Die Rolle der mikrographisch kontrollierten Chirurgie in der onkologischen Dermatochirurgie
Die Dermatologie umfasst neben konservativen Teilgebieten auch einen großen Bereich, welcher interventionelle und chirurgische Aspekte des Faches abbildet. Dabei weist die Dermatochirurgie bei genauerer Betrachtung ein erhebliches Spektrum auf, welches die klassische Tumorchirurgie inklusive notwendiger Defektrekonstruktionen und Lymphknoten chirurgie, aber auch die Phlebochirurgie sowie operative Aspekte der Proktologie, der operativen Lymphologie oder auch die Nävuschirurgie miteinschließt.
Für die meisten dermatochirurgisch tätigen Dermatologinnen und Dermatologen ist die operative Therapie von Hautttumoren das häufigste Behandlungsziel. Die onkologische Dermatochirurgie umfasst dabei neben der bioptischen Sicherung und chirurgischen Therapie von Primärtumoren auch die Lymphknotenchirurgie und Metastasenchirurgie. Den dermatochirurgisch tätigen Kolleginnen und Kollegen kommt dabei bereits bei der Exzision eines Primärtumors große Verantwortung zu, da hier sowohl technisch-chirurgische Aspekte wie die Planung des Wundverschlusses als auch über die eigentliche Operation hinausreichende Punkte zu berücksichtigen sind. Insbesondere die Wahl der Aufarbeitungsmethode bzw. die intra- und postoperative Vorbereitung des Exzidats wird maßgeblich durch das dermatoonkologische und histologische Wissen des Operateurs bzw. der Operateurin bestimmt. Das notwendige Knowhow reicht von der leitliniengerechten Wahl der Sicherheitsabstände verschiedener Tumore bis zur postoperativen Aufbereitung des Präparates für mikrographisch kontrollierte Techniken wie beispielsweise die 3D-Histologie.
Da nicht-melanozytäre Hauttumore (non-melanoma skin cancer, NMSC) häufig im Gesichts- und Kopfbereich auftreten, sind neben der größtmöglichen Patientensicherheit auch funktionelle und ästhetische Aspekte der Rekonstruktion der entstandenen Defekte besonders bedeutsam. Die mikrographisch kontrollierte Chirurgie spielt eine wesentliche Rolle bei der vollständigen und histologisch gesicherten Entfernung von Tumoren, während das umliegende gesunde Gewebe maximal geschont wird. In einer Fragebogen-basierten Studie, die ein und vier Jahre nach dem Eingriff durchgeführt wurde, bewerteten über 80% der weiterbehandelnden Ärzte das ästhetische Ergebnis der Operation nach 3D-histologisch kontrollierter Exzision von BZK und PEK als „exzellent“ (40,5%) oder „gut“ (40,9%).
Um den postoperativen Defekt nach einer Exzision bei maximaler Patientensicherheit so gering wie möglich zu halten, wurden verschiedene hautsparende Operationsmethoden entwickelt. Alle diese Methoden zeichnen sich durch einen mehrstufigen Ansatz aus, bei dem der chirurgische Verschluss des Defekts erst nach einer histologisch bestätigten Tumorfreiheit erfolgt. Dies ermöglicht die Entfernung ausschließlich des Tumorgewebes, während gesundes Gewebe erhalten bleibt. Für die notwendige histologische Analyse stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung, darunter insbesondere die mikrographisch kontrollierte Chirurgie mittels 3D-Histologie sowie die Mohs-Chirurgie. Dabei unterscheidet man einerseits Kryostat-basierte Methoden wie die Mohs-Chirurgie und andererseits Formalin-fixierte Methoden wie die Münchner Methode, die La Galette Methode oder die 3D-Histologie (Tübinger Torte).
