Axiale Spondylarthritis

Einordnung des Krankheitsbegriffes axSpA und Bedeutung der FrüherkennungEinordnung des Krankheitsbegriffes axSpA und Bedeutung der Früherkennung

Interview mit Prof. Dr. med. Jürgen Braun, Herne

Bei der nicht-röntgenologischen axialen Spondyloarthritis (nr-axSpA) und der klassischen ankylosierenden Spondylitis (AS) handelt es sich nach heutigem Verständnis um ein einziges Krankheitsbild – die axiale Spondyloarthritis (axSpA). Im Sinne einer besseren Frühdiagnostik zur Vermeidung von irreversiblen Schäden ist es wichtig, in der Primärversorgung die klinischen Symptome richtig zu deuten und bei begründetem Verdacht rechtzeitig an einen Rheumatologen zu überweisen. Anlässlich der 5. Novartis Rheumatologentage vom 28.-29. Februar 2020 in Berlin äußerte sich Prof. Dr. Jürgen Braun über die axiale Spondyloarthritis (axSpA) und über die Gründe für die zum Teil jahrelange Diagnoseverzögerung. Der Inhaber des Lehrstuhls Rheumatologie an der Ruhr-Universität Bochum und ärztliche Direktor des Rheumazentrums Ruhrgebiet erläuterte den Krankheitsbegriff axSpA und zeigte auf, wie eine Früherkennung in der Primärversorgung funktionieren könnte.

Herr Prof. Braun, die ‘Assessment of SpondyloArthritis International Society‘ (ASAS)-Klassifikationskriterien definieren die Erkrankung axiale Spondyloarthritis (axSpA), die in die nicht-röntgenologische axiale SpA (nr-axSpA) und die klassische ankylosierende Spondylitis (AS, jetzt auch röntgenologische axSpA) unterteilt ist. [1,2] Können Sie kurz beschreiben, durch welche Hauptmerkmale sich die nr-axSpA von der AS abgrenzt?

Prof. Braun:

Im Prinzip handelt es sich bei der nr-axSpA und der AS um zwei Entitäten einer Erkrankung, die anhand von röntgenologischen Veränderungen in den Kreuz-Darmbein-Gelenken unterschieden werden. Sind diese Veränderungen struktureller Natur, so dass sie in einem Röntgenbild eindeutig erkennbar sind, und haben sie einen gewissen Schweregrad erreicht, spricht man von einer AS oder röntgenologischen axSpA, andernfalls von einer nr-axSpA. Für den klinischen Alltag ist diese Unterscheidung weitgehend irrelevant, entscheidend ist die Entzündungslast der Patienten. Dabei ist es relativ egal, ob bereits Strukturveränderungen vorliegen oder nicht. Zu beachten ist allerdings, ob das für die Behandlung vorgesehene Medikament für die Indikation nr-axSpA zugelassen ist.

Es vergehen im Schnitt 6 bis 8 Jahre, bis die Diagnose axSpA gestellt wird. Was bedingt aus Ihrer Sicht diese Diagnoseverzögerung und welche Folgen entstehen daraus?

Prof. Braun:

Aktuelle Krankenkassendaten haben gezeigt, dass sich die Diagnoseverzögerung auf etwa 5 Jahre verkürzt hat, was immer noch relativ lang ist. Wir würden die axSpA gerne früher erkennen und behandeln in der Hoffnung, dadurch irreversible Schäden vermeiden zu können. Verschiedene Faktoren tragen zu der unerwünschten Verzögerung bei: Einerseits musste man nach den alten New-York-Kriterien für AS quasi auf Röntgenveränderungen warten, so dass eine Diagnose in der Frühphase der Erkrankung von vielen Kollegen gar nicht gestellt wurde. Auf der anderen Seite – und das ist ein viel wichtigeres Argument – leiden sehr viele Menschen an Rückenschmerzen, aber nur bei einem kleinen Teil ist die axSpA dafür ursächlich – ein Grund, warum in der Primärversorgung oft nicht an diese Erkrankung gedacht wird. Die axSpA-Patienten aus diesem großen Pool der Patienten mit Rückenschmerzen herauszufiltern, ist das Problem, zumal die Diagnosestellung in der Frühphase nicht gerade trivial ist.

Was wären für Sie wichtige Schritte, um dieser Diagnoseverzögerung entgegenzuwirken bzw. welche Anzeichen sind besonders typisch für eine nr-axSpA?

Prof. Braun:

Im Frühstadium hat die Magnetresonanztomografie (MRT) zwar an Bedeutung gewonnen, doch ich rate davon ab, in der Primärversorgung MRTs zu machen. Denn die Qualität ist oft schlecht und selbst ‘positive‘ MRT-Befunde sind nicht unbedingt beweisend für eine axSpA. Wir brauchen gute „Referral“-Programme, die klare und vor allem einfache Kriterien enthalten, welche Patienten der Primärversorger zum Rheumatologen schicken soll. Ein wichtiges Kriterium ist das Alter unter 45 oder sogar unter 35 Jahren bei Beginn der Rückenschmerzen. Ich bin der Meinung, dass nur ein einfaches System funktioniert, bei dem der Primärversorger seinem Patienten nicht viel mehr als 3 klinische Fragen stellen muss, u.a. nach (nur zum Teil wechselseitigen) Gesäßschmerzen und Besserung bei Bewegung. Falls die Angaben nicht eindeutig sind, sollte noch eine HLA-B27-Bestimmung durchgeführt und der Patient auf dieser Basis ggf. überwiesen werden. 􏰉

Quelle: Novartis

Literatur

1. Rudwaleit M, et al. Ann Rheum Dis. 2009;68(6):770–6.
2. Rudwaleit M, et al. Ann Rheum Dis. 2009;68(6):777–83.