„Die Vorteile für die Wundbehandlung liegen auf der Hand“
Interview mit Prof. Dr. med Steffen Emmert, Rostock
Prof. Dr. Steffen Emmert ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie an der Universitätsmedizin in Rostock und verfügt über umfangreiche Erfahrungen mit der Wundbehandlung mit kaltem Plasma. Im Interview erläutert er die Vorteile dieser innovativen Behandlungsform.
Herr Prof. Emmert, Sie sind bereits seit vielen Jahren in der Plasma- Forschung aktiv und gehören zu den federführenden Autoren des Nationalen Konsensus Papiers “Clinical Plasma Medicine – Position and Perspectives 2012”. Welche Rolle wird die kalte Plasma- Therapie Ihrer Ansicht nach in Zukunft in der Medizin spielen?
Prof. Emmert:
Die Plasma-Medizin ist ein weites Feld mit hohem Potential. Bei Wunden sind die Wirkmechanismen am besten erforscht. Die Vorteile für die Wundbehandlung liegen auf der Hand: Kaltes Plasma bietet verschiedene Wirkungen in einer einzigen Applikation. Die Keimabtötung und die Mikrozirkulation. In der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie der Universitätsmedizin Rostock ist die Plasma-Therapie bereits seit fast drei Jahren Standardbehandlung im Rahmen einer komplexen multimodalen Wundbehandlung. Wir behandeln Wunden mit verschiedenen Wundmaßnahmen – totes Gewebe entfernen, desinfizieren, Wundauflage auflegen. Dabei wird immer auch eine Plasma- Behandlung mit durchgeführt. Bei uns ist die kalte Plasma-Therapie bereits in der Routine verankert. Nachdem die Wirkweisen gut erforscht und praktisch keine Nebenwirkungen bekannt sind, steht kaltes Plasma in der Wundbehandlung generell auf der Schwelle zum Routine-Einsatz. Weitere Einsatzmöglichkeiten für Plasma werden evaluiert.
Die Technologie von PlasmaDerm®beruht auf der dielektrisch behinderten Barriereentladung (DBD). Worin besteht hier der Vorteil gegenüber Jetplasmaquellen?
Prof. Emmert:
Grundsätzlich ist das erzeugte Plasma beider Quellen energetisch ähnlich. Das Besondere an Plasma- Derm® ist di_CAP®, das die Haut als Gegenelektrode nutzt und mit der Umgebungsluft direkt Plasma induziert. Dieses Verfahren macht die Verwendung von Arbeitsgas, wie bei Jetplasmaquellen üblich, überflüssig. Das PlasmaDerm®-Gerät ist so gegenüber Jetplasmaquellen mobiler. Ein weiterer Vorteil ist die größere Elektrode von PlasmaDerm®, mit der man flächiger und somit schneller als mit einem Pen behandeln kann. In der Medizin wird eine Fläche, die der Größe der Elektrode entspricht, mit 90 Sekunden behandelt. Diese Behandlungsdauer ist gut validiert. Hervorzuheben ist außerdem die Stimulation des Gewebes, die darauf beruht, dass die Haut als Gegenelektrode fungiert.
Sie haben zahlreiche Studien mit kaltem PlasmaDerm® durchgeführt. Welche Wirkmechanismen und Effekte haben Sie beobachtet?
Prof. Emmert:
Verschiedene internationale Arbeitsgruppen haben die keimabtötende Wirkung von kaltem Plasma zeigen können. Bakterien, aber auch Pilze und Viren werden effektiv über mehrere Log-Stufen, sogenannte Zehnerpotenzen, abgetötet. Gerade bei der Wundbehandlung spielen Bakterien eine große Rolle, denn in einer Wunde finden sich immer Bakterien. Kaltes Plasma kann die Bakterienlast deutlich reduzieren. Das gilt übrigens auch für antibiotikaresistente Keime, sog. MRSA Keime. Die Behandlung mit kaltem Plasma bietet hier große Vorteile.
Es wirkt auch noch dort, wo viele Antibiotika bereits wirkungslos sind. In mehreren Studien wurde außerdem die Durchblutung der Haut gemessen. Bereits nach einer Minute Behandlungszeit steigt die Durchblutung in der mittleren Hautschicht, der Dermis, deutlich an. Diese Mikrozirkulation hält über einen Zeitraum von 4 Stunden an und fällt dann wieder auf den Ausgangswert zurück. Das geschieht repetitiv nach jeder Plasmabehandlung. Es ist also kein ermüdender Effekt, sondern er wird bei jeder Plasma-Behandlung immer wieder neu ausgelöst.
