Hautkrebs

„Die Studiendaten entsprechen der Realität“

Prof. Dr. med. Axel Hauschild

Interview mit Prof. Dr. med. Axel Hauschild (Kiel)

Prof. Dr. med. Axel Hauschild ist als Leiter des Hautkrebs-Studienzentrums am Campus Kiel des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Träger des Deutschen Hautkrebspreises und amtierender Präsident der Melanoma World Society (MWS) einer der renommiertesten deutschen Experten im Bereich der Dermato-Onkologie. Wir sprachen mit Prof. Hauschild über die Anwendung des PD-1-Inhibitors Cemiplimab in der dermatologischen Praxis

DISKURS Dermatologie: Herr Prof. Hauschild, für wen kommt Cemiplimab als Therapie infrage?

Prof. Hauschild: Die etablierteste Indikation sind die lokal fortgeschrittenen und/oder metastasierten kutanen Plattenepithelkarzinome, wo wir eine Zulassung mit sehr guten Ergebnissen haben. Wir wenden es aber auch zusätzlich beim Basalzellkarzinom an, das auf Hedgehog-Inhibitoren nicht angesprochen hat, oder auch wenn Patienten eine schlechte Tolerabilität gegenüber den Hedgehog-Inhibitoren aufwiesen.

DISKURS Dermatologie: Wie gut ist die Ansprechrate?

Prof. Hauschild: In der Zulassungsstudie lag sie bei ca. 50%, was auch in den Real World Data (RWD-Studien) aus verschiedenen Ländern bestätigt werden konnte. Wir schließen keine älteren Patienten aus, die Komorbiditäten aufweisen. Die Verträglichkeit mit Cemiplimab ist im Allgemeinen gut und auch nicht altersgebunden. Ich kann aufgrund der Datenlage die 50% Remissionsrate und 20% komplette Remissionen gut nachvollziehen. Meiner Meinung nach entsprechen die Studiendaten der Realität, was wahrlich nicht bei jeder Studie der Fall ist.

DISKURS Dermatologie: Wie lange dauert es, bis die Wirkung einsetzt?

Prof. Hauschild: Sie tritt im Allgemeinen schnell auf. Häufig sieht man bereits innerhalb von drei Wochen, ob der Patient reagiert oder nicht. Deshalb kann man nach dem „Give-it-and-try“-Prinzip handeln, auch bei alten und/oder multimorbiden Patienten. Der Median in den ersten drei Kohorten der Zulassungsstudie zu Cemiplimab betrug 40 Monate und ist noch deutlich länger bei Patienten mit einer kompletten Remission. Ich habe Patienten, die nach wie vor in einer kompletten Remission leben. Im fortgeschrittenen Stadium eines Plattenepithelkarzinoms ist das ein erstaunliches Ergebnis, wenn man bedenkt, dass wir bei früheren Chemotherapien eine Remissionsdauer von drei Monaten hatten.

DISKURS Dermatologie: Was sind die Therapieziele?

Prof. Hauschild: Die Infusion mit Cemiplimab wird alle drei Wochen gegeben. Wir verabreichen zunächst drei Zyklen vor den Staginguntersuchungen, wobei die Patienten hoch motiviert sind, wenn der Tumor schrumpft, nicht mehr blutet oder sich die Konsistenz verändert. Mein Therapieziel ist nicht nur eine Teilremission, sondern die komplette Remission, die im Median nach ca. 10 Monaten zu erwarten ist.

DISKURS Dermatologie: Wie verfahren Sie anschließend?

Prof. Hauschild: Wir geben dann Cemiplimab noch weiter, etwa für 3 bis 6 Monate. Dann stoppen wir, weil wir Spättoxizitäten vermeiden wollen.

DISKURS Dermatologie: Wie gut ist die Adhärenz?

Prof. Hauschild: Die Adhärenz liegt bei nahezu 100%, da wir hier im Gegensatz zu oralen Therapien die intravenöse Therapie ambulant in unserer Klinik verabreichen können. In Kiel gibt es nur wenige Patienten, die die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen vorzeitig beenden mussten. Kürzlich hatten wir einen Patienten, der kurz vor Erreichen einer kompletten Remission die Therapie nach 7 Zyklen eigenverantwortlich gestoppt hat. Bei telefonischer Nachfrage aufgrund von fehlenden Wiedervorstellungen in unserer Klinik teilte er uns mit, dass jetzt nichts mehr zu sehen sei. Hier hat das Cemiplimab „ganz offensichtlich einen guten Job gemacht“, auch ohne die reguläre Fortführung der Therapie.

DISKURS Dermatologie: Werden die PD-1-Checkpoint-Inhibitoren beim NMSC weiter an Bedeutung gewinnen?

