Chirurgie

Bakteriophagentherapie als potenzielle Behandlungsoption für chirurgische Wundinfektionen (Teil 2)

L. Nadareishvili, MD1, N. Hoyle, MD1,2, N. Nakaidze2, D. Nizharadze, MD1, M. Kutateladze, PhD3, N. Balarjishvili, PhD3, E. Kutter, PhD2, and N. Pruidze, MD, PhD1

1 Eliava Phage Therapy Center, Eliava Foundation, Tbilisi, Georgien
2 PhageBiotics Research Foundation, The Evergreen State College, Olympia, Washington, USA
3 G. Eliava Institute of Bacteriophages, Microbiology and Virology, Tbilisi, Georgien

Alle drei aus der Wunde isolierten Stämme wurden auf ihre Antibiotikaempfindlichkeit getestet und als multiresistent eingestuft. Basierend auf der bakteriellen Empfindlichkeit wurden zwei Bakteriophagenpräparate zur Behandlung der Infektion ausgewählt: Staphylokokken-Bakteriophage und Intesti-Bakteriophage. Ein spezieller Phage gegen B. cepacia war nicht verfügbar. Beide Phagenpräparate wurden per os verabreicht, Intesti-Bakteriophage wurde zusätzlich äußerlich angewendet. Zehn Milliliter flüssiger Intesti-Bakteriophage wurden mit einer sterilen Spritze auf eine Gaze gesprüht, um sie zu tränken, und dann 1x täglich auf die Wunde aufgelegt. Zusätzlich wurde ein steriler Katheter in das Ulkus eingeführt, um das infizierte Gewebe mit 2–3 ml Intesti-Bakteriophage 1x täglich über einen Zeitraum von 7 Tagen lokal zu spülen (s. Abb. 3b).

Die orale Behandlung mit zwei Phagenpräparaten – Staphylokokken-Bakteriophage 20 ml und Intesti-Bakteriophage 20 ml – wurde nach Einnahme von 100 ml alkalischem Mineralwasser („Borjomi“) als Antazidum durchgeführt. Die anfängliche Phagenbehandlung dauerte 20 Tage, nach einer 2-wöchigen Pause setzte der Patient die gleiche Behandlung für weitere 20 Tage fort. Andere verwendete Medikamente waren ein B-Vitamin-Komplex (Milgamma 100 mg) und ein oraler filtrierter Extrakt aus Kälberblut als Ergänzung (Actovegin 200 mg). Der Patient erhielt während der Phagentherapie zu keinem Zeitpunkt eine Antibiotikatherapie.

Ergebnisse
Fünf Wochen nach der Behandlung reduzierte sich die Größe der Wunde auf 2,4 × 2,5 cm. Nach 6 Wochen war die Fläche weiter auf 2 x 1,8 cm zurückgegangen (s. Abb. 3c). Sichtbar heilte und schloss das Ulkus, die fibröse eitrige Schicht wurde entfernt, und es begann sich Granulationsgewebe zu bilden. Anzeichen einer Osteomyelitis auf der CT-Aufnahme lösten sich ebenfalls auf. Es wurden während der gesamten Behandlung keine unerwünschten Wirkungen auf die Phagenpräparate beobachtet. Der Patient hatte nach 1 Jahr Behandlung keinen Rückfall (s. Abb. 3d).

Kasuistik 4

Präsentation des Falls
Ein 68-jähriger männlicher Patient stellte sich im Dezember 2017 im EPTC mit einer postoperativen Infektion vor. Der Patient hatte sich einer Hauttransplantation an der Vorderseite des linken Oberschenkels unterzogen, um eine chirurgische Wunde abzudecken, die nach der Entfernung des Kehlkopfes aufgrund eines Karzinoms zurückgeblieben war. Nach der Hauttransplantation infizierte sich der Bereich, an dem die Haut entnommen wurde, und heilte trotz einer Antibiotikatherapie nicht (s. Abb. 4a). Bei der Aufnahme wurden ein vollständiges Blutbild (CBC), ESR und CRP durchgeführt, die alle im Normalbereich lagen, jedoch war der HbA1c-Wert über dem Referenzbereich (5,96 %). Die bakterielle Kultur von Abstrichen aus dem infizierten Bereich zeigte das Vorhandensein von Pseudomonas aeruginosa. Eine Ultraschalluntersuchung des subkutanen Gewebes zeigte eine subkutane Infiltration, aber kein subkutanes Abszess. Die Antibiotika-empfindlichkeit des isolierten P.-aeruginosa-Stamms zeigte eine Multiresistenz.

