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Vom Tabu zum Trend: Das wachsende Interesse von Männern an ästhetischen Behandlungen

Interview mit Priv.-Doz. Dr. med. Wolfgang G. Philipp-Dormston (Köln)

Immer selbstverständlicher kümmern sich viele Männer um ihren Körper und ihr Aussehen. Die Anreize, gut auszusehen, haben zugenommen. Zu den Ursachen gehören zum Beispiel die hypervisuelle Kultur sozialer Medien und der Wunsch nach mehr Erfolg am Arbeitsplatz. Auch die Vorstellungen von männlicher Attraktivität werden vielfältiger. Männer gehören heute daher ebenso wie Frauen zum Patientenstamm von Praxen und Kliniken, die Leistungen in der ästhetischen Medizin anbieten. Diese Erfahrung macht auch Priv.-Doz. Dr. med. Wolfgang G. Philipp-Dormston, Inhaber der hautärztlichen Praxisklinik DERMATOLOGIKUM KÖLN. Zu ihm kommen immer mehr männliche Patienten, vorrangig für Behandlungen mit Botulinumtoxin.

MÄC: Herr Dr. Philipp-Dormston, Botulinumtoxin wird seit Anfang der 00er Jahre in der ästhetischen Medizin in Deutschland angewendet. Kamen bereits damals Männer zur Behandlung oder ist dies Ihrer Meinung nach eher ein aktueller Trend?

Dr. Philipp-Dormston: Früher waren Männer bei minimal-invasiven Behandlungsmöglichkeiten noch sehr zurückhaltend. Nach den Daten der Internationalen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (ISAPS) bilden Männer zwar nur 14,3% des weltweiten Markts für nicht-invasive Verfahren [1], doch besonders in dieser Zielgruppe ist vieles im Umbruch. Bei uns in der Praxis machen männliche Patienten bereits rund 20% unseres ästhetischen Klientels aus. Ließen sich Männer in den 00er Jahren noch behandeln, um für andere gut auszusehen, geht es heute vielmehr darum, eine nachhaltige Verbesserung des selbstbestimmten Ichs, der Lebensqualität und des Selbstbewusstseins zu erreichen. Auf den Punkt gebracht: Das Selbstverständnis des modernen Mannes hat sich nach unseren Beobachtungen schlichtweg geändert. Viele Männer folgen meiner Erfahrung nach immer mehr dem Vorbild der Frauen und werden ihnen bei minimal-invasiven Behandlungen in nichts mehr nachstehen.

MÄC: Welche Gesichtsareale lassen sich männliche Patienten in erster Linie behandelt?

Dr. Philipp-Dormston: Gefragt in unserer Praxis ist in erster Linie die Behandlung der Zornesfalte. Dies hat vor allem zwei Gründe: Zum einen steht das sogenannte „Emotional Disconnect“ im Vordergrund: Das bedeutet, dass der Gesichtsausdruck einer Person nicht in Einklang mit ihren Emotionen steht. So wirken Männer aufgrund des stärker ausgeprägten Musculus corrugator supercilii häufig grimmig und strahlen somit etwas aus, das ihnen eigentlich nicht entspricht. Des Weiteren gibt es die sogenannte „Facial Feedback Hypothese“: Bei der Kontraktion und Entspannung von Gesichtsmuskeln findet eine sensorische Rückmeldung an das Gehirn statt, durch die Emotionen beeinflusst werden können. [7-10]

MÄC: Haben sich die Wünsche und Bedürfnisse männlicher Patienten im Laufe der Zeit geändert? Wenn ja, inwiefern?

Dr. Philipp-Dormston: Definitiv. Sobald Männer vertrauter mit dem Thema sind und sich beispielsweise ersten Behandlungen mit Onabotulinumtoxin A unterzogen haben, entwickeln sie unserer Erfahrung nach großes Interesse an einem breiteren Behandlungsspektrum. Häufiges Ziel der Behandlungen ist es dann, ein müdes und erschlafftes Aussehen zu optimieren, vorrangig im Bereich des Mittelgesichts. Immer mehr wird aber auch an der Kinnlinie, der sogenannten Jawline, gemacht. Wir unterscheiden dabei zwischen „Rejuvenation“ und „Beautification“. Während sich hinter dem Begriff „Rejuvenation“ alle Maßnahmen zur Verjüngung verbergen, geht es bei „Beautification“ dagegen um Veränderungen der Physiognomie des Gesichts. Viele Männer, die eine verschwommene Kinn-Kieferlinie haben, wünschen sich markantere Gesichtszüge – als Zeichen von Stärke, Männlichkeit und beruflichem Erfolg.

