Hypophosphatasie

Niedrige alkalische Phosphatase – ein Schlüssel zur Diagnose Hypophosphatasie

Die Bestimmung der alkalischen Phosphatase (AP) im Serum gehört zu den Routineparametern im klinischen Labor. Abweichungen von den Normwerten – sowohl nach oben als auch nach unten – geben wichtige diagnostische Hinweise
und sollten entsprechend abgeklärt werden. Deutlich häufiger findet sich eine erhöhte AP, erniedrigte Serumspiegel sind dagegen selten und wurden bislang eher ignoriert. Was es mit diesen Abweichungen vom Normwert auf sich hat und welche Differenzialdiagnostik sich an solche Befunde anschließen sollte, war Thema eines Symposiums im Rahmen der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie.

Die alkalische Phosphatase ist ein Enzym, welches Phosphatgruppen von Proteinen, Nukleotiden oder Alkaloiden abspaltet und diese damit dephosphoryliert. Es existieren vier verschiedene Isoformen, die auf Chromosom 2 (Dünndarm-, Plazenta- und Keimzell-AP) oder Chromosom 1 (gewebsunspezifische AP) lokalisiert sind, erläuterte Professor Dr. Dr. Peter Kann von der Universität Marburg. Hauptkomponenten der im Serum gemessenen AP-Spiegel sind im Erwachsenenalter normalerweise die gewebsunspezifischen Enzymvarianten aus dem Knochen und der Leber. Syntheseort der skelettalen AP sind die Osteoblasten, wobei die AP ein Marker für Knochenaufbau, also die Kalzifikation darstellt. Die hepatobiliäre AP wird vor allem in Kupfferschen Sternzellen der Leber gebildet.

Ob eine AP-Erhöhung aus dem Knochen oder der Leber stammt, lässt sich meist schnell und kostengünstig durch den – ebenfalls zur Routinediagnostik gehörenden – Parameter des Leberenzyms g-GT abklären. Ist dieser Wert im Normbereich, stammen erhöhte AP-Werte aus dem Knochen, wie Kann an Fallbeispielen erläuterte. So war eine deutlich erhöhte AP (445 U/l) bei gleichzeitig hoher g-GT (530 U/l) und erhöhtem Bilirubin (9,8 mg/dl) bei einem 63-jährigen schmerzfreien Patienten mit unspezifischem Unwohlsein ein Hinweis auf ein Pankreaskopfkarzinom, welches sich anschließend in Sonografie und MRCP bestätigte. Dagegen fand sich in einem weiteren Fall bei einer 56-jährigen Patientin mit chronischen Lumboischialgien ohne neurologisches Defizit und deutlicher AP- Erhöhung (792 U/l) und normaler g-GT (19 U/l) nach Abklärung mit einer Skelett-Szintigrafie ein Morbus Paget im Becken- und Hüftbereich als klassischen Prädilektionsstellen.

Zu bedenken bei der AP sind altersabhängige Referenzbereiche, so Kann. Im Alter über 18 Jahre liegen sie bei Frauen zwischen 35 und 104 U/l, bei Männern zwischen 40 und 129 U/l. Bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen sind die oberen Grenzwerte teilweise deutlich höher. Bei der idiopathischen primären Osteoporose als der bei weitem häufigsten Knochenkrankheit ist die AP typischerweise normal, betonte der Endokrinologe. Lediglich bei akuten Frakturen oder den darauffolgenden Heilungsprozessen sind AP-Erhöhungen möglich. Die AP eignet sich damit nicht als Indikator für eine High- oder Low-turnover-Osteoporose, so Kann abschließend.

Bei erniedrigter AP auch an Hypophosphatasie denken

Deutlich seltener als eine AP- Erhöhung findet sich eine niedrige AP-Konzentration. Diese kann auf eine Hypophosphatasie (HPP) deuten, wie Professor Heide Siggelkow, Endokrinologin von der Universität Göttingen, berichtete. Diagnostisch bietet die HPP Herausforderungen, denn sie kann vom Phänotyp her durchaus einer Osteogenesis imperfecta, einer Osteoporose oder einer anderen Erkrankung mit Skelettfehlbildungen ähneln. Hier kann daher die Bestimmung der AP, als Bestandteil der Standard- Diagnostik in den DVO-Leitlinien enthalten, weiterhelfen.

Bei AP-Werten unter 30 U/l, also deutlich unterhalb des Normbereichs (35-104 U/l) sollte unbedingt auf eine erhöhte Konzentration von Pyridoxalphosphat (PLP, Vit. B6) getestet werden, dessen Höhe mit der Schwere einer möglichen HPP korreliert, empfahl Siggelkow.