Abb. 4a-d: Vor der Behandlung (l.) befindet sich in der oberen Hälfte des linken Oberschenkels eine 15-25 cm lange, oberflächlich blutende Wunde. Nach der Bakteriophagenbehandlung (2.v.l.) hat sich die Wunde am linken Oberschenkel vollständig geschlossen. Vor der Behandlung am rechten Oberschenkel (2.v.r.): 15-25 cm lange, oberflächlich blutende Wunde. Nach der Bakteriophagenbehandlung (r.) hat sich die Wunde am rechten Oberschenkel vollständig geschlossen.

Basierend auf der bakteriellen Empfindlichkeit wurden zwei Bakteriophagenpräparate zur Behandlung der Infektion ausgewählt: Pyo-Bakteriophage und Intesti-Bakteriophage. Beide Phagencocktails wurden per os verabreicht, Pyo-Bakteriophage wurde auch lokal angewendet. Zehn Milliliter flüssiger Pyo-Bakteriophage wurden mit einer sterilen Spritze auf eine Gaze gesprüht, die dann 1x täglich auf die Wunde aufgelegt wurde. Die Wunde wurde mit einem sterilen Klebeverband abgedeckt.

Die orale Behandlung mit zwei Phagenpräparaten – Pyo-Bakteriophage 10 ml 1x täglich und Intesti-Bakteriophage 10 ml 1x täglich – wurde nach Neutralisierung der Magensäure mit 100 ml „Borjomi“ alkalischem Mineralwasser durchgeführt. Die anfängliche Phagenbehandlung dauerte 20 Tage, nach einer 2-wöchigen Pause setzte der Patient die gleiche Behandlung für weitere 20 Tage fort. Solcoseryl, ein epithelialregenerierendes Pulver, wurde ebenfalls 1x täglich in den Behandlungsverlauf des Patienten integriert. Nach der anfänglichen Behandlung begann sich das Gewebe zu regenerieren, die Hautrötung ließ nach und Granulationsgewebe bildete sich. Antibiotika wurden nicht in Kombination mit der Phagentherapie verwendet.

Im Mai 2019 wandte sich der Patient erneut an das EPTC, um eine Behandlung für eine zweite Hauttransplantationswunde an der Vorderseite des rechten Oberschenkels zu erhalten. Trotz anfänglicher intravenöser (IV) und lokaler Antibiotikatherapie in seinem Heimatland hielt die Infektion an und der Patient stellte sich einen Monat nach der Operation in unserer Klinik vor (s. Abb. 4c). Die bakteriologische Analyse ergab Infektionen mit Staphylococcus aureus und Serratia marcescens. Die Behandlung mit Bakteriophagenpräparaten wurde nach dem gleichen Protokoll wie zuvor eingeleitet. Da keine kommerziell verfügbaren Bakteriophagenpräparate gegen Serratia marcescens vorhanden waren und die Herstellung eines individuellen Phagen nicht rechtzeitig möglich war, entschieden wir uns, Phagen gegen den dominanten Erreger S. aureus zu verwenden.

Ergebnisse
Nach 3 Monaten Phagenbehandlung war die Wunde am linken Oberschenkel vollständig verheilt (s. Abb. 4b). Die gleichen erfolgreichen Ergebnisse wurden auch für die Wundbehandlung am rechten Oberschenkel erzielt: Die Infektion wurde beseitigt und das Gewebe heilte vollständig (s. Abb. 4d). Während beider Behandlungsphasen traten beim Patienten keine unerwünschten Wirkungen während oder nach der Phagentherapie auf.