Die Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie der Universitätsmedizin Rostock gehört zu den führenden Häusern in der Plasma-Therapie. In welchen Indikationen setzen Sie Plasma- Derm® bislang ein, und welche Erfahrungen haben Sie in der klinischen Praxis gesammelt?
Prof. Emmert:
Wir setzen PlasmaDerm® bereits routinemäßig in der Wundbehandlung ein. Und zwar für alle Arten von Wunden. Bei älteren Patienten sind dies am häufigsten Wunden am Unterschenkel. Ausgelöst durch Krampfadern, Diabetes oder auch bei arteriellen Blutgefäßerkrankungen. Gute Erfahrungen haben wir auch bei der Behandlung von Druck-Ulcera, beispielsweise am Gesäß, bei chronisch offenen Stellen in OP-Gebieten oder in der Behandlung von verzögert heilenden Narbenarealen gesammelt. Momentan erstellen wir ein Register, in dem wir unsere dokumentierten Fälle zusammenfassen, um zum Beispiel statistisch auszuwerten, um welchen Faktor Plasma die Wundbehandlung beschleunigt. Im Moment liegen vor allem Einzelbeobachtungen vor. Es gibt aber durchaus Patienten bei uns, die seit Jahren keinen Heilungserfolg verzeichnen konnten, deren chronische Wunden aber durch die intensive komplexe multimodale Behandlung u.a. mit Plasma abgeheilt sind.
In welchen Anwendungsfeldern sehen Sie – aufgrund des Standes der klinischen Forschung und Ihrer eigenen Untersuchungen – weitere Einsatzgebiete der kalten Plasma- Therapie mit PlasmaDerm®?
Prof. Emmert:
Wir führen gerade eine Pilotstudie durch, in der wir frische Wunden mit Plasma behandeln. Ich spreche hier unter anderem von Spalthaut-Transplantaten, wie sie etwa Verbrennungsopfer benötigen. Die Behandlung von großen frischen Wunden mit Plasma ist eine klare Indikation und eine Weiterentwicklung des Behandlungsspektrums.
PlasmaDerm® wirkt auch antimikrobiell gegen multiresistente Keime, ohne Resistenzentwicklung. Welche Chancen sehen Sie im postoperativen Einsatz?
Prof. Emmert:
Die Plasma-Behandlung kann überall dort, wo Keime bzw. die Keimbesiedelung eine Rolle spielt, hilfreich sein. Dazu gehört auch der postoperative Einsatz. Zur Desinfektion und zur Vorbeugung von Infektionen. Es wird auch daran geforscht, Plasma in Körperhöhlen – wie zum Beispiel bei endoskopischen Eingriffen in der Bauchhöhle – einsetzen zu können. Auch Patienten, die dauerhaft Katheter wie etwa Herz- oder Blasen- Katheter tragen, könnte die Plasma-Therapie unterstützen. Denn Katheter-Öffnungen in der Haut sind potentielle Eintrittspforten für Keime und Infektionen.
Die Plasmamedizin ist ja eine noch relativ junge Disziplin. Wie wird sich diese Disziplin weiterentwickeln? Welche Einsatzgebiete sehen Sie in der nahen und fernen Zukunft für die kalte Plasma-Therapie?
Prof. Emmert:
Es gibt eine Reihe von Einsatzmöglichkeiten. In der Dermatologie kann Plasma eingesetzt werden, um die Keimbesiedelung zu unterbinden. Etwa bei der Neurodermitis, einer entzündlichen Erkrankung mit vermehrter Keimbesiedelung. Auch hier heißt das Therapieprinzip: Keimreduktion. Das kann Plasma auf jeden Fall leisten. Weitere Einsatzgebiete sehe ich bei viralen Erkrankungen wie Herpes Zoster, der Gürtelrose, oder auch bei Lippenherpes. Publikationen aus den USA belegen außerdem die Wirksamkeit gegen Nagelpilz. Auch die Zahnmedizin bietet große Anwendungsfelder.
An der Universität Rostock erforschen wir kaltes Plasma bereits seit einigen Jahren intensiv. In Zukunft wollen wir den Schwerpunkt noch stärker auf den Bereich Plasmamedizin legen, auch mit Professuren. Damit könnte die Universität Rostock in Zukunft eine weltweit führende Position in der klinischen Erforschung von Plasma einnehmen.