Hyaluron | Botulinumtoxin

Locker durchs Gewebe: Hyaluronidase als unverzichtbarer Helfer im ästhetisch-chirurgischen Praxisalltag

Von Adjuvans bis Antidot

Das Enzym Hyaluronidase kann aufgrund seiner gewebeauflockernden Eigenschaften bei ästhetisch-chirurgischen Eingriffen die operativen Bedingungen und Ergebnisse optimieren, wenn es gemeinsam mit einem Lokalanästhetikum injiziert wird. Zudem hat es sich als Antidot zur Korrektur nach Filler-Injektionen beim Komplikationsmanagement bewährt. Neueste Erkenntnisse zu Wirkweise, aktueller Studienlage, Nutzen und klinischer Anwendung von Hyaluronidase präsentierten Prof. Arne Gerber und Dr. Tanja Fischer bei einer Pressekonferenz anlässlich der 50. Haupttagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) 2019 in Berlin.

Hyaluronsäure (auch Hyaluronan, HA) ist ein essentieller Bestandteil der extrazellulären Matrix. Doch mit steigendem Alter sinkt der Hyaluronsäuregehalt der Haut und Falten entstehen, erinnerte Prof. Gerber, leitender Oberarzt an der Klinik für Dermatologie des Universitätsklinikums Düsseldorf. Das Auffüllen dieser Hyaluronsäureverluste bzw. die Faltenunterspritzung mit HA- Fillern ist daher ein ungebrochener Trend in der ästhetischen Dermatologie: So wird auch die Rangliste der häufigsten ästhetischen Eingriffe von Faltenunterspritzungen mit Fillern angeführt. [1] Ein breites Spektrum an Fillern – bestehend aus Hyaluronsäure verschiedener Vernetzungsgrade – wird heute auf dem Markt angeboten.

Das Enzym Hyaluronidase (Hylase) kommt natürlicherweise in Organismen vor und baut Hyaluronsäure zu Hyaluronan-Fragmenten ab, indem es die HA-Disacharidbindungen spaltet. Dadurch lockert es das Gewebe auf und ermöglicht eine raschere Diffusion gleichzeitig injizierter oder infundierter Wirkstoffe. Bovine Hyaluronidase (Hylase® „Dessau”) ist als Adjuvans zur Unterstützung der Infiltrations- anästhesie zugelassen und verbessert als sogenannter “Spreading-Factor“ die Effektivität der Lokalanästhesie.

Abb. 1: Der Spreading-Effekt von Hyaluronidase.

Effektives Antidot beim Komplikationsmanagement

Die Eigenschaft des Enzyms Hyaluronsäure zu spalten, macht man sich auch beim Einsatz als Antidot nach Über- oder Fehlkorrekturen mit HA- Fillern zunutze. „Die Hyaluronsäure gilt als Goldstandard der Augmentation – auch weil es das einzige Augmentationsmaterial ist, für das ein spezifisches Antidot in Form von Hyaluronidase verfügbar ist“, sagte Gerber. Daher sollte Hylase zum Notfallmanagement in keinem Kühlschrank fehlen. „Aus Gründen der Patientensicherheit und -zufriedenheit plädiere ich dafür, dass das Enzym in Praxen, die Hyaluronsäure-Injektionen durch- führen, stets verfügbar sein sollte, sodass Fehlinjektionen, Knötchenbildungen oder Überkorrekturen behoben werden können“, betonte Dr. Fischer, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie vom Haut- und Laserzentrum Potsdam-Berlin. Durch die zunehmende Verbreitung des Einsatzes von hyaluronsäurehaltigen Fillern steige auch die Zahl der daraus resultierenden Komplikationen – die von Ödemen über Nekrosen bis hin zur Erblindung reichen können, erinnerte Gerber. Eine fundierte Kenntnis der funktionellen Anatomie und insbesondere des Gefäßverlaufs sei daher unerlässlich. Die schlimmste Komplikation sei der Verschluss eines arteriellen Gefäßes, sodass es zum Untergang von Gewebe kommt, so Gerber. Als Hochrisiko-Areale nannte er die Zornesfalte, Injektionen unterhalb des Auges sowie den Bereich der Nase sowie die Nasolabialfalte.

Auch wenn der Einsatz des Enzyms zum Management von Filler- Komplikationen derzeit offlabel, also außerhalb der Indikation, sei, müsse Hylase immer als Notfall- Präparat vorrätig sein. Innerhalb eines kurzen Zeitfensters von etwa 4 Stunden sei es meist möglich, Schädigungen nach Filler-Augmentation wieder aufzuheben. [2] „Beim Komplikationsmanagement von Fillern erweist sich die Hylase als sehr effektiv. So haben wir die Erfahrung gemacht, dass Hylase meist schon am gleichen Abend oder am nächsten Morgen die Hyaluronsäure aufgelöst hat“, berichtete Gerber.

