Hyaluron | Botulinumtoxin

“Wenn es um medizinische Sicherheit geht, endet das Wunschkonzert!“

Interview mit Mark Posselt, München

Mark Posselt ist leiter der eigenen ästhetischen Praxis “aesthetic partner“ in München und darüber hinaus ein international renommierter Experte und Referent im Bereich der ästhetischen Medizin. Wir sprachen mit ihm über das brandaktuelle Thema des Risiko- und Nebenwirkungs-Managements bei Unterspritzungen mit Hyaluronsäure, zu dem Herr Posselt sich kürzlich auch schon als Redner bei diversen Veranstaltungen in Berlin, Düsseldorf und Wien dezidiert geäußert hatte.

Mark Posselt

Ästhetische Dermatologie:

Risiken und Nebenwirkungen bei der Unterspritzung mit Hyaluron-Fillern: Warum ist das Thema so aktuell und warum ist es aus Ihrer Sicht so wichtig, dieses ganz offen anzusprechen?

M. Posselt:

Darauf eine ganz einfache Antwort: Weil es sie gibt. Und weil sie über die zunehmende Anzahl von Hyaluron- Filler-Behandlungen in den letzten Jahren logischerweise auch zunehmen. Das stellen wir national als auch international fest. Als Mediziner haben wir eine Verpflichtung, Risiken und Nebenwirkungen unserer Therapie zu erfassen, um diese dann auch rasch und bestmöglich behandeln zu können. Dieses Know-how erreicht man am besten durch offenen Umgang mit dem Thema im Austausch mit Kollegen in Gesprächen, Schulungen und Vorträgen oder natürlich auch bei Kongressen oder mittels Publikationen.

Ästhetische Dermatologie:

Welche bestehenden Risiken und Gefahren werden denn am häufigsten unterschätzt?

M. Posselt:

Es werden vor allem 3 Faktoren häufig unterschätzt. Erstens: die physikalischen und biochemischen Eigenschaften der “Hyaluronsäure-Filler“. Hyaluron ist ein viskoelastisches Gel, das ein hohes Risiko aufweist, bei intravasaler Injektion eine Minderperfusion durch Thrombus oder Embolie auszulösen. Zweitens: die anatomischvaskulären Gegebenheiten im Gesichtsbereich. Es gibt Zonen im Gesicht, bei denen die vaskuläre Situation sehr dicht und damit heikel ist, also “Risiko-Zonen“. Ein Beispiel wäre hier etwa die Zornesfalte. Hier treten relativ häufig Komplikationen auf, was auch durch Erhebungen belegt ist: dieses Areal ist weltweit die Risiko-Zone Nummer 1 für vaskuläre Komplikationen. Drittens: die Injektions-Technik und die handwerklichen Fahigkeiten der Behandler. Ich erlaube mir hier einen Vergleich passend zur Jahreszeit: Es ist wie beim Skifahren – der Kauf einer Top-Ausrüstung bewirkt noch nicht, dass Mann oder Frau sicher und gut Ski fahren kann. In der ästhetischen Medizin gilt als eine Maxime: “Train your skills“! Also: regelmäßig Kurse und Workshops belegen, um Fertigkeiten und Fähigkeiten kontinuierlich zu verbessern.

Ästhetische Dermatologie:

Welche Sofortmaßnahmen können bzw. müssen bei vaskulären Kompli- kationen unmittelbar eingeleitet werden? Was darf in keiner Praxis fehlen?

M. Posselt:

Der vaskuläre Verschluss ist ein dringlicher Notfall; hier sollte daher so schnell als möglich Hyaluronidase eingesetzt werden, um das Hyaluron aufzulösen. Priorität ist, die Perfusion wiederherzustellen. In jeder Praxis sollte aus diesem Grund ausreichend Hyaluronidase im Kühlschrank stehen. Meine Empfehlung: auf jeden Fall eine 10er Packung Hylase Dessau 300 IU gekühlt vorhalten. Und die Hylase sollte auch fachgerecht appliziert werden.

Ästhetische Dermatologie:

Sie haben ja schon die besondere Problematik der Zornesfalte erwähnt. Gibt es weitere Problemzonen, die nur mit äußerster Vorsicht bzw. gar nicht zu unterspritzen sind? Worauf muss hier ganz besonders hingewiesen bzw. geachtet werden?