Diskussion

Das Eliava Phagentherapiezentrum (EPTC) hat bereits zahlreiche Patient*innen mit chirurgischen Wunden behandelt, darunter Fälle von Osteomyelitis, prothesenassoziierten Infektionen, Abszessen und Fisteln. Die meisten der behandelten Wunden wurden durch multiresistente Bakterienstämme verursacht. Die Behandlung chirurgischer Infektionen mit Phagen ist in Georgien mittlerweile eine gut etablierte Praxis, da die Ärzte und Militärbehörden seit den 1930er und 1940er Jahren aktiv das therapeutische Potenzial von Bakteriophagen in der chirurgischen Praxis erforschen. Während des Finnischen Krieges erhielt der georgische Wissenschaftler Alexander Tsulukidze, der zuvor an der Entwicklung von Staphylokokken- und Streptokokken-Phagen zusammen mit Eliava und d‘Hérelle gearbeitet hatte, die Erlaubnis, die Wirksamkeit von Phagen im Leningrader Rote-Armee-Krankenhaus zu testen. Tsulukidze berichtete, dass während einer 5- bis 6-tägigen Behandlung in der Regel nach den ersten 2 Tagen der Phagenanwendung eine Besserung beobachtet wurde.

In der ehemaligen UdSSR wurden Phagen für verschiedene Zwecke eingesetzt: zur Behandlung eitriger Wunden, zur Behandlung postoperativer Infektionen und zur Prävention von Wundinfektionen. Der Verabreichungsweg der Phagen variierte von oral bis intravenös und topisch, wobei die höchsten Erfolgsraten bei Staphylokokken- und Streptokokken-Infektionen berichtet wurden.

Der vorliegende Bericht beschreibt eine Fallserie von vier Patient*innen mit chronischen, hartnäckigen bakteriellen Infektionen verschiedener Ätiologien. Zwei der Patient*innen präsentierten sich mit chronischer Osteomyelitis, ein Patient mit einer Infektion des Sternums und einem rezidivierenden parasternalen Abszess, ein weiterer mit einer Infektion des rechten Schienbeins. Beide Osteomyelitis-Fälle wurden durch multiresistente S.-areus (MSSA)-Infektionen verursacht. Der dritte Patient entwickelte ein diabetisches Fußulkus und die bakteriologische Analyse der aus dem Ulkus entnommenen Proben zeigte eine polymikrobielle Infektion mit B. cepacia, S. aureus und E. faecalis. Der vierte Patient hatte bei seinem ersten Besuch eine Infektion mit Pseudomonas und bei seinem zweiten Besuch eine Mischinfektion mit S. marcescens und S. aureus.

Bevor die Patient*innen ins EPTC kamen, hatten alle vier eine langwierige Antibiotikatherapie durchlaufen, die für sie ineffektiv war. Im EPTC wurde für jede Patientin bzw. jeden Patienten eine individuelle Bakteriophagen-Behandlung erstellt. Die isolierten Bakterienstämme wurden auf ihre Empfindlichkeit gegenüber kommerziell verfügbaren Bakteriophagenpräparaten getestet. Nach der Phagentherapie zeigten sich in allen vier Fällen Besserung und Wundheilung. Wichtiger war jedoch, dass während der gesamten Behandlung keine unerwünschten Reaktionen auf die Phagentherapie beobachtet wurden.

In allen vier beschriebenen Fällen wurde S. aureus als der Hauptverursacher der Infektionen identifiziert. Dieser Erreger stellt die häufigste Ursache von Knocheninfektionen in allen Altersgruppen dar. Der Einsatz von Antibiotika zur Behandlung der Osteomyelitis war nicht nur aufgrund möglicher Antibiotikaresistenzen kompliziert, sondern auch, weil Antibiotika häufig eine schlechte und unzureichende Penetration bei diesen Infektionsherden zeigen.

Die positive Wirkung von Bakteriophagen bei der Behandlung von Osteomyelitis wurde in zahlreichen Tierversuchen dokumentiert. Kishor et al. setzten erfolgreich Bakteriophagen ein, die aus Wasserquellen isoliert wurden, um eine chronische Osteomyelitis bei Kaninchen zu behandeln. Nach zweiwöchiger Therapie erholten sich die Kaninchen von der Infektion. Ibrahim et al. verwendeten ebenfalls Kaninchen, um zu demonstrieren, dass die Bakteriophagenbehandlung bei der Behandlung von multiresistenten S.-aureus-Osteomyelitiden wirksam war.

