Allergien

Innovative Adjuvanzien – der Schlüssel zur Optimierung von Impfungen und Immuntherapien

Seit über 100 Jahren werden Adjuvanzien zur Steigerung der Effizienz von Impfungen und Immuntherapien eingesetzt. Standen ursprünglich in der ersten Generation lediglich partikuläre Wirkverstärker wie Aluminiumsalze mit einem Depoteffekt als Wirkmechanismus zur Verfügung, halten heute in beiden Anwendungsbereichen mit Immunpotenziatoren und Vektorsystemen hochspezifische Prinzipien Einzug. Sie ermöglichen es, die Immunreaktion auf das Allergen/Antigen zu verstärken und vergrö- ßern zugleich den Kreis der Patienten, die hiervon profitieren.

Prinzipiell sollen Adjuvanzien durch Wirkverstärkung die Menge des notwendigen Antigens reduzieren und damit die Sicherheit erhöhen, zugleich aber auch Kosten reduzieren, indem die Zahl der Applikationen reduziert wird, erläuterte Professor Ludger Klimek, Wiesbaden, bei einer Veran- staltung im Rahmen des 14. Deutschen Allergiekongresses in Hannover.

Ursprünglich eingesetzte Präparate wie Aluminiumsalze werden zwar auch heute noch häufig verwendet, wegen möglicher Toxizität vor allem bei Langzeitanwendung oder hoher Dosierung allerdings eher kritisch gesehen. So ist die Aluminiumkonzentration verschiedener Antigenpräparate extrem unterschiedlich und es kommt zu einer Anreicherung des Leichtmetalls in Knochen und Gehirn, sagte der Immunologe. Obwohl das Paul-Ehrlich-Institut in zugelassenen, mit maximal 0,5 mg Aluminium pro Dosis verstärkten Therapieallergenen für die Allergen-spezifische Immuntherapie (AIT) kein Sicherheitsrisiko sieht, läuft hierzu aktuell eine neue Risikobewertung, speziell bezüglich ihrer Langzeitanwendung.

Neue Adjuvanzien sollen über eine spezifische Wirkung hinaus auch die Immunantwort bei Älteren oder Immungeschwächten verbessern. So konnte etwa die Wirkung von Vakzinen gegen Influenza und Herpes Zoster durch Adjuvantierung deutlich verbessert werden. In den letzten Jahrzehnten stieg die Anzahl adjuvanter Vakzine exponenziell an, so Klimek.

In der AIT derzeit gebräuchliche Adjuvanzien sind – neben Aluminium- hydroxid – Mikrokristallines Tyrosin (MCT), Monophosphoryl-Lipid A (MPL) und Kalziumphosphat (CaP). Vorteile von MCT sind – bei vergleichbarer Stärke einer IgG-Antikörperantwort im Tiermodell wie unter Aluminium, aber deutlich geringerer Th2-Aktivierung – seine extrem kurze Halbwertzeit von 48 Stunden sowie die fehlende Anreicherung im Körper. Es ist damit nach Klimeks Einschätzung „ein gutes, effektives und vollständig abbaubares Adjuvans“ und eine absolut adäquate Alternative zu Aluminium bei Impfung und Immuntherapie.

Immunpotenziatoren wie Monophosphoryl-Lipid (MPL) verbessern die immunologische Wirksamkeit durch spezifische Interaktion mit Toll-like Rezeptoren (TLR-4) auf Antigen- präsentierenden Zellen (APC). Die verbesserte Stimulation von Th1- und Treg-Zellen durch MPL zeigt sich invitro durch eine gesteigerte IL-12- Produktion. Speziell MPL-verstärkte Graspollenallergene werden gut vertragen und senken den Symptomscore – jeweils im Vergleich zu MPL- freien Therapie-Allergenen – deutlich, wie eine erste klinische Studie (GSL- 103) mit einer deutlich erhöhten Rate negativer nasaler Provokationstests ergab.

Ein ganz anderes Wirkprinzip, welches bereits in der klinischen Entwicklung für die AIT ist, haben Vektorsysteme wie Virus like particles (VLP). Mit einer nativen Epitop- Präsentation der Antigene für die Aufnahme durch APC auf der Partikeloberfläche sind sie für den Transport über das Lymphsystem optimiert. VLP täuschen dem Organismus dabei eine Virusinfektion vor, führen trotz hoher Immunogenität aber nicht zur Mastzell-Degranulation, wie Klimek erklärte. Dabei werden sowohl molekulare (PAMP) als auch strukturelle Pathogen-assoziierte Muster (PASP) aktiviert, was zu einer starken zellulären und humoralen Immunantwort führt und gleichzeitig die Th2-abhängige Allergiereaktion unterdrückt.

