Haut- & Nagelpliz

Terbinafin-resistente Dermatophyten – eine neue dermatologische Herausforderung

In einem Webinar informierte Prof. Dr. med. Pietro Nenoff, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten sowie Fach- arzt für Laboratoriumsmedizin aus Rötha, anhand anschaulicher Fallbeispiele über Therapieprobleme bei praxisrelevanten Dermatomykosen und beantwortete anschließend im Interview Fragen zur Resistenzentwicklung von Erregerstämmen.

„Wir stoßen angesichts der Erreger, die sich in Deutschland ausbreiten, diagnostisch und therapeutisch teilweise an unsere Grenzen“, begann Prof. Nenoff seinen Vortrag und nannte als Beispiel Infektionen mit dem Erreger Trichophyton mentagrophytes. Im ersten Fallbeispiel zeigte Nenoff eine zweijährige Patientin mit einem ausgeprägten Kerion celsi, einer eher selten auftretenden eitrigen Ausprägung der Tinea capitis, die durch eine Infektion mit Trichophyton oder auch Microsporum hervorgerufen werden kann. Trotz zahlreicher Publikationen zu dieser Erkrankung wird diese aufgrund ihres seltenen Auftretens häufig nicht sofort als Dermatomykose erkannt, weshalb die erstbehandelnde Kinderärztin – ohne einen Abstrich zu machen, was sicherlich einen Fehler darstellte – von einer bakteriellen Infektion ausging und zur antibiotischen Therapie Cefuroxim-Axetil verschrieb.

Nachdem die antibiotische Therapie nicht anschlug, wurde die kleine Patientin statt an einen Hautarzt in die Kinderchirurgie überwiesen, wo eine Inzision durchgeführt und ein Loop zum Abfließen des Eiters angelegt wurde. Ein in der Kinderchirurgie entnommener und an die Mikrobiologie überstellter Abstrich brachte keine Klarheit, da die Ärzte anhand der angelegten Kultur den Erreger nicht eindeutig bestimmen konnten.

„Wenn Sie als Dermatologe eine solch ausgeprägte Tinea capitis/Kerion celsi sehen und erkennen, ist die eigentlich interessante Frage nach dem Ursprung des Erregers eher sekundär. Worauf es ankommt, ist die sofortige Einleitung einer Therapie – orales Terbinafin war hier das Mittel der Wahl. Nach 5 Tagen Therapie mit dem Antimykotikum, in einer Dosierung von 62,5 mg täglich, war die Schwellung zurückgegangen“, berichtete Nenoff über den weiteren Behandlungsverlauf. Nenoff zeigte sich hocherfreut, dass seit 2020 endlich eine Leitlinie hinsichtlich der Behandlung der Tinea capitis speziell bei Kindern zur Verfügung steht, wonach bei Infektionen mit Trichophyton-Arten Terbinafin als Mittel der Wahl einzusetzen ist.

Bei Infektionen mit Microsporum (M. canis, M. audouinii, M. ferrugineum) weist die Leitlinienempfehlung auf Itraconazol, wobei nach Information Nenoffs dieses Antimykotikum auch gegen Trichophyten wirksam ist. Die initiale Therapiedauer beträgt laut Leitlinie 4 Wochen, wobei dieser Zeitraum laut Nenoff in der Regel für den abschließenden Therapie- erfolg, die mykologische Heilung, nicht ausreicht; die Fortsetzung der Therapie richtet sich nach dem Ergebnis zweiwöchiger mykologischer Kontrollen. Nenoff machte bei dem Fall des zweijährigen Mädchens ausdrücklich darauf aufmerksam, dass – in eher seltenen Fällen – eine Übertragung von T. mentagrophytes auch von Mensch zu Mensch möglich ist. Genau dies war durch die väter- liche Umsorgung des von Schmerzen geplagten Kindes und den damit ein- hergehenden Kontakt geschehen: der Vater entwickelte eine Tinea barbae, die nach nur zweiwöchiger Therapie mit Terbinafin abklang; bei dem Kind dauerte es ganze 4 Monate, bis die Tinea capitis abheilte.

Abb. 1a-b: T. mentagrophytes zoophil braun (l.) bzw. zoophil weiß (r.).

