Hypophosphatämie

Zulassungserweiterung für Burosumab bei erwachsenen Patienten mit X-chromosomaler Hypophosphatämie (XLH)

Erste kausale Therapie des Phosphatdiabetes

Ab sofort steht erwachsenen Patienten mit XLH erstmalig eine Therapie zur Verfügung, die kausal auf die zugrundeliegende Pathophysiologie der XLH abzielt. XLH ist eine seltene, genetisch bedingte Erkrankung, die Anomalien in den Knochen, Muskeln und Gelenken verursacht. [1-3] Mit einer Prävalenz von etwa 1:20.000 ist sie die häufigste Form einer hereditären Rachitis. [4] Die XLH manifestiert sich häufig bereits ab dem Säuglingsalter und ist eine chronisch progressive, ein Leben lang bestehende Erkrankung des Phosphatstoffwechsels.

Bis vor Kurzem stand erwachsenen Patienten lediglich eine nicht standardisierte Phosphatsubstitutionstherapie zur Verfügung. „Die Zulassung von Burosumab für erwachsene Patienten stellt einen enormen Fortschritt für die Betroffenen dar, denn auch wenn sich die Symptomatik aufgrund der XLH altersabhängig teilweise anders darstellt, so verursacht die Erkrankung doch ein Leben lang Beschwerden, die in der Regel auch einer Therapie bedürfen“, erläuterte Dr. Lothar Seefried, Orthopädische Klinik an der Universität Würzburg, bei einer Fachpressekonferenz zum Thema. Dr. Dirk Schnabel, Sozialpädiatrisches Zentrum, Charité Berlin, ergänzte: „Bereits seit zwei Jahren profitieren Kinder und Jugendliche von der Therapie mit Burosumab und wir konnten hier eine deutliche Überlegenheit der kausalen gegenüber der konventionellen Therapie feststellen. Die Zulassung für Erwachsene ermöglicht uns die weiterführende Behandlung während der Transition und nun sogar darüber hinaus.

Burosumab nun für alle Patienten mit XLH verfügbar

Burosumab (Crysvita®) ist bereits seit 2018 für die Behandlung von XLH mit röntgenologischem Nachweis einer Knochenerkrankung bei Kindern im Alter von einem Jahr und älter sowie bei Jugendlichen mit wachsendem Skelett zugelassen. [5] Mit der erweiterten Zulassung wird nun allen Jugendlichen mit röntgenologisch nachweisbarer Knochenerkrankung, unabhängig vom Wachstumsstatus, sowie auch Erwachsenen mit XLH die erste kausale Therapie zugänglich gemacht. [6] Bei XLH führen Mutationen im PHEX-Gen zur Überexpression des im Blut zirkulierenden Fibroblasten-Wachstumsfaktors FGF23, der an der Regulation der Phosphatausscheidung über die Nieren beteiligt ist. [4] Der Überschuss an FGF23 verursacht einen Phosphatverlust über den Urin und führt damit zu einem Phosphatmangel. [4] Burosumab bindet spezifisch an FGF23 und blockiert dessen Aktivität, was eine verminderte renale Phosphatausscheidung und Erhöhung des Serum-Phosphatspiegels zur Folge hat. [5]

XLH-Therapie im Kindesund Erwachsenenalter – Eine interdisziplinäre Herausforderung

