Hyaluron | Botulinumtoxin

„Ich wünsche mir schöne, natürliche Patienten, die wissen, dass auch Falten zum Leben gehören“

Interview mit Dr. med. Svenja Giessler, München

Frau Dr. med. Svenja Giessler ist nach Tätigkeiten an mehreren großen Kliniken in Berlin, Ludwigshafen und Vogtareuth inzwischen seit einigen Jahren als niedergelassene Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie mit eigener Praxis sowie angeschlossenem Kosmetikinstitut in München ansässig. Wir sprachen mit Frau Dr. Giessler über das Thema Unterspritzungen in der Ästhetik.

Ästhetische Dermatologie:

Frau Dr. Giessler, haben Sie in Ihrer Praxis viele Anfragen bezüglich Unterspritzungen des Gesichtes? Ab welchem Alter empfehlen Sie die erste Unterspritzung?

Dr. Giessler:

Ja, die Unterspritzungen bzw. Faltenbehandlungen mit Botox, Fillern und auch Fäden sind sehr gefragt und kommen relativ altersunabhängig vor. Tatsächlich kommen auch schon Frauen unter 30 zu mir mit dem Wunsch, frühzeitig etwas gegen die Entstehung von Falten zu tun und um ihre Haut möglichst lange jugendlich frisch zu halten. Es gibt keine Empfehlung, ab welchem Alter eine Behandlung sinnvoll ist, das hängt von vielen Faktoren ab, in erster Linie natürlich vom aktuellen Zustand der Haut, der in jedem Alter sehr unterschiedlich sein kann, abhängig von genetischen Veranlagungen, den Lebensgewohnheiten, der Umweltbelastung etc. Nicht zuletzt spielt auch die eigene Wahrnehmung eine große Rolle – nicht jeden stören Falten gleichermaßen.

Ästhetische Dermatologie:

Wie ist der Ablauf einer Unterspritzungs-Behandlung und wie viele Sitzungen sind normalerweise notwendig?

Dr. Giessler:

Eine häufige “Einsteigerbehandlung“ stellt ja das Botulinumtoxin im Bereich der Zornesfalte dar – viele Menschen haben stress- oder konzentrationsbedingt diese Falte, die in der Regel als sehr negativ wahrgenommen wird. Eine störende Nasolabialfalte wird ebenso häufig mit Hyaluronsäure unterspritzt. Je älter die Patientin oder der Patient ist, desto komplexer werden die Behandlungen. Dann geht es zusätzlich um einen “Lifting-Effekt“ und eine Steigerung der Elastizität der Haut. Um dies zu erreichen kommen “Mehr-Punkte- Lifting“-Verfahren zum Einsatz, bei denen teilweise großvolumige Filler an mehreren Stellen des Gesichtes injiziert werden, ein isoliertes Unterspritzen z.B. im Bereich der Nasolabial- oder Marionettenfalten ist bei dieser Patientengruppe obsolet.

Die Anzahl der benötigten Sitzungen ist mithin sehr individuell und hängt natürlich auch von den Erwartungen der Patienten ab. Die Wirkung des Botulinumtoxins hält in der Regel 3-4 Monate – ob dann sofort nachbehandelt wird oder erst nach z.B. 6 Monaten, ist abhängig vom Wunsch des Patienten. Natürlich lautet die Empfehlung, für den besten Effekt auf die Haut nicht allzu lange Pausen einzulegen, dann bleibt in der Regel die Faltentiefe auf Dauer deutlich geringer. Auch die Abbaugeschwindigkeit der Hyaluronsäuren ist individuell unterschiedlich und natürlich von der Stärke des Produktes (Vernetzungsgrad etc.) abhängig, sie variiert zwischen drei und 12 Monaten. Auch hier lautet die Empfehlung für ein langanhaltendes schönes Ergebnis nicht abzuwarten, bis das ganze Produkt abgebaut wurde bis zum Ausgangszustand, sondern im Sinne einer “Erhaltungsdosis“ lieber früher kleinere Mengen nach zu spritzen.

Ästhetische Dermatologie:

Sie als Chirurgin sehen die Patienten anatomisch vermutlich anders – womöglich objektiver – als diese sich selbst. Empfehlen Sie Ihren Patienten manchmal, andere Gesichtsbereiche zu optimieren, als diese es ursprünglich wünschen?