Anhand eines weiteren Fallbeispiels machte Nenoff auf eine relativ neue Problematik aufmerksam: die Re- sistenz des Genotyps VIII von T. mentagrophytes gegen Terbinafin.
Bei der Patientin handelte es sich um ein erst 6 Monate altes, aus Bahrain stammendes Mädchen, das mit seinen Eltern und Geschwistern in Deutschland den Urlaub verbrachte. Das Kind wies seit 2 Monaten randständig erhabene Kreise an Rücken und Gesäß auf; Juckreiz war nicht vorhanden. Die Anamnese ergab, dass sämtliche Familienmitglieder Fallgeschichten von Dermatomykosen aufwiesen. Ein anderes Kind der Familie etwa war in Bahrain aufgrund eines Katzenpilzes oral mit Voriconazol behandelt worden. „Dieses Reserve-Antimykotikum wird nie bei einer Infektion der Haut durch Dermatophyten eingesetzt, doch in Bahrain – und Indien – ist man wohl mittlerweile am Ende der therapeutischen Fahnenstange angelangt“, kommentierte Nenoff diese Art der Behandlung. Aufgrund der ‘Erfahrung‘ mit Pilzinfektionen und deren Therapien war das Kleinkind von seiner Mutter mit topischem Terbinafin behandelt worden – ohne Effekt, die Mykose verschlimmerte sich sogar, wie Nenoff berichtete. Anhand einer durch die behandelnde Dermatologin zugesandten Schuppenprobe konnte Nenoff in seinem Labor den Erreger als T. mentagrophytes identifizieren, und zwar als den Genotyp VIII (indischer Stamm), der sich weltweit zunehmend ausbreitet.

Das kleine Mädchen wurde schnell und erfolgreich topisch mit Miconazol, im Wechsel mit Ciclopiroxolamin, behandelt. Die Resistenztestung des Isolats, durchgeführt bei einem Dermatologen der Universitätsklinik Lausanne, ergab, dass dieser Genotyp hochresistent gegen Terbinafin ist, teilweise auch gegen Itraconazol und Voriconazol. Laut Nenoff stellt dieser Fall die erste Beschreibung einer Infektion durch einen potenziell Terbinafin-resistenten T. mentagrophytes-Stamm vom Genotyp VIII aus Indien in Deutschland dar. Bei Aufenthalten in Indien und in Zusammenarbeit mit indischen Kollegen konnte Nenoff die epidemieartig um sich greifende Ausbreitung dieses resistenten Genotyps beobachten. „Meiner Einschätzung nach ist weder hinsichtlich des Auftretens noch hinsichtlich der Resistenzentwicklung ein Höhepunkt erreicht. Waren 2017/2018 66,7% der Isolate Terbinafin-resistent, so waren es 2018/2019 76,0%. Auch erweist sich in Indien T. rubrum teilweise als resistent gegen Terbinafin“, machte Nenoff auf diese Problematik aufmerksam. Die Ursache für die zunehmende Resistenzentwicklung liegt nach Einschätzung Nenoffs möglicherweise an dem weit verbreiteten Missbrauch von antimykotischen Kombinationspräparaten, die zumeist auch hochpotente Steroide und Antibiotika enthalten: diese werden rezeptfrei ‘over the counter‘ oder sogar von mobilen Händlern in öffentlichen Verkehrsmitteln zu geringen Preisen zum Kauf angeboten und von vielen Menschen exzessiv angewendet. Bei Vorliegen des resistenten Genotyps empfiehlt Nenoff die Therapie mit relativ hoch dosiertem Itraconazol (400 mg/Tag) über mindestens 4 Wochen – häufig auch 8 Wochen und länger – was enge Laborkontrollen erfordert. „Von den 31 in den Jahren 2018/2019/2020 in Deutschland isolierten Stämmen von T. mentagrophytes VIII India erwiesen sich 15 als Terbinafin-resistent. Und das ist ganz klar nur die Spitze des Eisberges“, warnte Nenoff abschließend. T

Mit freundlicher Unterstützung von Almirall Hermal

Literatur

1. Nenoff et al.: Spread of Terbinafine-Resistant Trichophyton mentagrophytes Type VIII (India) in Germany – “The Tip of the Iceberg?“ J Fungi (Basel). 2020 Oct 5;6(4):207. doi: 10.3390/jof6040207

2. Burmester et al.: Indian Trichophyton mentagrophytes squalene epoxidase erg1 double mutants show high proportion of combined fluconazole and terbinafine resistance. Mycoses. 2020 Jul 29. doi: 10.1111/ myc.13150

3. Ebert et al.: Alarming India-wide phenomenon of antifungal resistance in dermatophytes: A multicentre study. Mycoses. 2020 Jul;63(7):717-728. doi: 10.1111/myc.13091