Haut- & Nagelpliz

„Ich bin ein absoluter Befürworter dieser initialen antimykotischen und antientzündlichen Therapie“

Interview mit Prof. Dr. med. Pietro Nenoff (Rötha)

 

Prof. Dr. med. Pietro Nenoff

DISKURS Dermatologie:

Herr Prof. Nenoff, in Deutschland ist das Produkt Vobaderm® Marktführer bei Dermatologen im Bereich Kortikoidkombinationen bei der Initialtherapie von infizierten Ekzemen und entzündlichen Mykosen. Es enthält Miconazol und Flupredniden. Dieses Präparat soll zunächst üblicherweise nicht länger als eine Woche eingesetzt werden. Wie bewerten Sie den Einsatz von Vobaderm® als Kombinationspräparat zur Initialtherapie der in- fizierten Ekzeme und entzündlichen Mykosen?

Prof. Nenoff:

Ich bin aufgrund zahlreicher guter Erfahrungen ein absoluter Befürworter dieser initialen antimykotischen und antientzündlichen Therapie. Viele Patienten mit Mykosen weisen auch stark entzündliche Komponenten auf, gerade auch, wenn die Mykosen schon länger bestehen. Dies ist häufig bei plantaren Infektionen oder auch bei der so genannten Mokassin-Tinea der Fall. Hier zielt die Therapie auf eine schnelle Besserung ab, was mit einer rein antimykotischen Therapie in der Regel nicht erreicht werden kann. Erst nach Abklingen der Ent- zündungen kann dann auf eine rein antimykotische Therapie umgestellt werden.

DISKURS Dermatologie:

Sie berichten in Ihrem Vortrag über die Folgen der Verwendung von in Indien freiverkäuflichen sogenannten „Kombo-Cremes“ zur Behandlung von Hautveränderungen. Worin sehen Sie hier die Gefahr?

Prof. Nenoff:

Es ist wichtig, die Situation in Indien von der in Deutschland zu unterscheiden: In Indien besteht ein ungeregelter Zugang zu Präparaten, die bei uns verschreibungspflichtig sind. Dazu kommt der Umstand, dass die Patienten diese – neben verschiedenen Antimykotika, Antibiotika und Antiseptika häufig hochpotente Steroide wie Clobetasol enthaltenden – Präparate in relativ großen Mengen über Monate anwenden. So kommt es aufgrund der Menge an benutztem Wirkstoff nicht nur zu einer topischen, sondern auch systemischen Wirkung. In Deutschland aber haben wir Ärzte die Hoheit über die Verschreibung solcher Wirkstoffe. Zudem können wir mit der rezeptpflichtigen Verschreibung die Menge an anzuwendendem Wirkstoff kontrollieren. Der medizinisch- pharmazeutische Missbrauch, der in Indien betrieben wird, ist hier zum Glück unmöglich.

DISKURS Dermatologie:

Wie sollte man in der Therapie der infizierten Ekzeme und entzündlichen Mykosen vorgehen, damit eine gezielte Therapie erfolgen kann und dem Patienten initial sofort geholfen werden kann?

Prof. Nenoff:

Gerade bei zoophilen Infektionen, bspw. wenn sich jemand im Kontakt mit Meerschweinchen infiziert hat, kommt es häufig zu stark entzündlichen Ausprägungen der Tinea. Wenn eine entzündliche Komponente vorliegt, sollte 5 bis 7 Tage mit einem Kombinationspräparat behandelt werden. Schlägt diese an, kann auf eine topische Therapie mit einem Monopräparat umgestellt werden.

DISKURS Dermatologie:

Sie haben in Ihrer Kasuistik aufgezeigt, dass der in Indien vor- herrschende Genotyp VIII von T. mentagrophytes auch in Deutschland bereits gelegentlich nachgewiesen werden konnte. Dieser hat zwei besondere Eigenschaften, den anthropophilen Übertragungsweg und seine häufige Resistenz gegenüber der Therapie mit Terbinafin. Wie sollte hier bei Verdacht vorgegangen werden und wie bewerten Sie den einwöchigen Einsatz einer lokalen Initialtherapie mit Vobaderm®?