Prof. Hauschild: Beim Plattenepithelkarzinom ist Cemiplimab die Standard-Erstlinientherapie, beim fortgeschrittenen Basalzellkarzinom nach der Erstlinientherapie mit Hedgehog-Inhibitoren die Standard-Zweitlinientherapie. Eine derartige Empfehlung findet sich auch in den aktualisierten deutschen Leitlinien. Auch die europäische Leitlinie empfiehlt ein derartiges gestaffeltes Vorgehen. In den USA ist die Situation etwas komplexer, da auch Pembrolizumab für das fortgeschrittene und metastasierte kutane Plattenepithelkarzinom eine Zulassung besitzt. Hier hat man die Qual der Wahl.

DISKURS Dermatologie: Wären Kombi-Therapien möglich?

Prof. Hauschild: Es laufen derzeit Untersuchungen zur Kombination mit EGFR-Inhibitoren oder auch mit Strahlentherapie, die laut Datenlage attraktive Kombinationen darstellen könnten. Allerdings liegen noch keine konkreten Ergebnisse aus größeren Studien vor. Und Fallserien alleine sind nur begrenzt aussagekräftig.

DISKURS Dermatologie: Wie sieht es aus mit der neoadjuvanten Cemiplimab-Therapie?

Prof. Hauschild: Hier wird ein Studien-Update anlässlich des ESMO-Kongresses im Oktober in Madrid vorgestellt. Bei der neoadjuvanten Therapiestudie (REGN-1901) wurde Cemiplimab nur 4x im Abstand von 3 Wochen intravenös appliziert, bevor die Patienten operiert wurden. Die Studie sah dann noch die Operation vor, aber weitere Studien haben gezeigt, dass nach einer neoadjuvanten PD-1-Antikörper-Therapie vielleicht auch gar keine Operation mehr nötig ist. Und dann stellt sich die Frage, was mit den 60% der Patienten passiert, die unter der Therapie eine komplette Remission haben, die pathologisch bestätigt wurde.

DISKURS Dermatologie: Wie würden Sie dies beantworten?

Prof. Hauschild: In der Studie musste man auch die Responder operieren, damit eine Remission auch histopathologisch bestätigt ist, und um zu unterscheiden zwischen einer partiellen und kompletten Remission. Das Problem ist die Bewertung der kompletten Remission. In der neoadjuvanten Studie sah man bei vielen Patienten noch Reste des zuvor behandelten Tumors in der Sonographie oder auch klinisch. Histopathologisch zeigten dieselben Areale aber lediglich eine Fibrose und keine Tumorzellen. Der Wert der Cemiplimab-Therapie wird also rein klinisch unterschätzt und könnte zu einer Übertherapie von Patienten führen, die eigentlich gar keine weitere Therapie mehr benötigen. Die Alternative bei diesen Patienten wäre dann eher eine rein abwartende Haltung.

DISKURS Dermatologie: Warum kann eine Systemtherapie gegenüber einer Operation die bessere Wahl sein?

Prof. Hauschild: Mit einer Operation ist erst einmal der Tumor entfernt, aber nicht das Problem, dass bei Hochrisikokonstellationen Metastasen oder auch Lokalrezidive entstehen können. Der Studienendpunkt von neoadjuvanten Therapien ist daher eigentlich immer neben der Remissionsrate die rezidivfreie und noch besser die Gesamtüberlebenszeit. Hier können alle neoadjuvanten Therapien im Gegensatz zur ausschließlichen Operation punkten, wenn sie denn wirksam sind.

DISKURS Dermatologie: Stehen neue Therapieoptionen in Aussicht?

Prof. Hauschild: Für mich ist eine ganz spannende Entwicklung die Kombination mit Cemiplimab und RP-1, einem onkolytisches Virus (HSV-1). Hier werden die Ergebnisse der CERPASS-Zulassungs-Studie beim CSCC schon Ende des Jahres erwartet. Das onkolytische Virus zeigte schon gute Daten beim NMSC und hier besonders beim Plattenepithelkarzinom in einer Multibasket-Pilotstudie.

DISKURS Dermatologie: Gibt es Biomarker, die das Ansprechen der Therapie prognostizieren?

Prof. Hauschild: Zu dieser Fragestellung gibt es relativ viele Studien, aber keine klaren Antworten. Dennoch spricht eine höhere PD-L1-Expression für ein besseres Ansprechen ebenso wie eine erhöhte Zahl von Tumor-infiltrierenden Lymphozyten (TIL) oder eine hohe Tumormutationslast (TMB). Alle genannten Marker sind aber eher prognostische als prädiktive Parameter und auch Patienten mit einer eher ungünstigen Tumormarker-Konstellation können gut auf eine Therapie ansprechen. Insofern helfen uns die Biomarker bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht richtig weiter.

DISKURS Dermatologie: Sehr geehrter Herr Prof. Hauschild, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte E. Engels.