MÄC: Welcher Trend überwiegt, wenn sich Männer mit Botulinumtoxin behandeln lassen: Der Wunsch nach einem natürlicheren Aussehen oder danach, Falten stärker zu verringern?

Dr. Philipp-Dormston: Der Trend bei Behandlungen mit Onabotulinumtoxin A geht, wie wir beobachten können, zunehmend hin zu mehr Natürlichkeit. Dennoch wünschen sich Männer vor allem bei der Behandlung ihrer Zornesfalte in der Regel eine starke Entspannung. Für mich bedeutet das, dass ich gerade in diesem Bereich effektiv arbeiten muss – ohne dass man sieht, dass die betreffende Person behandelt wurde. Im Bereich der Stirn und Augen ist in der Regel eine natürliche Restaktivität der Mimik erwünscht.

MÄC: Bestimmte Medikamente müssen bei Männern und Frauen unterschiedlich dosiert werden, damit sie die gleiche Wirkung erzielen. Welche Erfahrung haben Sie mit der Dosierung von Botulinumtoxin bei Männern gemacht?

Dr. Philipp-Dormston: Onabotulinumtoxin-A-Präparate wie Vistabel®a sind präzise [2] in der Wirkung, die zudem schnell eintritt.b [3] Damit können wir im oberen Gesichtsdrittel die Zornesfalten, Stirnfalten und Krähenfüßec [4] behandeln. Bei der Behandlung von Männern und Frauen gibt es bei der Dosierung in der Tat Unterschiede. So empfiehlt sich z.B. für die Zornesfalte aufgrund der dickeren und stärkeren Korrugatoren bei Männern eine deutlich höhere Dosis, als dies bei Frauen der Fall ist. [5] Anders sieht es hingegen bei horizontalen Stirnfalten aus, die im Gegensatz zu Frauen bei Männern vorsichtiger behandelt werden sollten. [5] Andernfalls besteht das Risiko, dass die Augenbrauen nach unten sinken.

MÄC: Sind Männer schmerzempfindlicher als Frauen? Und wenn ja, worauf muss dann bei der Behandlung besonders geachtet werden?

Dr. Philipp-Dormston: Zum ersten Punkt: Auf jeden Fall! (lacht) Aber Spaß beiseite. Das Schmerzempfinden ist von Mensch zu Mensch verschieden. Bei uns in der Praxis haben wir aber dennoch die Erfahrung gemacht, dass Männer tendenziell schmerzempfindlicher sind. Daher ist ein gutes Beratungsgespräch enorm wichtig. Sind Patient*innen optimal aufgeklärt und es wird während der Behandlung konsequent und empathisch mit ihnen gesprochen, kann man ihnen meiner Erfahrung nach in der Regel die Angst nehmen und das Schmerzempfinden reduzieren.

MÄC: Welche Rolle spielen für Sie die Evidenzbasis bei der Anwendung von Onabotulinumtoxin A und die breite Studienlage des Produkts?

Dr. Philipp-Dormston: Für mich persönlich spielt die breite Studienlage sogar eine grundlegende Rolle. Entscheidend ist immer die Qualität der Behandlung. Diese setzt sich aus Sicherheit, Effektivität und Individualität zusammen. Allein über Onabotulinumtoxin A sind mehr als 190 klinische Studiend [6] und zahlreiche Publikationen vorhanden. Dies trägt dazu bei, die Qualität der Behandlung und letztlich auch die Zufriedenheit der Patient*innen nach der Behandlung zu gewährleisten. Onabotulinumtoxin A ist in der Hand erfahrener Anwender*innen nicht nur effektiv, sondern auch sehr sicher.

MÄC: Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft werfen: Wie wird sich Ihrer Einschätzung nach die Nachfrage bei männlichen Patienten entwickeln?

Dr. Philipp-Dormston: Ich bin überzeugt, dass die Nachfrage männlicher Patienten langsam, aber stetig weiter steigen wird. Marketingmaßnahmen und Medienberichte können hier entscheidende Impulse beisteuern. Je mehr männliche Vorbilder sichtbar werden, desto mehr Männer werden eine Ästhetikbehandlung in Erwägung ziehen. Als Senior-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Botulinumtoxin ist es mir ein besonderes Anliegen, über minimal-invasive Behandlungen und die eingesetzten Wirkstoffe wissenschaftlich und objektiv aufzuklären. So glauben Männer teilweise noch, dass Botulinumtoxin zur Volumenaugmentation der Wangen oder Lippen verwendet wird – was natürlich nicht der Fall ist.

MÄC: Sehr geehrter Herr Philipp-Dormston, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte S. Höppner.