Für die praktische Durchführung der 3D-Histologie ist es entscheidend, eine topographische Orientierung des Tumors auf der 12-Uhr-Position zu gewährleisten. Dies kann beispielsweise durch einen tieferen Einschnitt oder eine Fadenmarkierung erfolgen. Diese Orientierung entspricht je nach Konvention typischerweise ‘12 Uhr‘ in Richtung des Kopfes (Scheitel) des Patienten. Danach wird der Tumor bis in die Subkutis mit einem Sicherheitsabstand von in der Regel 2-5 mm, abhängig von der klinischen Diagnose oder Tumorausdehnung, exzidiert. Der Sicherheitsabstand sollte größer gewählt werden, je größer der horizontale Tumordurchmesser ist und je mehr eine subklinische Ausbreitung zu erwarten ist. Dies ist beispielsweise bei aggressiven Subtypen von Tumoren erforderlich wie etwa beim sklerodermiformen Basalzellkarzinom oder dem desmoplastischen Plattenepithelkarzinom.
Der entfernte Tumor wird anschließend direkt vom Operateur weiterverarbeitet und für die Einbettung vorbereitet. Dabei werden die Seitenränder und die Basis des entnommenen Gewebes abgetrennt und die Ränder im Uhrzeigersinn in gleich große Stücke geschnitten. Beim Einbetten in die Kassette ist darauf zu achten, dass die Außenränder mit der Epidermis plan zu liegen kommen. Das eingebettete Präparat wird anschließend in Formalin fixiert und zur weiteren histologischen Bearbeitung ins Labor geschickt oder je nach Ausbildung und Ausstattung der Klinik bzw. Praxis durch die Operateure selbst beurteilt.
Die mikrographisch kontrollierte Chirurgie zeigt deutliche Vorteile hinsichtlich Lokalrezidiven: so zeigten sich nach Anwendung der 3D-Histologie bei vollständiger Tumorentfernung (histologisch gesichert) Lokalrezidive in 0,7% der Fälle bei Basalzellkarzinomen (BZK), in 3% der Fälle bei Plattenepithelkarzinomen (PEK), und bei Betrachtung nur der PEK ohne desmoplastischen Subtyp sogar nur in 1% der Fälle. Im Rahmen der aktuellen Plattenepithelkarzinom-Leitlinie wurde die Bedeutung der mikrographisch kontrollierten Chirurgie erneut unterstrichen und bei Vorliegen von klinischen oder histologischen Risikofaktoren wird eine mikrographisch kontrollierte Chirurgie dezidiert gefordert. Dies erfordert eine noch engere Zusammenarbeit von Operateur und dermatohistopathologischem Labor. Außerdem impliziert es die Notwendigkeit, dem befundenden Histologen weitere klinische Informationen zukommen zu lassen.
Die 3D-Histologie ist besonders vorteilhaft bei großen und schwer abgrenzbaren Tumoren im Vergleich zur konventionellen Methode mit Serienschnitten in der Brotlaibtechnik, da letztere bei infiltrativem Wachstum zu falsch negativen Ergebnissen neigen kann. Bei großen Tumoren entstehen zwischen den Schnitten oft erhebliche Lücken, was die Wahrscheinlichkeit für falsch negative Befunde erhöht.
Die mikrographisch kontrollierte Chirurgie erfordert spezielle Kenntnisse und Ausbildung der Operateurinnen und Operateure, sowohl was die OP-Planung (Sicherheitsabstände, Schnittwinkel, temporärer Wundverschluss, etc) aber auch die unmittelbar postoperative Aufarbeitung angeht. Sie stellt eine Schnittstelle zwischen der Dermatoonkologie, der Dermatochirurgie und der Dermatohistopathologie dar und kann damit als prototypisch für Diagnostik und Therapie komplexer Hauttumore gelten. Das Stellen einer klinischen bzw. dermatokopischen Verdachtsdiagnose (und daraufhin folgenden Indikation zur bioptischen Sicherung) stellt eine dermatologische Kernkompetenz dar. Diese wird durch die Dermatochirurgie im Rahmen der Exzision, postoperativen Aufbereitung und Defektrekonstruktion ergänzt und im Falle von fortgeschrittenen Hauttumoren oder komplexen onkologischen Situationen durch die Dermatoonkologie komplettiert.
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