Dr. Giessler:

Das ist ein interessanter Aspekt, der in der Praxis durchaus eine Rolle spielen kann. Wenn z.B. eine Patientin nach der Behandlung ihrer Nasolabialfalte oder der Marionettenfalten fragt, liegt oft eine Erschlaffung des gesamten Wangenbereiches vor, die ein ausgedehnteres Vorgehen erfordert als von der Patientin erwartet. Hier kommen dann z.B. großvolumige Filler zum Einsatz, um ein Mehr-Punkte-Lift durchzuführen mit Anhebung der Wange im Bereich des Jochbeines und der Unterkieferlinie. Des weiteren kann in diesen Fällen auch ein Fadenlifting in Frage kommen.

Ästhetische Dermatologie:

Gerade im Lippenbereich sieht man ja immer wieder Ergebnisse, bei denen man den Eindruck hat, hier wäre evtl. weniger mehr gewesen. Wie ist Ihre Haltung hierzu?

Dr. Giessler:

Zum Thema Lippen habe ich den Eindruck, dass der Wunsch nach zu stark aufgespritzten “Schlauchbootlippen“ glücklicherweise wieder rückläufig ist, die meisten Patientinnen, die den Wunsch nach einer Behandlung ihrer Lippen äußern, wünschen sich ein natürliches Ergebnis mit harmonisch volleren Lippen. Das ist mit den modernen, weichen und elastischen Produkten sehr schön realisierbar. Natürlich rate ich auch von Behandlungen ab, wenn sie mir nicht richtig erscheinen oder ich nicht glaube, die Erwartungen dieser Patientin erfüllen zu können! Dann versuche ich unter Umständen, der Patientin einen realistischeren Blick auf ihr eigenes Gesicht zu vermitteln oder weise auf eine andere Stelle im Gesicht hin, die man aus meiner Sicht “optimieren“ könnte.

Ästhetische Dermatologie:

An welchem Punkt raten Sie von einer Unterspritzung ab und empfehlen stattdessen den chirurgischen Eingriff? Wo ist hier die Grenze?

Dr. Giessler:

Diese Entscheidung hängt ganz stark von der Erwartungshaltung des Patienten ab. Wenn sich jemand nur an einzelnen Stellen in seinem Gesicht stört, kann eine Unterspritzung noch immer der richtige Weg sein, auch wenn objektiv schon chirurgische Verfahren sinnvoller wären. Ich hatte zum Beispiel mal eine über 80-jährige Dame als Patientin, deren Gesicht übersät war mit Falten, und sie störte sich lediglich an ihrer Zornesfalte, die sie “so böse“ aussehen ließe. Somit habe ich ihrem Wunsch entsprochen und nur die Zornesfalte mit Botulinumtoxin behandelt – und die Dame war absolut zufrieden! Dennoch, wenn ein Patient sich über den gesamten Zustand seiner Haut beklagt, zu viele Falten und eine fortgeschrittene Erschlaffung der Haut vorliegen und realistischer Weise weder eine Unterspritzung, ein Fadenlifting noch eine Laserbehandlung einen befriedigenden Straffungseffekt ermöglichen, rate ich zu einem operativen Vorgehen. Das beginnt mit der Möglichkeit einer Lidplastik, die schon einen wunderbaren Einfluss auf das gesamte Gesicht hat, indem die Augen größer, wacher und strahlender wirken, bis hin zu einem chirurgischen Facelift.

Ästhetische Dermatologie:

Was stört die Patientinnen und Patienten Ihrer Erfahrung nach am meisten, welcher Gesichtsbereich kommt sehr häufig vor?

Dr. Giessler:

Die am häufigsten angefragte Behandlung sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Patienten ist nach wie vor Botulinumtoxin im Bereich der Zornesfalte und der queren Stirnfalten. Des weiteren fragen die jüngeren Patientinnen viel nach der Unterspritzung der Lippen, im mittleren Alter kommen die Nasolabial- und Marionettenfalten dazu sowie die Unterspritzung der Jochbeinregion, um den sogenannten V-Effekt, also ein leichtes Lifting der Wange, zu erreichen. Im höheren Alter ist die Unterspritzung der kleinen Mundfältchen (Raucherfalten) sehr gefragt. Die männlichen Patienten interessieren sich überwiegend für ein Anheben der Jochbeinregion für ein markanteres Aussehen.