Einzig zielführend ist bei hohen PLP-Spiegeln dann eine Mutations- analyse des ALPL-Gens 1p36 1-34, das für gewebsunspezifische (TNSAP) AP-Formen codiert. Von den bislang 411 bekannten Mutationen erwiesen sich in einer Analyse über die Hälfte (56%) als compound heterozygot, 33% als dominant heterozygot und 4% als homozygot. Eine klare Zuordnung von Genotyp zum Phänotyp existiert bislang jedoch nicht, so Siggelkow. Alle Mutationen führen jedoch zu einem unterschiedlich ausgeprägten Funktionsverlust der AP mit einem Verlust der physiologischen Kalziumphosphatbildung, welche zur Knochenmineralisierung erforderlich ist. An deren Stelle akkumuliert Phosphat dann als anorganisches Pyrophosphat (iPP), Phosphoethanolamin und PLP und bildet Kristalle in den Osteoblasten. Dies bewirkt schließlich eine Inflammation und Zerstörung des Knochengewebes, woraus ein breites Spektrum von Organmanifestationen unter anderem an Muskeln, Gelenken, Knochen und Zähnen resultiert.

Differenzialdiagnostisch ist, auch durch die PLP-Bestimmung, eine Osteogenesis imperfecta (OI) auszuschließen, hinzu kommen weitere Erkrankungen wie Wilsons Disease, Schilddrüsenunterfunktion oder Cushing-Syndrom. Besonders wichtig ist allerdings der Ausschluss einer OI, da bei der HPP, im Gegen- satz zur OI, Bisphosphonate streng kontraindiziert sind. Die HPP tritt auch bereits bei Kindern auf und kann unbehandelt frühzeitig zum Tode, durch eingeschränkte Lungenfunktion zu Lungenhypoplasie und Beatmungspflichtigkeit führen. Weitere mögliche Komplikationen sind vorzeitiger Zahnverlust, Muskelschmerzen, Chondrokalzinose der Gelenke und am Knochen Ödeme und Osteomalazie. Auch Niere und Magen-Darmsystem können in Mitleidenschaft gezogen werden.

Abb.1 Wirkprinzip von Asfotase alfa.

Als wichtigster Baustein der HPP- Therapie bei schweren HPP-Formen steht seit einigen Jahren die Enzymersatztherapie mit Asfotase alfa (Strensiq®) zur Verfügung. Zugelassen ist sie zur Langzeit-Behandlung bei Kindern und Erwachsenen mit HPP mit Knochenmanifestationen erstmals vor dem 18. Lebensjahr.
Das künstliche AP-Molekül Asfotase alfa ist ein Fusionsprotein mit einer gekoppelten Dekapeptid-Aspartat- Domäne als „Knochenanker“. Über die Dauer von 12 Monaten verbesserte die Infusion von Asfotase alfa (meist 2 mg/kg 3x wöchentlich) in der noch laufenden monozentrischen, offenen Studie EmPATHY bei bislang 14 Patienten im Alter von mindestens 18 Jahren mehrere Parameter der körperlichen Funktionsfähigkeit signifikant um etwa 20%. So ver- besserte sich bei 13 Patienten binnen eines Jahres der 6-Minuten-Gehtest (6MGT) ebenso wie im gleichen Zeitraum bei neun Patienten der Aufstehtest (TUG). Dadurch waren nach einem Jahr weniger Patienten auf Gehhilfen angewiesen. Deutliche Verbesserungen gab es auch bei der Verbesserung der Schrittlänge (+38%), beim wiederholten Aufstehen aus der Sitzposition (+41%) und allgemein bei Alltagsaktivitäten (+121%). Außerdem reduzierte die Enzymsubstitution bereits nach sechs Monaten chronische Schmerzen sowie die Anzahl der Patienten mit chronischen Schmerzen.

Realistische Behandlungsziele bei erwachsenen Patienten sind nach Auffassung von Siggelkow eine verbesserte Heilung bzw. Prävention von Frakturen, aber auch allgemein ein verbesserter körperlicher Funktions- status der Patienten. Hinzu kommen Verbesserungen von Funktionsstatus, Knochenqualität, Schmerzen, Mundgesundheit und Lebensqualität.

Quelle: Satellitensymposium „Wer A sagt muss auch P sagen: Die Rolle der alkalischen Phosphatase im Knochenstoffwechsel“ anlässlich der virtuellen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), 4. März 2021; Veranstalter: Alexion Pharma