Für die Behandlung von Menschen mit X-chromosomaler Hypophosphatämie ist eine strukturierte Transition von zentraler Bedeutung, also der langfristig geplante und initiierte Übergang von Kindern oder jungen Erwachsenen mit XLH aus der Pädiatrie in eine erwachsenenorientierte Gesundheitsversorgung.  Ein weiterer zentraler Erfolgsfaktor ist eine interdisziplinäre Versorgung der Betroffenen. So wies Dr. Schnabel in seinem Vortrag auf die Notwendigkeit einer guten Zusammenarbeit berufsgruppenübergreifender Teams hin, um Menschen mit XLH aller Altersgruppen eine aktive Teilnahme am sozialen Leben zu ermöglichen: „XLH ist eine Stoffwechselerkrankung mit breiter Symptomatik. Niedergelassenen Kinder- und Jugendärzten kommt daher eine Art Lotsenfunktion bei Diagnose und Therapie zu. Im Laufe ihres Lebens können nicht diagnostizierte Menschen mit XLH bei Ärzten unterschiedlichster Fachrichtungen vorstellig werden, da XLH zum Teil mit sehr heterogenen Symptomen und Schweregraden einhergehen kann. Zu diesen Facharztgruppen zählen insbesondere Allgemeinmediziner, Nephrologen, Endokrinologen, Orthopäden, Rheumatologen und Zahnärzte. Ihr perfektes Zusammenspiel ist Grundlage und Voraussetzung für eine umfassende medizinische Abklärung sowie eine erfolgsversprechende, langfristige Behandlung. Diese wird nun erstmals altersunabhängig mit Burosumab möglich.

Systemische XLH-Therapie – Chancen einer lebensbegleitenden Patientenversorgung

„Die X-chromosomale Hypophosphatämie beruht auf einem Stoffwechseldefekt, der ein Leben lang besteht und die klinische Symptomatik bei den erwachsenen Patienten entsprechend prägt. Überlagert wird die Symptomatik durch Schäden, die sich im Zeitablauf als mögliche Folgen einer nicht optimalen Behandlung ergeben können“, erläuterte Dr. Seefried. Typische Merkmale bei erwachsenen Patienten seien Kleinwuchs, Deformierungen der langen Röhrenknochen, Dentalabszesse, Steifigkeit der Gelenke und Schmerzen. „Als Begleiterscheinung einer konventionellen Phosphatersatztherapie können Nierenschäden wie etwa Nephrokalzinose oder Niereninsuffizienz sowie Erkrankungen der Nebenschilddrüse auftreten“, ergänzte Dr. Seefried. „Zentrales Therapieziel sollte es sein, die dauerhaft bestehenden Störungen des Phosphatstoffwechsels langfristig kausal auszugleichen. Mit Burosumab haben wir nun neue Perspektiven für eine lebenslange, optimale Patientenversorgung.“

Das Wirkprinzip von Burosumab

Burosumab (Crysvita®) ist ein rekombinanter, vollständig humaner monoklonaler IgG1-Antikörper gegen den die Phosphatausscheidung steigernden Fibroblasten-Wachstumsfaktor 23 (FGF23). [5] FGF23 ist ein Hormon, das den Serumphosphatspiegel senkt, indem es die Phosphatausscheidung und die Produktion von aktivem Vitamin D in der Niere reguliert. Der Phosphatverlust und die daraus resultierende Hypophosphatämie bei der X-chromosomalen Hypophosphatämie (XLH) werden durch übermäßige Mengen und Aktivität von FGF23 verursacht. Burosumab ist so konzipiert, dass es FGF23 bindet und dadurch dessen biologische Aktivität hemmt. Durch die Bindung von überschüssigem FGF23 bei XLH- Patienten erhöht Burosumab die Phosphatreabsorption in der Niere und steigert die Produktion von Vitamin D, das die intestinale Aufnahme von Phosphat und Kalzium verbessert. ª

Quelle: Kyowa Kirin

Literatur

  1. Linglart A et al. Endocr Connect. 2014; 3:R13–30.
  2. X-linked hypophosphatemia (X-chromosomale Hypophosphatämie). Verfügbar unter: https://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?Expert=89936. Stand: Januar 2012. Letztmalig abgerufen: November 2020.
  3. Haffner D et al. Nat Rev Nephrol. 2019; 15:435–5.
  4. Beck-Nielsen SS et al. Eur J Endocrinol. 2009; 160(3):491–7.
  5. Fachinformation Crysvita®, Stand September
  6. Europäische Arzneimittel-Agentur. CRYSVITA EPAR Produktinformationen. Fachinformation. Verfügbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/crysvita-epar-product-information_en.pdf. Stand: September 2020. Letztmalig abgerufen: November 2020.