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„Eine Analyse der Anatomie der Patientin ist extrem wichtig“

Interview mit S. Giessler, München

 Frau Dr. Svenja Giessler ist nach Tätigkeiten an mehreren großen Kliniken in Berlin, Ludwigshafen und Vogtareuth seit nunmehr 10 Jahren als niedergelassene Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie mit eigener Praxis in München ansässig. Anfang Juni 2018 hat sie ihre neuen Praxisräume mit angeschlossenem Kosmetikinstitut “Beauty by Dr. Giessler“ in der Widenmeyerstraße 32 bezogen. Wir sprachen mit Frau Dr. Giessler über ihre berufliche Spezialisierung sowie aktuelle Entwicklungen in der Ästhetik.

 MÄC:

Frau Dr. Giessler, erzählen Sie uns bitte etwas über Ihre Fachgebiete. Haben Sie sich auf bestimmte Eingriffe spezialisiert?

 Dr. Giessler:

Ich biete in meiner Praxis für Plastische und Ästhetische Chirurgie in München die ganze Bandbreite ästhetischer Behandlungen an, von Faltenunterspritzungen mit Hyaluronsäurefillern über Laserbehandlungen bis hin zu größeren Eingriffen wie Fettabsaugung und Bauchdecken-straffung. Ein besonderer Schwerpunkt meiner Tätigkeit liegt dabei im Bereich der Brustvergrößerung, Brustverkleinerung und ganz besonders der Behebung von Schlupfwarzen.

 MÄC:

Was genau sind Schlupfwarzen und sehen Sie diese oft?

 Dr. Giessler:

Schlupfwarzen oder auch invertierte Mamillen sind ein häufiges Thema, das bei Frauen jeden Alters angeboren oder als Folge von Stillzeiten auftreten kann. Dabei gibt es unterschiedliche Ausprägungsgrade angefangen mit Brustwarzen, die spontan oder auf Reize nach draußen kommen und sich dann wieder nach innen stülpen, oder solchen, die immer nach innen gezogen sind. In allen Fällen sind verkürzte oder übermäßig kontraktile Milchgänge die Ursache des Problems.

Bei der Technik nach Olivari, die ich anwende, werden die kontraktilen Milchgänge durchtrennt, um die Brustwarzen nach außen stülpen zu können, und diese dann mit einer Tabaksbeutelnaht an der Basis gesichert, um ein erneutes Einsinken zu verhindern. Natürlich wird damit die Stillfähigkeit beendet, darüber müssen die betroffenen Frauen in erster Linie aufgeklärt werden.

 MÄC:

Was sind die besonderen Herausforderungen bei Eingriff an der weib-lichen Brust? Ich glaube, es ist besonders wichtig, die Patientinnen genau auszumessen?

 Dr. Giessler:

Bei allen Eingriffen der Brustchirurgie ist eine vorherige Analyse der Anatomie der jeweiligen Patientin extrem wichtig, um realistische Erwartungen an das Operationsergebnis zu generieren. Dazu gehört das Vermessen verschiedener Parameter wie der oberen Brustgrenze, der Höhe der Unterbrustfalte, des Mamillen-Jugulum-Abstandes etc.

 Meine kanadische Kollegin und Mentorin Dr. Elisabeth Hall-Findlay hat nach jahrelangem konsequenten  Vermessen ihrer Patientinnen diese in “high-breasted“ und “low-breasted“ unterteilt, also in Frauen mit hohem oder niedrigem Brustansatz. Das hilft bei der Planung der Operation ungemein weiter, um Fehlplatzierungen der Brustwarzen bei Mammareduktionen oder der Implantate bei Augmentationen zu vermeiden und um den Patientinnen demonstrieren zu können, auf welcher Höhe ihre Brüste postoperativ ansetzen werden.