Ästhetische Dermatologie:

Wie sieht es mit Nebenwirkungen aus? Was kommt vor, wie kann entgegengesteuert werden?

Dr. Giessler:

Die Nebenwirkungen einer solchen Behandlung sind zu vernachlässigen, vor allem im Bereich der Zornesfalte kommen diese eigentlich nicht vor. Kleine Hämatome und Schmerzen an den Einstichstellen sind selten, bei einer ungenügenden Wirkung kann unter Umständen noch etwas nach- gespritzt werden. Im Bereich der Stirn kann bei einer zu hohen Dosierung oder Fehlplatzierung der Injektionen ein Absinken der Augenbrauen auftreten mit dem Gefühl, plötzlich Schlupflider zu haben. Dieser Nebenwirkung kann bei Patienten mit von vorneherein tief stehenden Augenbrauen durch Spritzen des Gegenspielers im Bereich der Augenbrauen (chemical brow lift) entgegengewirkt werden. Das sogenannte “Mephisto- Auge“ kommt durch einen zu starken Zug der Muskulatur direkt über der Braue zustande und kann durch eine einzelne Nachinjektion behandelt werden. Obwohl Botulinumtoxin auch zur Behandlung der Migräne eingesetzt wird, gibt es vereinzelte Fälle von Kopfschmerzen nach der Behandlung. Alles in allem handelt es sich bei der Botulinumtoxin-Behandlung um ein sehr unkompliziertes Verfahren. Bei Hyaluronsäuren werden als Komplikationen Hämatome, Schwellungen und Knötchenbildung beschrieben, dies kommt vor, ist aber extrem selten.

Ästhetische Dermatologie:

Sicherlich sind auch in Ihrer Praxis die meisten Patienten weiblich. Gibt es dennoch auch bei den Herren einen erkennbaren Trend zur Ästhetik? Und wenn ja, sind diese Patienten treu, kommen sie regelmäßig wieder?

Dr. Giessler:

Dies kann ich beides definitiv bejahen! Auch Männer gucken in den Spiegel und nehmen ihre Alterung wahr. Auch bei ihnen ist der Druck von außen spürbar, sie wollen jung und attraktiv bleiben. Sicher steht eine ästhetische Behandlung bei ihnen nicht ganz oben auf der Prioritätenliste, somit sind sie aus meiner Erfahrung nicht ganz so konsequent in der Behandlung wie Frauen. Sie betreiben aus meiner Sicht aber kaum dieses “Arzt-Hopping“, sondern sie recherchieren im Internet, finden den Arzt oder die Ärztin, dem oder der sie vertrauen, und dann bleiben sie auch. Natürlich nur, wenn sie mit dem Ergebnis der Behandlung zufrieden sind!

Ästhetische Dermatologie:

Was empfehlen Sie zur Nachbehandlung? Gibt es spezielle Produkte, die sie empfehlen können, mit denen Sie gute Erfahrungen gemacht haben?

Dr. Giessler:

Ich empfehle die Behandlung mit den Produkten von Skinceuticals, einer amerikanischen Medizinkosmetik. Die Produktpalette ist sehr groß, sodass für jeden Hauttyp und jedes Alter etwas dabei ist – angefangen mit leichten Feuchtigkeitspflegen bis hin zur reichhaltigen Tages- und Nachtpflege. Ergänzt wird das Angebot durch fantastische, hochpotente Seren mit Hyaluronsäure, Antioxidantien und Vitaminen und einer sehr guten Sonnenpflege mit LSF 30 und 50, die eine superleichte Konsistenz haben und gerade nach Laser- oder Lichtbehandlungen wie eine normale Tagespflege eingesetzt werden können.

Ästhetische Dermatologie:

Wie kamen Sie dazu, diese Produkte zu verwenden?