Prof. Nenoff:

Dieser Genotyp tritt nicht nur gelegentlich auf – wir sehen zunehmend Patienten, die diesen indischen Genotyp von T. mentagrophytes aufweisen. Dem Verdacht auf das Vorliegen dieses Erregers muss nachgegangen werden, wenn im Rahmen einer Therapie mit oralem Terbinafin anstelle einer Verbesserung eine Verschlechterung der Symptomatiken eintritt – dann muss ich eine Resistenz des Erregers in Betracht ziehen und genau abklären, ob es sich erstens um T. mentagrophytes und zweitens um T. mentagrophytes VIII handelt. Mithilfe eines spezialisierten Labors ist diese Frage recht einfach

zu klären. Der Verdacht kann im Vorfeld auch aufgrund von Herkunft und Reiseverhalten des Patienten erhärtet werden, etwa wenn er sich in Indien oder anderen Ländern
der Region aufhielt oder vermehrt Kontakt zu Menschen dieser Region hatte, wie es etwa in den arabischen Ländern häufiger vorkommt.

DISKURS Dermatologie:

Wie viele der bekannten Fälle/ Patienten mit T. mentagrophytes Genotyp VIII haben sich in Deutschland infiziert? Oder handelt es sich ausschließlich um eingeschleppte Infektionen?

Prof. Nenoff:

Zu den Infektionen ist es wahrscheinlich zum überwiegenden Teil in Deutschland gekommen. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass die Patienten zwar einen Migrationshintergrund haben, aber schon lange in Deutschland leben und sich häufig schon lange nicht mehr auf dem indischen Subkontinent auf- gehalten haben. Die genauen Infektionswege kennen wir nicht, doch
ich gehe davon aus, dass es eben doch auf Reisen zu Kontakten kam oder Besuche von Menschen aus der Region stattfanden. Natürlich handelt es sich bei den von uns diagnostizierten und therapierten Menschen nicht ausschließlich um Menschen vom Subkontinent, sondern auch um Einheimische, die mit Infizierten in Kontakt standen und sich über den anthropophilen Infektionsweg angesteckt haben. Ich gehe davon aus, dass etwa 60% der 35 in unserem Labor nachgewiesenen Stämme von T. mentagrophytes VIII in Deutschland akquiriert wurden. Das klingt zunächst nach keiner hohen Zahl, doch bei diesen bestätigten Fällen handelt es sich bloß um die oberste Spitze des Eisbergs.

DISKURS Dermatologie:

Worin könnte Ihres Erachtens die Ursache der Resistenzentwicklung bei Kombinationen liegen? Liegt es am Kortikoid oder eher am Antimykotikum?

Prof. Nenoff:

An erster Stelle ist die ungeregelte Anwendung von Antimykotika zu nennen, nicht die des Kortikosteroids. Wenn ich über einen längeren Zeitraum sowohl topisch als auch systemisch Antimykotika anwende, erzeugen diese Präparate naturgemäß einfach einen Druck zur Resistenzentwicklung – das unterscheidet sich quasi nicht von der Resistenzentwicklung bei Antibiotika.

Mit der Resistenzentwicklung gegenüber Antimykotika – die noch sehr gering ausgeprägt ist – blicken wir einer für uns in Deutschland ganz neuen Herausforderung ins Auge. Wir kannten Resistenzen bei Candida, also bei Hefepilzen, wobei hier die Zahl der Infektionen nicht stark anstieg. Die Resistenzentwicklung von Dermatophyten ist quasi dermatologisches Neuland.

DISKURS Dermatologie:

Sehr geehrter Herr Professor Nenoff, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte A. Müller. Mit freundlicher Unterstützung von Almirall Hermal