Diabetische Neuropathie stellt ein großes Problem im Gesundheitswesen dar; es wird geschätzt, dass von den 350 Millionen Patient*innen mit einer Diabetesdiagnose 30-50% eine periphere Neuropathie entwickeln, die letztendlich zu einer Amputation führen kann. Die Behandlung und das Management von diabetischen Fußgeschwüren umfasst chirurgisches Debridement, Infektionsmanagement mit Antibiotika und Revaskularisation. Neben dem Problem der Resistenz werden Antibiotika leicht vom menschlichen Körper metablisiert und erreichen häufig nicht in therapeutisch signifikanten Dosen das Zielgewebe. Da zudem die Blutversorgung in den Extremitäten von Diabetikern stark beeinträchtigt ist, ist es nochmals schwieriger für oral aufgenommene Medikamente, die Infektionsstelle zu erreichen.

Die Pharmakokinetik der Phagenanwendung unterscheidet sich drastisch von Antibiotika und bietet mehrere Vorteile, darunter exponentielles Wachstum, leichte Penetration an den Zielorten, spezifisches Wirkspektrum und minimale toxische Nebenwirkungen. Aufgrund ihrer Langlebigkeit und Evolution kann die Phagentherapie der Antibiotikabehandlung in einigen Fällen überlegen sein, insbesondere wenn Antibiotikaresistenz ein Problem darstellt. Es wurden Staphylokokken-Phagen, die von Eliava Biopreparations hergestellt wurden, in einer Fallserie von sechs Patient*innen mit diabetischen Fußgeschwüren verwendet und dabei wurde in allen Fällen sowohl eine Erholung der zugrunde liegenden Infektion als auch eine vollständige Heilung der Ulzera über einen Zeitraum von 7 Wochen beobachtet.

Da der Verabreichungsweg den Krankheitsverlauf beeinflussen kann, ist es wichtig, die Pharmakokinetik von Bakteriophagen zu berücksichtigen. Es wurde gezeigt, dass unterschiedliche Verabreichungsmethoden in verschiedenen Fällen und bei unterschiedlichen Erregern vorzuziehen sind. Staphylococcus-aureus-assoziierte Biofilme haben sich als ernsthafte Herausforderung für die Wundheilung erwiesen, da sie immunogene Eigenschaften aufweisen, die die Immunantwort auf die Infektion behindern. Wissenschaftler zeigten, dass die kombinierte Anwendung von Gewebe-Debridement und Bakteriophagen die bakterielle Last reduziert und die Heilungsparameter bei S.-aureus-biofilminfizierten Wunden verbessert. Während der Behandlung des diabetischen Fußulkus entschied der Chirurg in dieser Studie, Phagen direkt in das Gewebe einzuführen, indem er einen sterilen Kunststoff-Mikrokatheter verwendete, in Kombination mit topischer und oraler Anwendung von Phagen.

Dieser Fall war besonders kompliziert, da die Infektion durch drei verschiedene Pathogene verursacht wurde: B. cepacia, S. aureus und E. faecalis. Durch die Bakteriophagenbehandlung schloss sich jedoch das Ulkus vollständig. Der verwendete Phage zielte nicht auf B. cepacia ab; dennoch wurde die Eradikation aller bakteriellen Stämme beobachtet. Das gleiche Phänomen wurde bei der Mischinfektion durch S. marcescens und S. aureus beobachtet.

In Fall 1 dieses Berichts erlebte der Patient mit S.-aureus-Osteomyelitis des Sternums eine signifikante Veränderung der Antibiotikaresistenz während der Phagentherapie. Die Empfindlichkeit des identifizierten S. aureus-Stamms gegenüber Antibiotika wurde zweimal überprüft: Während des ersten Tests wurde Resistenz gegen 12 Antibiotika festgestellt, während der zweite Test, der 13 Tage nach der Behandlung durchgeführt wurde, nur noch Resistenz gegen 7 Antibiotika zeigte. Während der Behandlung erhielt der Patient eine Kombination aus Staphylokokken-Bakteriophage, Pyo-Bakteriophage und SES-Bakteriophage. Der Mechanismus hinter der Veränderung der Resistenz kann dadurch erklärt werden, dass Bakterien im Rahmen der gerichteten Koevolution mutative Veränderungen an den Rezeptorstellen durchlaufen, was zum Verlust der Virulenz führt.

Quelle: Originalveröffentlichung in PHAGE: Therapy, Applications, and Research Volume 1, Number 3, 2020, DOI: 10.1089/phage.2020.0010

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