Dr. Giessler:

Nachdem ich selber eine sehr empfindliche und zu Rötungen neigende, trockene Haut habe, ist mir bei einer Pflegeserie vor allem das entspannende Hautgefühl wichtig, die Creme muss neutral riechen und ein langanhaltendes gepflegtes Gefühl vermitteln. Ich habe in den letzten Jahren viel ausprobiert und bin nun mit den Produkten von Skinceuticals sehr zufrieden. Insofern habe ich hier Erfahrungen aus erster – eigener – Hand, die ich natürlich gerne an meine Patientinnen und Patienten weitergebe. Manche von den Seren riechen etwas intensiv, das ist nicht für jeden angenehm, auch wenn dieser Geruch sehr schnell verfliegt. Für mich optimal ist nun das neueste Serum in der Palette, der HA-Intensifier, ein hyaluronsäurehaltiges, feuchtigkeitsspendendes Serum und als Creme der A.G.E. Interrupter. Zur Nacht verwende ich das Retinol Peel.

Ästhetische Dermatologie:

Wie häufig bilden Sie sich weiter? Und werden Sie auch von Ihren Patienten hierauf angesprochen? Sind diese “kritischer“ geworden?

Dr. Giessler:

Ich habe eigentlich nicht den Eindruck, dass die Patienten kritischer geworden sind – ganz im Gegenteil lassen sie sich viel zu häufig von imposanten Internet-Auftritten, Instagram-Posts und Arztbewertungsplattformen beeinflussen. Wenn das alles für sie stimmt, fragen sie in der Praxis nicht nach Qualifikationen, Ausbildung oder Werdegang, sondern gehen davon aus, bei dem für sie “Besten“ zu sein. Leider stimmt das eben in vielen Fällen nicht, denn gerade im Bereich der ästhetischen Medizin gibt es viele Behandler, die noch nicht einmal eine entsprechende Facharztausbildung durchlaufen haben, geschweige denn überhaupt Ärzte sind, und die sich ihr Wissen lediglich über Wochenendkurse und Workshops angeeignet haben. Ich sehe das als sehr problematisch an, denn oftmals mangelt es sicher an den nötigen anatomischen Grundkenntnissen und an der Fähigkeit, mit Komplikationen adäquat umzugehen. Ich selbst fahre in der Regel einmal im Jahr auf einen internationalen Kongress und besuche regelmäßig Kurse, die entweder neue Techniken präsentieren oder mich in dem, was ich bisher tue, bestätigen. Natürlich ist es wichtig, auch neue Produkte kennenzulernen und abzuwägen, ob man sie in das eigene Angebot aufnehmen möchte oder lieber nicht.

Ästhetische Dermatologie:

Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen können, wo sehen Sie die Ästhetik in 10 oder 20 Jahren? Bleibt sie so stark im Trend oder flacht der Hype irgendwann ab?

Dr. Giessler:

Das ist natürlich eine schwere Frage, wenn man nicht im Besitz einer allwissenden Glaskugel ist! Ich denke, die ästhetische Medizin ist heute ein boomender Markt, da dank der Social-Media-Einflüsse der Druck, gut auszusehen, ganz besonders auf die jungen Frauen immer weiter wächst – wie viele 16-Jährige oder noch jüngere Mädchen folgen schon irgendeiner Beauty-Bloggerin oder gar einem Plastischen Chirurgen, um einen Einblick in die heutigen Möglichkeiten zu bekommen? Es sind sicher unzählige! Wir als Plastische Chirurgen haben die große Aufgabe, das Ganze in die richtigen Bahnen zu lenken und gerade jungen Menschen zu helfen, einen vernünftigen Blick auf ihr Äußeres zu bewahren. Natürlich ist ein gepflegtes Erscheinungsbild absolut wichtig, aber das fängt nicht mit der ersten Botox-Behandlung mit 18 an, sondern in erster Linie mit den Lebensgewohnheiten – einem verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol, Nikotin, Sonne und einer altersentsprechenden Hautpflege. Ein Gesicht darf und muss lebendig bleiben; niemand mag starr aufgespritzte, maskenhafte Gesichter und übergroße Lippen. In dieser Hinsicht haben viele Frauen auch noch immer ein falsches Bild davon im Kopf, was Männern gefällt. Insgesamt sehe ich moderate Faltenbehandlungen als eine sinnvolle Vorbeugung gegen eine vorzeitige Hautalterung an, aber ich bin definitiv ein Verfechter der kleinen, dezenten Maßnahmen. Ich wünsche mir, dass meine Kollegen und ich auch weiterhin versuchen werden, ästhetische, schöne, natürliche Patienten zu haben, die wissen, dass auch Falten zum Leben gehören.

Ästhetische Dermatologie:

Sehr geehrte Frau Dr. Giessler, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte S. Steffens