Regulatorisch gelten AIT-Präparate mit neuen Adjuvanzien allerdings als komplett neue Produkte. Deshalb ist hier mit kostspieligen, aufwändigen und verzögerten Zulassungen entsprechender Produkte zu rechnen. „Wir werden in den nächsten Jahren nur langsam neue Adjuvanzien dazubekommen“, dämpfte Klimek daher zu starke Hoffnungen bezüglich der raschen klinischen Zulassung innovativer Adjuvanzien.

Auf die Gemeinsamkeiten zwischen Allergien und Infektionen als häufigste Ursache für einen Arztbesuch von Kindern verwies der Pädiater PD Dr. Martin Rosewich, Altötting. Für beide Entitäten stehen mit Allergen-spezifischer Immuntherapie (AIT) und Impfungen ähnliche kausale Behandlungen zur Verfügung. Als weitere Gemeinsamkeit haben sich beide Erkrankungsformen nach jahrzehntelanger Zunahme inzwischen auf einem hohen Niveau stabilisiert. Nach Daten der KIGGS-Studie etwa leidet mehr als jedes siebte Kind in Deutschland an allergisch bedingten Erkrankungen und 40 Prozent sind gegen mindestens ein Allergen – meist Aero- oder Nahrungsmittelallergene – sensibilisiert. Gemeinsam mit Infektionskrankheiten ist Allergien wie dem Heuschnupfen auch die Rhinitis als Symptom sowie die durch IgG, IgA und T-Zellen vermittelte immunologische Ursache der Beschwerden. Ebenfalls bei Allergien und Infektionen findet sich die Induktion regulatorischer T-Zellen (Treg) und die Mastzelldegranulation, gegen die in beiden Fällen Antihistaminika wirken. Dendritische Zellen, die Antigene und Allergene erkennen und über TLR auf PAMPs reagieren, sind ein wichtiger Ansatzpunkt sowohl der AIT als auch der Impfung gegen Infektionen, so Rosewich. Ausgenutzt wird bei der AIT die, durch eine hohe und langdauernd applizierte Allergendosis bewirkte dominierende Th1-Antwort.

Dagegen kommt es bei niedrigen Allergendosen bevorzugt zur Th2- Antwort mit Allergie und Mastzellreaktion. Mit MCT hat sich zudem ein bereits in der Immuntherapie bewährtes Adjuvanz auch als neue Strategie bei einer Malaria-Impfung erwiesen.

Nach Ansicht von Rosewich kann die AIT als eine langwierigere Form der Impfung angesehen werden, allerdings mit dem Ziel der Immuntoleranz statt der Erregerelimination. Problem der derzeit verfügbaren AIT- Präparate zur subkutanen Immuntherapie (SCIT) als Goldstandard und der ähnlich effektiven sublingualen (SLIT) Variante ist jedoch die mit mindestens drei Jahren von vielen Eltern und Patienten nicht tolerierte lange Anwendungsdauer. Angestrebt werden sollte daher eine effektive Induktion einer Immuntoleranz mit weniger Injektionen und kürzerer Anwendungsdauer, so der Pädiater. Hierzu werden derzeit intralymphatische, intradermale, orale und epikutane Therapieformen entwickelt. Zur vielversprechenden Anwendung von Virus like particles (VLP) beginnt demnächst eine Phase-I-Studie bei Erdnussallergie, einer Allergieform, welche auch in Deutschland zunehmend auftritt. Damit werden auch die bislang insuffizienten Impf- und AIT- Quoten steigen, so Rosewichs Hoffnung. Bislang erhalten nämlich nur 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren mit bestätigtem Heuschnupfen oder Neurodermitis sowie positivem Allergietest eine AIT – erstrebenswert wären aber Raten von 80-100 Prozent.

Quelle: Lunchsymposium „AllerGOlogie weitergedacht“ beim 14. Deutschen Allergiekongress, 26. September 2019, Hannover; Veranstalter: Bencard Allergie GmbH