Operative Therapie des Hochrisikoplattenepithelkarzinoms
Bezüglich der operativen Therapie des Hochrisikoplattenepithelkarzinoms diskutierten ausgewiesene Experten der Dermato-Onkologie bei einem Symposium anlässlich der diesjährigen DDG-Tagung unter anderem den Stellenwert der Sentinel-Lymphknoten-Biopsie und gaben Hinweise zur operativen Resektion am Beispiel der Wangenregion.
Durch die steigende Altersentwick- lung in der Gesellschaft ist auch eine zunehmende Inzidenz des kutanen Plattenepithelkarzinoms (cSCC)
zu erwarten, berichtete Dr. med. Lukas Kofler, Leiter des Zentrums für seltene Hauterkrankungen
und kongenitale Riesennävi an der Universitäts-Hautklinik Tübingen. Das cSCC ist eine der häufigsten Krebsarten in der kaukasischen Be- völkerung und macht etwa 20% aller Hauttumoren aus. [1]
Risikofaktoren, die mit Lokalrezidi- ven, Metastasierung und Mortalität von kutanen cSCC assoziiert sind, umfassen beispielsweise die Tumor- tiefe (Breslow-Level: ≥2mm), eine Infiltrierung über das subkutane Fett hinaus, einen Tumor-Durchmesser von mehr als 20 mm sowie Lokalisa- tion und Histologie-Subtyp. [2]
Immunstatus als Risikofaktor für cSCC
Eine Immunsuppression beispiels- weise durch chronische entzündliche Erkrankungen oder Organtransplan- tation gilt ebenfalls als Risikofaktor für die Entstehung von cSCC wie auch für schwere Krankheitsverläufe, betonte Kofler, wobei mit der Dauer der Immunsuppression nach Organ- transplantation auch die Risiken
für cSCC (60- bis 100-fach erhöht) und aktinische Keratosen (bis zu 250-fach erhöht) dramatisch an- steigen. Ebenso steigen bei hämato- onkolischen Grunderkrankungen wie
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CLL (chronische lymphatische Leu- kämie) die Risiken für aggressivere Verläufe, größere Tumorausdehnung und häufigere Metastasierung, gab der Experte zu bedenken.
Operative Resektion von cSCC
Die chirurgische vollständige Resek- tion stellt die erste therapeutische Option bei Patienten mit fortgeschrit- tenem cSCC dar. Bei Patienten mit inoperablem Tumor sollte vorzugs- weise eine Erstlinien-Immuntherapie in Betracht gezogen werden. [3]
Bei der operativen Exzision von cSCC gibt es bisher keine standardmäßige Definition der optimalen Sicherheits- abstände. In der Literatur variieren die Angaben stark und liegen zwi- schen 4-50 mm, berichtete Kofler. Die mikrographisch kontrollierte Chir- urgie des Plattenepithelkarzinoms
ist möglicherweise der Standard- entfernung überlegen, wie eine retrospektive Analyse von 672 cSCC- Patienten zeigte. Das Rezidivrisiko betrug nach Standardentfernung 8% und nach mikrographisch kontrol- lierter Chirurgie 3% (p=0,013). Eine mikrographisch kontrollierte Chirur- gie kann aufgrund einer geringeren Rezidivrate der Standardentfernung für cSCCs an Kopf und Hals überle- gen sein, resümierte der Experte. [4]
Beurteilung des Lymphknotenstatus
Sentinel-Lymphknoten-Biopsie (SLNB, Wächterlymphknoten- biopsie) bietet eine Möglichkeit
zur Beurteilung des lokoregionalen Lymphknotenstatus. Subklinische Lymphknotenmetastasen können prinzipiell durch eine SLNB identi- fiziert werden. Jedoch bietet diese Untersuchung keinen Nutzen für das Outcome der Patienten hinsichtlich der prognostischen oder therapeuti- schen Wertigkeit in Bezug auf weitere Metastasierung oder des tumor- spezifischen Überlebens. Hierzu hatte Kofler in seiner Arbeitsgruppe retro- spektiv 720 Hochrisiko-Patienten
mit Plattenepithelkarzinomen (Tu- mordicke > 5 mm) untersucht. 150 Patienten stimmten der SLNB zu, 570 Patienten erhielten keine histologi- sche Bestätigung des Lymphknoten- status. Bei 101 Patienten wurde ein Sentinel-Lymphknoten erfolgreich markiert und exstirpiert.
