Neues Femoroplastie-Verfahren stabilisiert den osteoporotischen Schenkelhals
Chirurgie statt Pharmakotherapie bei der Hüftfraktur-Prophylaxe
Knochendichteverlust am proximalen Femur und zunehmende Fragilität mit dem Alter sowie bereits erlittene Frakturen
vor allem der Hüfte sind wichtige Risikofaktoren für eine (weitere) Hüftfraktur. Effektive Strategien für eine Osteoporosetherapie sind daher – auch im Hinblick auf die alternde Gesellschaft – zunehmend gefragt. Besonders in den ersten zwei Monaten des ersten Jahres nach einer Schenkelhalsfraktur ist das relative Risiko einer zweiten solchen Fraktur etwa sechs- bis zwölffach erhöht, berichtete Professor Dr. Claus Glüer (Kiel) bei einer Session im Rahmen des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) 2021.
Knochenverluste und Risiko betreffen meist auch die kontralaterale Hüfte, zumal Gangunsicherheit und Medikationen Reaktionsvermögen und Gleichgewicht zusätzlich beeinträchtigen. Eine medikamentöse antiresorptive oder osteoanabole Therapie ist zwar wirksam, erhöht die Knochendichte jedoch nur um wenige Prozent über mehrere Jahre. Das Frakturrisiko der Hüfte als entscheidender Faktor wird durch antiresorptive Therapie etwa mit Zoledronat erst nach über einem Jahr um etwa 30% reduziert [1], und auch eine osteoanabole Therapie, etwa mit Romosozumab, schneidet hierbei mit etwa 50% nach einem Jahr nicht viel besser ab. [2] Vor allem für das hoch riskante erste Jahr nach Hüftfraktur sind daher wirksame operative Alternativen notwendig. Um den Knochen des proximalen Femur schnell und dauerhaft zu verstärken, sind bioverträgliche Materialien mit mechanischen Eigenschaften erforderlich, die mechanisch effektive Verstrebungen mit Verbindung zum bestehenden Knochen schaffen, die Knochenbildung mit intakter Spongiosa und stabiler Kortikalis weiter stimulieren (osteoinduktiver Effekt) und anschließend möglichst resorbiert werden.
Resorbierbares Material stabilisiert den Knochen rasch und langfristig
Ein wesentliches Problem der Osteo- porose ist der Rückgang einer stabilen Knochenstruktur. Die Trabekel sind am proximalen Femur weitgehend verschwunden und die Kortikalis ist verdünnt. „Wo keine Struktur ist, kann auch ein Medikament nicht adäquat wirken“, betonte Professor Dr. Uwe Maus, Düsseldorf. Die notwendige chirurgische Versorgung von Frakturen des peritrochantären oder medialen Schenkelhalses ließe sich durch rechtzeitige Intervention durchaus reduzieren. Zusätzliche Argumente dafür sind Ergebnisse [3], nach denen die Sterblichkeit von Patienten mit der präoperativen Verweildauer deutlich zunimmt, sowie potenzielle
Komplikationen und Risiken nach operativer Frakturversorgung. Hierzu zählen patientenbedingte Faktoren wie Alter, niedrige Knochenqualität, Mangel von Calcium und Vitamin D sowie frakturbedingte Faktoren, etwa Trümmerzonen, ausgedehnte Dislokationen oder vertikaler Frakturverlauf. Eine operative regionale Steigerung der Knochenqualität mit nachhaltiger Stabilisierung der Struktur des Schenkelhalses ist mit unterschiedlichen femoroplastischen Verfahren möglich. Das häufig verwendete künstliche Augmen- tationsmaterial PMMA (Polymethylmethacrylat) füllt und stabilisiert zwar mechanisch, hat jedoch keine induktiven osteogenen Effekte. Vorteilhafter für einen biologischen Knochenauf- und -umbau sind hier Calciumsulfat und Calciumphosphat.
Ein neues Verfahren für Patienten mit einem sehr hohen Risiko für Hüftfrakturen ist die LOEP® (Local Osteo-Enhancement Procedure), bei der Kavitäten im Schenkelhals erzeugt und mit einem rasch aushärtenden und stabilisierenden Gemisch aus Beta-Tricalciumphosphat und Calciumsulfat gefüllt werden. Das sukzessive während des Knochenaufbaus substituierte resorbierbare Präparat führt zu einem initial raschen und zugleich dauerhaften Anstieg der Knochenstabilität, der nach den verfügbaren Studien [4] zumindest über fünf bis sieben Jahre anhält.