 MÄC:

Sie sind ja auch in der Intimchirurgie engagiert. Kommen hier hauptsächlich jüngere Patientinnen zu Ihnen? Was ist bei diesen Operationen besonders zu beachten?

 Dr. Giessler:

Die Patientinnen, die sich für eine intimchirurgische Operation interessieren, sind meist in einer Altersgruppe von 18-50 Jahren; die Spanne derer, die z.B. unter dem Problem zu großer innerer Schamlippen leiden, ist also sehr groß. Es handelt sich bei der Labioplastik also keineswegs um einen “Modetrend“, dem nur jüngere Frauen verfallen sind, sondern um eine Veränderung mit großem Leidensdruck, die unabhängig vom bereits stattgehabtem oder häufigem Geschlechtsverkehr oder Entbindungen von Kindern auftreten.

 Natürlich handelt es sich bei vergrößerten Labien um eine Normvariante, wie ja z.B. auch die Größe von Brüsten sehr variabel ist, aber oft gehen mit dieser Vergrößerung das heißt, wenn die inneren Labien aus der Bedeckung durch die äußeren heraustreten auch Beschwerden wie Trockenheit, Pigmentveränderungen, Jucken und Schmerzen bei Druck durch Geschlechtsverkehr oder Fahrradfahren zum Beispiel einher.

 In den meisten Fällen kann die Labioplastik in Lokalanästhesie ambulant durchgeführt werden, dennoch ist die Operation nicht zu bagatellisieren wie ein Besuch beim Friseur. Wie bei jeder anderen Operation auch gibt es Risiken wie Entzündungen, Wund-heilstörungen, Schwellungen und Hämatome, über die die betroffene Patientin aufgeklärt werden muss.  Selbstverständlich sollte eine Technik angewendet werden, die zum Ziel hat, eine natürliche Optik und Funktion des Genitalbereiches wiederherzustellen, ein verstümmelndes einfaches Abschneiden der Labien ist dabei sicher nicht der richtige Weg und kann zu lebenslangen Entstellungen führen.

 MÄC:

Bei dem für sehr viele Patientinnen und Patienten eminent wichtigen Thema Faltenbekämpfung setzen Sie eine besondere Lasertherapie ein. Können Sie uns diese einmal näher erläutern?

 Dr. Giessler:

In meiner Praxis kommt der Erbium:YAG Laser Joule von der amerikanischen Firma Sciton zum Einsatz. Es handelt sich bei diesem Gerät um einen ablativen Laser, der zum einen flächig abträgt (Resurfacing), zum anderen eine Teilbehandlung durch die fraktionierte Technik (ProFractional) ermöglicht. Damit erzielt man technisch wie beim Microneedling einzelne Verletzungen, die bis zu 1.000 µm in die Haut eindringen und damit eine starke Stimulation der elastische Fasern auslösen ein sogenanntes “Laser-Facelift“, bei dem die Elastizität und Fülle des Gesichtes sichtbar zunimmt.

 Ergänzt wird dieser Plattformlaser durch die sogenannte BBL (Broad Band Light), eine Blitzlampe, die mit unterschiedlichen Wellenlängen zur effektiven Reduktion von Pigmentflecken im Gesicht, Hals, Dekolleté und Händen, zur Behandlung von Rötungen und zur dauerhaften Haarentfernung eingesetzt werden kann.

 MÄC:

Was halten Sie von den sogenannten Mittagspausen-Behandlungen? Was kann bzw. sollte man machen und wo liegen die Risiken?

 Dr. Giessler:

Grundsätzlich eignen sich kleinere Behandlungen mit Botox oder Hyaluronsäure zur Faltenbehandlung oder die Kryolipolyse zur Reduktion von Fettpölsterchen schon als Lunchtime-Procedure. Allerdings kann es natürlich unabhängig von der Tageszeit immer auch zu kleineren Blutergüssen oder Schwellungen kommen, die dann ggf. die Aufmerksamkeit von Kollegen oder Kunden erregen. Eine Garantie, dass die Behandlung unmittelbar absolut spurenlos verläuft, gibt es nie! Schonender und natürlich ganz ohne Ausfallzeit sind Kosmetikbehandlungen wie z.B. die hochmoderne HydraFacial-Behandlung, die eine sanfte Ausreinigung, Durchfeuchtunng und Glättung der Haut bewirkt.