Experimente an Kaninchenohren zeigten, dass Hyaluronidase bei vaskulären Komplikationen bevorzugt großflächig ins Gewebe infiltriert (gequaddelt) werden sollte, erklärte Gerber. Das Enzym dringe dann sehr schnell in die Gefäße ein und löse dort die Hyaluronsäure auf. Welche Konzentrationen im Einzel- fall benötigt würden, hänge Dr. Gerber zufolge auch von dem verwendeten Hyaluronsäure-Filler ab. „Wahrscheinlich lassen sich nicht alle Hyaluronsäure-Filler mit Hyaluronidase gleich effektiv auflösen“, so Prof. Gerber.

Günstige Effekte auf Wundheilung und Hautstruktur?

Die Sorge, das Hylase zur dauerhaften Reduktion der körpereigenen Hyaluronsäure führen könne und dadurch die Hautalterung bzw. Faltenbildung fördere, sei unbegründet, erklärte Gerber. Degradierte körpereigene HA werde umgehend regeneriert, so dass keine negativen Netto-Effekte auf das Volumen zu befürchten seien. Eher das Gegenteil sei der Fall.

So deuten neueste – noch nicht publizierte – Ergebnisse aus ex-vivo- Analysen menschlicher Haut sogar darauf hin, dass dosisabhängig durch die Injektion boviner Hyaluronidase in der Haut ein Plus an HA erreicht werden kann. „Niedrig dosierte Hyaluronidase induziert die HA- Bildung und führt am Ende dazu, dass mehr Hyaluronsäure da ist als am Anfang“. Diese Erkenntnisse könnten die Grundlage für ganz neue Indikationen des Einsatzes von Hylase, z.B. im Bereich Anti-Aging, bilden. Die Wundheilung werde in vitro nicht negativ, sondern wahrscheinlich eher positiv beeinflusst, so Gerber: „Unsere Daten deuten darauf hin, dass Hyaluronidase dosisabhängig die zelluläre Wundheilung fördert.“

Hylase optimiert Operationsbedingungen

In der Ophthalmochirurgie wird Hyaluronidase bereits seit mehr als 60 Jahren zur Unterstützung der Infiltrationsanästhesie eingesetzt, erinnerte Fischer. Hyaluronidase wirkt als Diffusionspromotor, so dass die simultan injizierten Anästhetika deutlich schneller und großflächiger ins Gewebe vordringen. [3-5] Die

Folge sei nicht nur eine raschere Akinesie und Analgesie des Operationsgebietes, sondern auch eine Reduktion von Schmerzen und Traumata. [6, 7] Dies kann den Heilungsverlauf positiv beeinflussen. [6, 8] In der ästhetischen Lidchirurgie – bei Blepharoplastiken – gewinnt das Enzym immer mehr an Bedeu- tung und wird zunehmend zur Unterstützung der Infiltrationsanästhesie angewandt. •

Quelle: Pressekonferenz “Hyaluronidase in der ästhetischen Dermatologie“, 3. Mai 2019, Berlin; Veranstalter: Riemser Pharma

Literatur

  1. DGÄPC-Statistik 2018; https://www.dgaepc. de/wp-content/uploads/2018/10/DGAEPC- Statistik_2018.pdf
  2. Kim DW, t al.; J Plast Reconstr Aesthet Surg. 2011 Dec;64(12):1590-5
  3. Wohlrab J et al. Efficacy study of hyaluronidase as a diffusion promoter for lidocaine in infiltration analgesia of skin. Plast Reconstr Surg 2012; 129:771e-2e.
  4. Wohlrab J, et al. Use of hyaluronidase for pharmacokinetic increase in bioavailability of intracutaneously applied substances. Skin Pharmacol Physiol 2014; 27: 276-82.
  5. Wohlrab J et al. Double-blind, block-randomized, placebo-controlled prospective trial with intraindividual comparison to assess the efficacy and safety of hyaluronidase (Hylase® „Dessau“) vs. placebo as adjuvant to local anaesthesia (in preparation). Wohlrab J. Safety evaluation of Hylase® „Dessau“ 150 IU (Bovine testicular hyaluronidase) vs. placebo as adjuvant to local anaesthesia in wound healing by means of a suction blister model in healthy volunteers (in preparation).
  6. Nowara E et al. Einsatz von Hyaluronidase bei Rhinoplastiken. MÄC Magazin für ästhetische Chirurgie 2/14, 8. Jahrgang 2014.
  7. Große W. Bericht aus der Praxis. Einsatz von Hyaluronidase in der Kataraltchirurgie. Ophthalmologische Nachrichten. Zeitung für die Augenheilkunde. 09.2015.
  8. Fratila A. Hyaluronidase zur Unterstützung der Tumeszenz-Lokalanästhesie. Cosmetic Medicine, 35. Jahrgang, 2014.