M. Posselt:

Bei den letzten Kongressen in Berlin, Düsseldorf und Wien haben der Kollege Patrick Trevidic und meine Wenigkeit das Auftreten von vaskulären Komplikationen detailliert analysiert und beschrieben. Dabei sind als anatomisch sehr riskante Zonen zu nennen: die Zornesfalte, die Nase, die Nasolabial-Region sowie die Lippen. Bei einer Augmentation mit Hyaluron in diesen Arealen sollte auf jeden Fall über erhöhte Risiken hinsichtlich des Auftretens von vaskulären Komplikationen aufgeklärt werden. Falls in diesen Arealen eine Hyaluron-Injektion gemacht wird, sollte auch über sichere Techniken mit blunt tip Kanülen und physikalische Produkteigenschaften gesprochen werden

Ästhetische Dermatologie:

Können Sie uns kurz aus der Praxis die häufigsten Fehler und ihre Folgen schildern? Wie kann man diese vermeiden?

M. Posselt:

Die häufigsten vaskulären Komplikationen in Deutschland und auch international liegen im Bereich der Glabella. Die Anatomie zeigt uns, dass dort praktisch in allen Hautschichten Gefäße verlaufen können, die Epidermis ausgenommen. Eine Injektion mit Hyaluron in dieses Areal kann quasi zu einer “Lotterie“ werden – außer ich befinde mich streng epidermal. Vermeiden kann ich dies durch Einsatz der streng epidermalen Blanching- Technik; oder noch besser: ich nutze Botulinumtoxin für die Indikation “Glabella“. Das ist medizinisch der sicherere Weg.

Ich darf an dieser Stelle sagen, dass das Argument “der Patient möchte kein Botox“ kein Argument ist, um den Preis eines erhöhten Risikos bezüglich der medizinischen Sicherheit zu rechtfertigen. Denn: Wenn es um Sicherheit geht, endet das Wunschkonzert! Die Patienten konsultieren uns Mediziner natürlich auch wegen einer kompetenten Risiko-Einschätzung – und deswegen halte ich ganz klar Botox für die prioritäre Behandlungsmethode der Zornesfalte.

Ästhetische Dermatologie:

Sie betonten ja bereits die Wichtigkeit einer kontinuierlichen Fortbildung. Wie oft sollten Ihrer Meinung nach z.B. Anatomiekurse wiederholt werden?

M. Posselt:

Ich denke, zwei- bis dreimal im Jahr sollten anatomische Fortbildungen besucht werden. Für meinen Teil beschäftige ich mich durch meine vielen Vorträge und Workshops ständig mit anatomischen Themen, für den dabei gewährleisteten Austausch unter Kollegen, zum Beispiel zuletzt mit Patrick Trevidic, bin ich sehr dankbar.

Ästhetische Dermatologie:

Auch wenn problematische Nebenwirkungen – nicht zuletzt durch Ihr Engagement – inzwischen etwas mehr in den Fokus gerückt sind, gibt es in diesem Bereich vermutlich immer noch eine signifikante Dunkelziffer?

M. Posselt:

Über die Dunkelziffer kann ich leider keine valide Aussage treffen. Glücklicherweise sind meiner Erfahrung nach vaskuläre Probleme wie Nekrosen oder Granulome seltene Nebenwirkungen. Granulome als Spät-Reaktionen haben eine Wahrscheinlichkeit von circa 1:17.000. Erfreulicherweise gibt es unter den Experten und Fachgesellschaften zu diesen Themen mittlerweile einen sehr guten Austausch. Das Feld “Nebenwirkungs-Management“ ist inzwischen auch auf Kongressen und Workshops sehr präsent – eine sehr erfreuliche Entwicklung in meinen Augen.

Ästhetische Dermatologie:

Können Sie uns einen Ausblick geben, was Sie persönlich in dieser Richtung im neuen Jahr 2020 initiieren werden?

M. Posselt:

Im Rahmen der diesjährigen Teoxane Academy Tour haben Patrick Trevidic und ich ja das Thema Nebenwirkungsmanagement vorgestellt unter dem Motto “Prävention – Identifikation – Reaktion“. Dazu wird es im neuen Jahr sicher auch Fortbildungen geben, die sich der medizinischen Sicherheit sowie dem Management von Nebenwirkungen widmen. Wer mich kennt, der weiß, dass es dabei um Anatomie, Biomechanik, Techniken, Skills und um physikalische Eigenschaften von Produkten gehen wird … und dass es sicher mit blunt tip cannulas zu tun hat.

Ästhetische Dermatologie:

Sehr geehrter Herr Posselt, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte S. Steffens.