Allergien

Kinder zunehmend von schweren allergischen Reaktionen betroffen

Austausch von Notfallspritzen in der Apotheke gefährdet Menschenleben

Anaphylaxien, also schwere allergische Reaktionen, nehmen in allen Altersgruppen zu. Studien weisen darauf hin, dass die Zahl von Krankenhausaufnahmen wegen schwerwiegender Allergiereaktionen gerade bei Kindern in den letzten zehn Jahren um das Siebenfache gestiegen ist.

Anaphylaxie bezeichnet eine akut auftretende, allergische Reaktion, die mehrere Organsysteme beziehungsweise den ganzen Körper betreffen kann. Umgangssprachlich ist vor allem der “anaphylaktische Schock” bekannt, bei dem Atemnot, Blutdruckabfall sowie Herz- und Kreislaufversagen binnen Minuten nach Kontakt mit einem Allergen zu einer lebensbedrohlichen Situation führen können. Atemstillstand und Herzversagen sind die wesentlichen Ursachen für einen tödlichen Verlauf einer Anaphylaxie.

Bei Kindern werden anaphylaktische Reaktionen überwiegend durch Nahrungsmittel ausgelöst. An erster Stelle stehen Erdnüsse, Haselnüsse und Milcheiweiß. Bei Erwachsenen sind Wespen- und Bienengift, Hülsenfrüchte, tierisches Eiweiß sowie Schmerzmittel die häufigsten Auslöser einer Anaphylaxie. Da anaphylaktische Reaktionen in Deutschland nicht meldepflichtig sind, existiert keine amtliche Statistik über Häufigkeit, Verlauf und Ausgang. Bislang wird ein “Anaphylaxieregister” für Deutschland, das auf freiwilligen Meldungen von Allergologen beruht, von Wissenschaftlern und Ärzten aus eigenem Engagement geführt. Dieses liefert bereits wichtige Informationen, kann aber ein flächendeckendes, amtliches Register nicht ersetzen.

„Die Anaphylaxie wird deutlich unterschätzt. Einer von 100 Menschen erleidet mindestens einmal in seinem Leben einen allergischen Schock. Das Risiko ist viel höher, als es den Betroffenen meist bewusst ist“, so Professor Christian Vogelberg, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V. (GPA). Gefährdete Personen sollten deshalb ständig Notfallmedikamente bei sich tragen. Wesentlicher Bestandteil dabei ist eine Adrenalin-Auto-Injektor (AAI) genannte Spritze. Das Adrenalin reduziert die Symptome am Herz, an der Haut und den Atemwegen und muss vom Patienten oder anderem geschulten Personen injiziert werden. Der am 1. Juli 2019 geschlossene “Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung” zwischen dem Deutschen Apothekerverband und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet nun aber die Apotheker, statt des verordneten AAI einen der vier preisgünstigsten AAI an den Patienten abzugeben. „Hierdurch ist die Versorgung von Anaphylaxie-gefährdeten Patienten erheblich verschlechtert worden“, kritisierte Professor Dr. Ludger Klimek, Präsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen (AEDA).

Patienten werden für den Notfall mit ihrem AAI geschult, damit sie sich das lebensrettende Adrenalin ohne nachzudenken sofort spritzen können. Aufwendige Trainingsprogramme wie das der Arbeitsgemeinschaft

Anaphylaxie Training und Edukation (AGATE) machen Patienten und auch Bezugspersonen wie Verwandte, Lehrer und Kita-Personal mit der Anwendung des AAI vertraut und nehmen Ängste vor der Injektion. Erhält der Patient nun einen AAI, der anders als das eingeübte Modell funktioniert, kann das die Notfall- behandlung gefährden – möglicherweise mit juristischen Folgen: Denn Haftungsausschlusserklärungen und auch Anaphylaxie-Pässe werden meist produktspezifisch ausgefüllt. Liegt durch den Rahmenvertrag keine gültige Haftungsausschlusserklärung für das spezifische Präparat vor, unterbleibt möglicherweise eine erforderliche Notfallbehandlung durch einen Dritten. „Das zeigt, dass bei Verschreibung eines bestimmten Adrenalin-Autoinjektors dieser auch ausgehändigt werden muss und nicht in der Apotheke einfach durch einen anderen ausgetauscht werden kann, denn das kann Menschenleben gefährden“, so Professor Dr. Thomas Werfel, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI). Daher fordern die Wissenschaftler eine Korrektur des Rahmenvertrags zur Arzneimittelversorgung in diesem Punkt.

Quelle: DGAKI