt. Die weitere Therapie erfolgt analog zum iSLE abhängig von der Klinik.

Eine weitere Kategorie durch Medikamente induzierter Systemerkrankungen sind Vaskulitiden (drug induced vasculitis, DIV). Häufige Auslöser sind hier TNF-Blocker (hier oft kutane Vaskulitiden (87%) mit palpabler Purpura (57%), Polyneuropathien (16%) sowie Nierenbeteiligung (13%)). Meist handelt es sich um pANCA-positive Kleingefäßvaskulitiden, teils finden sich ANA, anti DNS-AK, anti-Histon-AK oder APL-AK.

Die Cocain/Levamisol-DIV (CLIV) beruht auf dem Konsum von – häufig mit Levamisol versetztem – Kokain. [4] Sie ähnelt einer ANCA-assoziierten Vaskulitis (AAV), allerdings meist ohne granulomatöse Veränderungen. Typischerweise sind MPO-AK-Titer hier bis zu 15-fach höher als bei der idiopathischen AAV. Hinweisend auf CLIV sind retiforme Purpura
mit kutanen Nekrosen (oft an den Ohren) und hohe MPO-AK-Spiegel. Therapeutisch sind wie beim DIL auslösende Faktoren sofort abzusetzen und nicht zu reexponieren sowie eine iAAV-analoge Behandlung.

Während DIL und DIV meist mild und i.d.R. reversibel verlaufen, hat das DRESS-Syndrom (Drug reaction with eosinophilia and systemic symptoms) eine potenziell deutlich höhere Morbidität und Mortalität.

Diese schwere medikamenteninduzierte Hypersensitivitätsreaktion tritt meist nach 2–8 Wochen auf und verursacht zudem in ca. 10% Langzeitschäden. Bei dieser unter vielen verschiedenen Namen beschriebenen Krankheit findet sich meist eine ausgedehnte (>50% der Oberfläche) Hautmanifestation, Fieber (>38,5 C, zu 90%) sowie häufig eine Organbeteiligung von Leber, Nieren oder Lunge sowie der Blutzellen.

Differenzialdiagnostisch sind etwa andere dermatologische Erkrankungen, SLE, Vaskulitiden, HES etc. – also ein breites Spektrum – aus- zuschließen. Dabei ist die Haut- biopsie unzuverlässig, dagegen ist der RegiSCAR-Score [5] (bei Werten >2) zur Validierung hilfreich.

Häufig mit DRESS assoziierte Medikamente sind Sulfonamide, Minocyclin, Vancomycin, Antikonvulsiva, Allopurinol [6] sowie zunehmend auch Checkpoint-Inhibitoren und verschiedene bDMARDs. [7] Testverfahren sind limitiert und nicht Bestandteil der klinischen Routine, am ehesten geeignet ist noch der Lymphozyten-Transformations-Test (LTT, Sensitivität 73%, Spezifität 82%). Goldstandard ist daher die gründliche Anamnese. Die Therapie im interdisziplinären Team umfasst neben der Beendigung der assoziierten Medikation auch den Ausschluss einer viralen Reaktivierung sowie die Einschätzung des Schweregrades. Medikamentös sind hochdosierte Glukokortikoide unter langsamem Ausschleichen (über Wochen bis Monate) sowie bei refraktärem Verlauf Ciclosporin oder Cyclophosphamid indiziert. Auch für den Nutzen von JAK-Inhibitoren und IVIG gibt es bereits positive Fallberichte.

Quelle: Sitzung „Therapie-induziertes Rheuma – Fakten und Mythen“ beim Deutschen Rheumatologiekongress,< 1. September 2022, Berlin

Literatur

1. Aringer M et al., (2019) Ann Rheum Dis 78:1151-1159
2. Rheumatology 2010;49:2217-2219
3. Ramos-Casals M et al., Medicine 2007;86:242-251
4. Mc Grath MM et al., (2011) J Am Soc Nephrol 6:2799-2805
5. Kardaun SH et al., Br J Dermatol 2007; 156(3):609-611
6. Cabanas R et al., J Investig Allergol Clin Immunol 2020;30(4):229-253
7. Adwan MH; Curr Rheumatol Rep 2017, Jan;19(1):3