In den Nachuntersuchungen zeigten 11,1% aller Patienten im Verlauf ihrer Behandlung eine Lymphknotenme- tastasierung, ohne Unterschied im Anteil der Patienten in SLNB-Gruppe (11,9%) und Beobachtungsgruppe (11,4%) (p=0,873). Der Anteil
der Fernmetastasen unterschied
sich ebenfalls nicht zwischen den Gruppen (p=0,898), schilderte Kofler. Bei 3,9% der Patienten in der SLNB-Gruppe wurde eine Metasta- sierung im Sentinel-Lymphknoten gefunden. Fernmetastasen traten bei 1,7% aller Patienten auf, ergänzte der Experte. Die tumorspezifische Morta- lität lag bei 7,1% in der SLNB-Gruppe und bei 4,7% in der Beobachtungs- gruppe (p=0,269). Bei 88% der im
Beobachtungszeitraum verstorbenen Patienten (56,6%) wurde eine andere Todesursache verzeichnet. [5]
Abb. 1: Linienführung für unauffällige Narben.
Operative Resektion
am Beispiel der Wangenregion
Mit der operativen Resektion von cSCC zum Beispiel in der Wangen- region vermittelte PD Dr. med. Phillipp Reiners-Koch, Oberarzt und Facharzt für Haut- und Geschlechts- krankheiten am Universitätsklinikum Mannheim, praktische Hinweise
zur plastischen Rekonstruktion.
Die Anatomie im Wangenbereich
ist gekennzeichnet durch eine aus- geprägte Elastizität, Mobilität sowie Vaskularisierung. Es stellt die größte ästhetische Einheit im Gesicht dar, das in die Subeinheiten infraorbital, zentral und präaurikulär gegliedert ist. Chirurgische “Gefahrenzonen“ im Gesicht, die mit besonderer Vor- sicht zu berücksichtigen sind, stellen die Glandula parotis (paarige Ohr- speicheldrüse inkl. Speichelgang) und der Nervus faciales dar, gab der Experte zu bedenken.
Aspekte der Rekonstruktionsplanung
Schon bei der Rekonstruktions- planung ist zu vermeiden, dass möglicherweise Zug an Strukturen (Wundspannung) wie Unter-
lid, Lippe, Nasenflügel entstehen
könnten. Diese Bereiche sollten nach dem Eingriff völlig spannungs- frei bleiben, empfahl Reiners-Koch. Weitere Aspekte wie Komorbidität (z.B. Diabetes), Lebensstilfaktoren (z.B. Rauchen) und Begleitmedi- kation (z.B. Blutverdünnung) sind in der Planungsphase ebenfalls zu beachten.
Abb. 2: Rekonstruktionsplanung im Wangenbereich.
Die besten Rekonstruktionsergebnisse mit den unauffälligsten Narben können entlang der Grenzen der ästhetischen Einheit Wange, entlang der relaxed skin tensions lines (RSTL) und mimischen Hautfalten erzielt werden (vgl. Abb. 1). Bei kleinen Defekten im Wangenbereich ist meisten ein Direktverschluss (Dehnungsplastik, ggf. S-förmig) möglich. Bei mittelgroßen und großen Defekten kommen weitere Techniken in Betracht, etwa Rotationsplastiken (von caudal bzw. lateral kommend) und Verschiebeplastiken, Insellappenplastiken und Transpositionslappen (vgl. Abb. 2). Für größere Defekte der zentralen Wange sind beispielsweise kaudale Rotationslappen eine Option, die jedoch eine weite bzw. groß- flächige Mobilisation erfordern, um am Mundwinkel Spannungen zu vermeiden. Bei infraorbitalen Defekten werden ggf. subkutan gestielte, doppelte Insellappen eingesetzt, die mit einer prominenten bzw. auffälligeren Narbenbildung einhergehen können und ggf. auf die Nasolabialfalte fallen oder diese versetzen. Bei sehr großen Defekten sind freie Lappenplastiken und ggf. eine sekundäre Wundheilung Optionen, so Reiners-Koch.
Quelle: Wissenschaftliches Symposium “Operative Dermatologie“ anlässlich des DDG-Kongresses, 15. April 2021
Literatur
1. Leiter et al. Hautarzt.2020;71(8):597-606.
2. Thompson AK et al. JAMA Dermatol. 2016;152(4):419-428.
3. Amaral T. et al. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2019;33(8):44-51.
4. van Lee at al. BJD.2019;181:338–343. 5. Kofler et al. Arch Derm Research. 2021;313(2):119-126.