 MÄC:

Gehören für Sie kosmetische Behandlungen als Vor- bzw. Nachbehandlung oder auch als dauerhafte Ergänzung zu einem chirur-gischen Eingriff generell dazu?

 Dr. Giessler:

Kosmetische Behandlungen sind vor oder nach operativen Prozeduren nicht zwingend erforderlich, werden aber gerne als Unterstützung zum langfristigen Erhalt der Hautqualität z.B. nach Laserbehandlungen empfohlen. Im Rahmen einer Aknebehandlung mit der Blitzlampe sind er- gänzende Ausreinigungen, sanfte Peelings und Hydratisierungen der Haut optimal.

 MÄC:

Gibt es in diesem Bereich aktuelle Trends?

 Dr. Giessler:

Als eine der modernsten apparativen Kosmetikbehandlungen muss man sicherlich HydraFacial nennen. HydraFacial ist aus meiner Sicht eine der innovativsten Methoden der kosmetischen Hautpflege. Das nicht-invasive Verfahren setzt auf eine optimale Kombination von Wirk-stoffen, die die Haut vollständig reinigen und mit nachhaltiger Feuchtigkeit versorgen. Ziel der effektiven Therapie ist die Erhaltung ausreichend hydratisierter Zellen für ein frisches und strahlendes Aussehen.

 MÄC:

Wie groß ist bei Ihnen mittlerweile der männliche Anteil an Patienten, die minimalinvasive Eingriffe vornehmen lassen? Kommen die Herren regelmäßig wieder?

 Dr. Giessler:

Auch bei Männern ist mittlerweile definitiv der Wunsch nach einem sportlicheren, frischeren Aussehen angekommen und ihr Blick in den Spiegel ist kritischer geworden. Behandlungen, die gerne von Männern gebucht werden, sind z.B. Kryolipolyseverfahren, mit denen schonend Fettpölsterchen etwa die sogenannten “Love handles“ – angegangen werden können, ein bisschen Botox für Stirn und/oder Zornesfalte sowie die Korrektur von Schlupflidern oder Tränensäcken. Dennoch liegt der männliche Anteil in meinem Patientengut relativ konstant bei immer noch nur“ ca. 20-30%.

 MÄC:

Wie bilden Sie sich persönlich weiter? Stellen Ihnen auch Ihre Patienten diese Frage, ist der Endverbraucher diesbezüglich kritischer geworden?

Dr. Giessler:

Ehrlich gesagt wird mir die Frage nach der persönlichen Weiterbildung eigentlich nie gestellt. Manche Patienten erkundigen sich nach der Anzahl der durchgeführten Operationen pro Jahr, aber auch das ist nicht der Regelfall. Dennoch ist es natürlich für mich unabdingbar, immer am Puls der Zeit zu bleiben und regelmäßig an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen!

 MÄC:

Die Ästhetik wird ja zum Teil immer noch sehr kritisch beäugt. Wenn Sie persönlich drei Wünsche frei hätten, was würden Sie sich für die Zukunft in ihrer Branche wünschen?

Dr. Giessler:

1. Bei allen Anwendern die fachliche Fähigkeit, das Machbare vom Sinn-losen zu unterscheiden, und die persönliche Integrität, das gegenüber den Patienten auch durchzusetzen. 2. Selbstkritische Operateure, die ihre Grenzen kennen und respektieren. Und vor allem 3. viele glückliche Patienten!

MÄC:

Sehr geehrte Frau Dr. Giessler, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte S. Steffens