In der klinischen Anwendung ist LOEP als komplettes Kit verfügbar, in dem sowohl Instrumente als auch Mischvorrichtung des Füllmaterials enthalten sind. Bei dem Eingriff wird das Femur eröffnet und unter Röntgenkontrolle über einen Kanal im zentralen Femurhals eine Kavität im Bereich insuffizienter Knochendichte präpariert. Anschließend wird mehrfach mit Kochsalzlösung gespült,
um Fett und Debris zu entfernen und eine möglichst große Oberfläche zum verbleibenden Knochen zu schaffen. Anschließend wird mit einer Applikationskanüle das radioopake Füllmaterial medial beginnend nach lateral langsam ohne Druck bis zur lateralen Kortikalis in die Kavität gefüllt. In Betracht zu ziehen sind bei diesem (meist als Zweiteingriff indizierten) Verfahren jedoch ein Fraktur- und Infektionsrisiko sowie potenzielle Unverträglichkeiten, so Maus abschließend.
LOEP-Verfahren bewährt sich im klinischen Alltag
Eine prophylaktische Augmentation des osteoporotischen proximalen Femur sollte klinisch praktikabel und sicher sowie möglichst minimal invasiv sein und zu einer signifikanten dauerhaften Verbesserung der mechanischen Knochenstabilität bei ethischer und finanzieller Realisierbarkeit führen, so Dr. Jo de Schepper, St. Niklaas, Belgien. Dass dies prinzipiell mit dem LOEP-Verfahren möglich ist, haben vor mehr als zehn Jahren bereits Studien aus den USA und Hongkong nachgewiesen. In der prospektiven multizentrischen Postmarketing-Sicherheitsstudie CONFIRM, an der der orthopädische Chirurg teilgenommen hat, wurde bei 60 postmenopausalen Frauen mit einem T-Score < 2,5 am Oberschenkelhals das postoperative Sicherheitsprofil von LOEP zunächst in den ersten 42 Tagen nach dem Eingriff untersucht. Derzeit läuft eine jährliche Nachbeobachtung über insgesamt fünf Jahre unter Röntgen- und DXA-Kontrolle.
Bei den insgesamt mit LOEP behandelten 73 Hüftgelenken traten keine technischen Probleme auf, wie de Schepper betonte. Die Gesamtdauer der meist in Vollnarkose durchgeführten Prozedur betrug im Durchschnitt 15,2 Minuten mit einem mittleren injizierten Volumen von 16,2 ml. Die Patienten wurden im Mittel nach 1,2 Tagen entlassen, zu 98% unter Teil- oder Vollbelastung des behandelten Gelenks. Bei Nachkontrolle nach 42 Tagen kam es in keinem Fall zu Problemen bei der Mobilisierung oder zu Re-Interventionen und es war keine spezifische Reha notwendig. In der Sicherheitsanalyse fanden sich insgesamt 59, zumeist geringe und erwartbare unerwünschte Wirkungen wie lokales Störungsgefühl, Schwellung oder Übelkeit. Ein letaler postoperativer Herzstillstand aufgrund eines schlechten präoperativen Zustands (ASA 3) war höchstwahrscheinlich nicht mit der injizierten Substanz assoziiert. In zehn Fällen fanden sich temporäre venöse Signale eines Übertritts der Substanz, die spontan verschwanden.
Obwohl ein Großteil der Patienten danach mehrfach stürzte, kam es zu keinen neuen Hüftfrakturen. DXA- Messungen zwei Jahre nach der LOEP ergaben zudem eine Zunahme der Knochendichte von 61% bei einer weitgehend normalisierten Knochenstruktur. Geplant sind weitere Studien, die über die Sicherheit hinaus auch funktionale Verbesserungen und einen protektiven Effekt auf sukzessive Frakturen analysieren, so de Schepper abschließend.
Quelle: Sitzung WS11 „Osteoporose führt zu Knochenschwund im proximalen Oberschenkelknochen – kann eine chirurgische Behandlung helfen?“ beim Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie 2021
Literatur
1. Lyles K et al., N Engl J Med 2007
2. Cosman F et al., N Engl J Med 2016
3. Leicht H et al., Dtsch Aerztebl Int 2021; 118:454-461
4. Stroncek JD et al., J Orthop Res 2019; 37:908-915